
Als seine Tochter an diesem Montag in den Würzburger Gerichtssaal geführt wird, zeigt ihr der angeklagte Vater die kalte Schulter. Schweigend starrt er vor sich hin, wie an den vergangenen 13 Prozesstagen schon. Der 67-Jährige wirkt resigniert - als habe er sich bereits damit abgefunden, dass angesichts der Beweise dieses Verfahren um tödliche Schüsse auf einen Würzburger Wirt im Jahr 1999 mit einem Urteil gegen ihn enden könnte: wegen Anstiftung zum Mord.
Sein mitangeklagter 50-jähriger Sohn aber mustert seine Schwester finster. Von ihrer Aussage am Landgericht Würzburg hängt noch viel für ihn ab: Freispruch oder "lebenslänglich" wegen eines Mordes, den er vor 26 Jahren im Auftrag des Vaters begangen haben soll?
Wichtige Zeugin des Oberstaatsanwalts verweigert Aussage
Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach setzt auf die Zeugin. Sie soll im Zeugenstand das einstige Alibi ihres Bruders zur Tatzeit als Lüge entlarven. Doch ausgerechnet ihr Ehemann wiederum soll seinen Schwager entlasten: "Könnte es sein, dass hier der Falsche als Schütze auf der Anklagebank sitzt?" fragen die Verteidiger Hanjo Schrepfer und Roj Khalaf.
Denn der Schwager des Angeklagten soll schon vor Jahren von seiner Schwiegermutter Brisantes gehört haben: Ihrem Mann, dem angeklagten Geldverleiher, sei es zuletzt zu gefährlich geworden, den eigenen Sohn mit einer Schusswaffe loszuschicken. Die Polizei habe ja von dessen Drohungen gegen den Wirt schon gewusst. Ihr Mann habe jemand anderes mit der Tötung beauftragt. Er sei deshalb auch selbst an jenem Januarabend 1999 in der Kneipe gewesen - um dem Schützen das richtige Opfer zu zeigen.
Auch Verteidiger scheitern bei Versuch der Befragung
Die beiden Zeugen - Schwester und Schwager - enttäuschen am Montag jedoch die Erwartungen von Ankläger wie Verteidiger: Beide verweigern die Aussage gegen nahe Verwandte. Der Schwiegersohn des mutmaßlichen Anstifters verbietet sogar die Verwertung der entlastenden Äußerungen, die er vor elf Monaten bei der polizeilichen Vernehmung gemacht hatte. Seine Schwiegermutter selbst ist inzwischen gestorben.
"Er muss aussagen", ruft zornig der jüngere Angeklagte. Er hatte zuvor bereits einen Namen in den Gerichtssaal gerufen und einen anderen Mann der Tat beschuldigt. Auch die Anwälte versuchen am Montag fast verzweifelt, den Schwager im Zeugenstand doch noch zum Reden zu bringen. Vergeblich: Das Gericht muss die Weigerung respektieren, die ihm rechtlich zusteht.
26 Jahre lang ein Alibi - fälschlicherweise?
Den mutmaßlichen Schützen hatte ein Vierteljahrhundert lang das Alibi seiner Freundin geschützt. Sie hatte 1999 bei der Polizei behauptet: Zur Tatzeit habe der damals 23 Jahre alte Sohn des Kreditgebers mit ihr und ihrem Kind daheim "Mensch ärgere dich nicht" gespielt.
Kritisch wurde es für den Verdächtigen, als 2024 in der Familie ein Erbstreit losbrach. Da ermittelten Polizisten bei seiner Schwester wegen gestohlenen Schmucks. Unvermittelt soll sie gesagt haben: Die Ermittler sollten sich doch lieber um die Aufklärung des alten Mordes kümmern. Das Alibi ihres Bruders sei nämlich falsch gewesen.
Ankläger: Freundin selbst fuhr den Angeklagten zum Tatort
Dies brachte den Fall überraschend wieder ins Rollen. Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach sagt inzwischen sogar: Die damalige Freundin habe den Angeklagten in jener Nacht sogar zum Tatort, der Kneipe des Wirts, gefahren. Die Alibi-Geberin selbst kann dazu nicht mehr aussagen, auch sie ist bereits gestorben.
Nun wird der Fall noch komplizierter. Da die Zeugen schweigen, muss das Gericht versuchen, auf Umwegen die Wahrheit herauszufinden: Polizisten könnten aussagen, was ihnen die Schwester im vergangenen Jahr im Verhör sagte. Eventuell muss sogar der damalige Ermittlungsrichter in den Zeugenstand.
Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.