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Würzburg
Prozess um Mord an Würzburger Wirt: Zeugenaussagen zeichnen das Bild einer kriminellen Großfamilie
Der Fall des Wirts, der 1999 in seiner Kneipe erschossen worden war, wird am Landgericht Würzburg immer verworrener. Wichtige Zeugen sind tot. Was jetzt ans Licht kommt.
Aus der Untersuchungshaft an vielen Verhandlungstagen ans Landgericht Würzburg gebracht: Ein 67-Jähriger und sein 50-jähriger Sohn müssen sich wegen gemeinschaftlichen Mordes verantworten. 
Foto: Thomas Obermeier | Aus der Untersuchungshaft an vielen Verhandlungstagen ans Landgericht Würzburg gebracht: Ein 67-Jähriger und sein 50-jähriger Sohn müssen sich wegen gemeinschaftlichen Mordes verantworten. 
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 28.02.2025 02:39 Uhr

Auch nach 15 von 45 Verhandlungstagen um den Mord an einem Würzburger Wirt im Jahr 1999 hält bei Prozessbeobachtern das Staunen an: Stück um Stück setzt das Landgericht ein bizarr anmutendes  Puzzle vom Leben einer Großfamilie zusammen, das offenbar geprägt war von Gier, Geld und gegenseitiger Gewalt.

Ungewiss ist nach wie vor: Sitzt der tatsächliche Schütze auf der Anklagebank? Die Richter sehen sich hin und hergetrieben, von dem, was sie von Zeugen hören oder nach 26 Jahren nicht hören. Die Ehefrau und Mutter der beiden Angeklagten - ein heute 67-Jähriger und sein 50-jähriger Sohn - soll behauptet haben: Ihr Mann habe nicht den damals polizeibekannten Sohn mit Mord beauftragt, sondern einen anderen. 

Wichtige Zeugen können nicht mehr aussagen

Ihr Schwiegersohn will das zwar gehört haben, schweigt aber vor Gericht. Ob es stimmt? Das Gericht würde die Frau gerne fragen, doch sie ist seit einigen Jahren tot. 

Auch die frühere Freundin, die dem mutmaßlichen Mordschützen ein Alibi zur Tatzeit gegeben hatte, ist inzwischen gestorben. 

Der 50-jährige Angeklagte behauptete in der Verhandlung unvermittelt, ein anderer habe geschossen, und rief einen Namen. Doch der Genannte: auch er längst tot.

Von dem Würzburger Geschäftsmann, der das tödlich endende Drama einst erst ins Rollen gebracht hatte und für den der Wirt als Bürge eingesprungen war, ganz zu schweigen. Auch er ist tot.

Unbestreitbar ist: Der damals 23 Jahre alte Sohn des Geldverleihers hatte dem Wirt zwei Tage vor den tödlichen Schüssen mit Mord gedroht. Seine verängstigte Freundin soll er - wenn man ihren Kindern glauben darf - auch mit Gewalt unter Kontrolle gehalten haben. Glaubt man der Anklage der Staatsanwaltschaft, hat sie ihn am Tatabend sogar zum Tatort gefahren.

Kriminelle Details aus dem Leben einer Großfamilie

Je mehr Einzelheiten über die Familie der beiden Tatverdächtigen bekannt werden, umso verwunderter können Richter und Schöffen nur den Kopf schütteln: Da ist ein Familienoberhaupt mit angeblichen Kontakten zur kurdischen Terrorgruppe PKK. Offiziell lebte er von Sozialhilfe und Kindergeld - konnte aber offenbar Freunden fünfstellige Summen leihen und seinen Kindern Häuser schenken.

Der 67-Jährige, der kaum Deutsch versteht, soll einem Freund, der ihn verärgerte, mit Erschießen gedroht haben. Seiner Freundin, die ihn verlassen hatte, soll er mit gezückter Pistole aufgelauert haben. Und als ein Schuldner trotz Folter- und Morddrohungen nicht zahlen wollte, sah er es laut Anklage stellvertretend auf den Wirt ab, der für seinen Freund gebürgt hatte: "Ich will Blut sehen!", soll der 67-Jährige seinem Sohn befohlen haben.

Falsches Alibi? Streit um Erbschaft brachte den Mordfall neu ins Rollen

Von weiterer Gewalt ist vor Gericht die Rede: Einer Zeugin aus der Familie zufolge soll eine seiner Töchter von ihrem Mann einmal mit gezücktem Messer fast erstochen worden sein. Zwei Töchter fühlten sich offenbar im Erbstreit im Nachteil, sollen bei der Schwägerin eingebrochen und Bargeld und Goldschmuck gesucht haben.

Eine Überwachungskamera zeichnete alles auf, Hausherr und Schwägerin zeigten die Töchter des 67-jährigen Angeklagten an. Die wiederum sollen der Schwägerin und ihren Kindern mit Ermordung gedroht haben, wenn sie die Anzeige nicht zurückziehe. Und warum die Polizei eine Pistole im Haus der Anzeigenerstatterin fand? Sie will es vor Gericht nicht sagen.

Schwester des Angeklagten schweigt im Zeugenstand

Von der Schwägerin fühlt sich die beschuldigte Tochter um das Erbe ihrer Mutter betrogen. Im Gegenzug behauptete sie im vergangenen Jahr gegenüber der Polizei: Ihr Bruder habe 1999 nach dem Mord an dem Würzburger Wirt ein falsches Alibi seiner Freundin bekommen.

In der Verhandlung am Landgericht Würzburg aber wiederholt sie jetzt diesen Vorwurf nicht, sie schweigt im Zeugenstand. Da sind sich Richter, Staatsanwalt und Verteidiger ausnahmsweise einig: "Das ist extrem misslich!"

Der Prozess wird am 10. März fortgesetzt.

 
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Kommentare
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  • Horst Blatz
    So eine Geschichte kann sich ja kaum ein Schriftsteller ausdenken. Wäre mal wieder etwas für einen TATORT, der dann unterirdische Quoten erhält, weil er als vollkommen unrealistisch abgetan würde.
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  • Barbara Fersch
    wer zahlt eigentlich die Gerichtskosten für diesen Prozess?
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  • Fabian Leicht
    Das kann erst nach Abschluss des Prozess beantwortet werden. Grundsätzlich muss dafür aber die unterlegene Partei aufkommen.
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  • Pamela Hellmuth
    Der deutsche Staat. Wer sonst
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  • Fabian Leicht
    Hallo Pamela Hellmuth,
    wie kommen Sie zu dieser Annahmen?
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