
Seit zehn Verhandlungstagen läuft am Landgericht Würzburg der Prozess um den Mord an einem türkischen Wirt vor 26 Jahren. Aber sitzt auf der Anklagebank neben dem 67-jährigen Geldverleiher und angeblichen Auftraggeber wirklich der Schütze?
"Der Mörder agierte sehr zielgerichtet", urteilt ein Ermittler vor Gericht. Damalige Gäste schildern als Zeugen, wie ein dunkel gekleideter Mann am Abend des 5. Januar 1999 rasch die drei Stufen zur Kneipe des Wirts nahm, sich eine Maske übers Gesicht zog - und den damals 55 Jahre alten Gastronom mit drei Kugeln niederschoss.
Es folgten drei Warnschüsse an die Gäste. Dann verschwand der Maskierte so schnell, wie er gekommen war - über einen Fluchtweg zwischen den Häusern, der eine gezielte Planung vermuten lässt.
War der Schütze der damals 23-jährige Sohn des Geldverleihers? Ein Mithäftling aus der Untersuchungshaft behauptet, der Angeklagte habe ihm den Mord im Gefängnis gestanden. Er selbst sagt, nicht geschossen zu haben. Und seine Verteidiger, Hanjo Schrepfer und Roj Khalaf, gehen noch weiter: Der Vater habe doch gewusst, dass auf seinen Sohn der Verdacht schnell fallen würde. Denn der damals 23-Jährige hatte den Wirt zwei Tage vor den tödlichen Schüssen am Telefon massiv bedroht– und Saraç hatte ihn bei der Polizei angezeigt.
Mann aus der Nähe von Bremen im Blick: In Würzburg den Wirt gesucht?
Ins Blickfeld gerät nun wieder ein mysteriöser Kneipenbesucher aus einem Ort bei Bremen. Er soll vor 26 Jahren wenige Nächte vor dem Mord nach dem Wirt gefragt haben, der in jener Nacht aber nicht in seinem Lokal war. Der Unbekannte soll so schnell verschwunden sein, wie er gekommen war. Er soll von Kleidung und Figur her dem Schützen der Mordnacht ähnlich gesehen haben, sagen Zeugen heute.
Ist er der Mörder, der sich am Tatort umsah? Als der Verdacht gegen den Geldverleiher und seinen Sohn immer konkreter wurde, geriet er in Vergessenheit. Doch jetzt ist das Interesse an dem Mann neu erwacht.
Warnung vor Abhörmaßnahmen: "Nicht am Telefon"
1999 hatte die Kripo bei der Telefonüberwachung während der Ermittlungen ein verdächtiges Gespräch des 67-Jährigen mit einem türkischen Bekannten aus der Gegend von Bremen mitbekommen. Demnach stoppte der Geldverleiher den Anrufer, als dieser Andeutungen zu den Schüssen in Würzburg machen wollte. Offenbar rechnete er mit Mithörern. "Nicht am Telefon", soll er laut Polizei gesagt und ein persönliches Treffen unter vier Augen ausgemacht haben.
Ist der Anrufer der Besucher der Kneipe – oder gar der Schütze? Bis die Polizei damals Namen und Adresse ermittelt hatte und ihn befragen wollte, war er verschwunden - und geriet in Vergessenheit. Im Prozess hieß es an diesem Montag nun, das Würzburger Gericht habe Nachermittlungen angeordnet, um ihn ausfindig zu machen.
Zeugen berichten von Drohungen des Geldverleihers und Waffen "zum Schutz"
Glaubt man den aktuellen Aussagen von Prozesszeugen, hatte der beschuldigte Geldverleiher selbst wenig Hemmungen, zur Schusswaffe zu greifen. Er habe Waffen "zum Schutz", soll er einst einem Freund erzählt haben. Bei einem Streit habe der 67-Jährige ihm einst erregt mit Erschießen gedroht.
Eine heute 71 Jahre alte Zeugin, Ex-Freundin des angeklagten Vaters, erzählt auch, wie er reagierte, als sie ihn aus Eifersucht verließ: "Er hat mich abends auf der Straße abgepasst." Dann soll er drohend seine Pistole gezogen haben. In letzter Sekunde sei ihr ein Passant zu Hilfe gekommen.
Wovon ihr früherer Lebensgefährte, der damals Sozialhilfe bezogen, aber sechsstellige Beträge verliehen haben soll, lebte, fragt das Gericht. Da verstummt die 71-Jährige: "Ich habe Angst, das zu sagen."
Der Prozess wird an diesem Dienstag, 11. Februar, fortgesetzt.