
Im Prozess um den Mord an einem türkischen Gastwirt in Würzburg steht der jüngere der beiden Angeklagten im Mittelpunkt: War der 49-Jährige der schwarz gekleidete Schütze, der am 5. Januar 1999 bewaffnet eine Kneipe im Stadtteil Zellerau betreten hat und Edip Saraç tötete?
Dass sein mit Vater, der sich seit diesem Montag ebenfalls wegen gemeinschaftlichen Mordes vor dem Landgericht Würzburg verantworten muss, damals unter den Gästen im Lokal war: Dies bestätigen jetzt Zeuginnen und Zeugen. Aber keiner von ihnen kann nach 26 Jahren im Zeugenstand sagen, er habe den maskierten Schützen erkannt. Zwei Frauen erinnern sich, dass ihnen der Wirt von Drohanrufen erzählt habe: Dabei soll Saraç auch den Namen des damals 23 Jahre alten, jetzt angeklagten Sohnes genannt haben.
Eine Zeugin schildert vor Gericht, wie ihr selbst Kugeln um die Ohren schossen und der Wirt, tödlich getroffen, zusammensank: "Da wusste ich, es war kein Spaß."
Vor 26 Jahren schon unter Verdacht: Freundin gab dem Verdächtigen ein Alibi
Der 49-Jährige auf der Anklagebank schüttelt da empört den Kopf. Der Gastwirt hatte ihn damals wegen Morddrohungen bei der Würzburger Polizei angezeigt. Seitdem lebt er mit dem Verdacht, Täter zu sein. Bereits 1999 hatten die Ermittlungen nach den tödlichen Schüssen schnell zu ihm geführt.
Doch ein Vierteljahrhundert lang konnte dem Mann - und seinem 67-jährigen Vater, dem mutmaßlichen Auftraggeber - nichts nachgewiesen werden. Schmauchspuren gab es keine, die Tatwaffe wurde nicht gefunden und seine Freundin hatte dem 23-Jährigen damals ein sicheres Alibi gegeben.
Zwei Schwestern und ein Mithäftling nähren Zweifel an der Unschuld
Jetzt aber könnten drei Zeugen im Prozess den Angeklagten doch lebenslänglich ins Gefängnis bringen. Zwei Schwestern von ihm hatten - im Groll und Streit um Schmuck der verstorbenen Mutter - im vergangenen Jahr der Polizei gegenüber überraschend ausgesagt: Das Alibi für den Bruder sei eine Lüge der Freundin gewesen.
Auch einem Zellengenossen gegenüber soll der 49-Jährige inzwischen während der Untersuchungshaft den Mord gestanden haben. Doch die Verteidiger des 49-Jährigen geben sich vor Gericht kämpferisch. Sie fordern vehement Informationen über den Mithäftling und fragen, was ihn zu der Aussage bewegt haben könnte.
Zeitraubende Beweisaufnahme und viele Emotionen vor Gericht
Der Kronzeuge und die beiden Schwestern sollen jedoch erst in einigen Wochen in den Zeugenstand treten. An diesem Montag hat der Prozess begonnen, rund 45 Verhandlungstage bis August sind angesetzt. Wenn das Verfahren so weitergeht wie an den ersten beiden Tagen, könnte der Prozess einer der mühseligsten in der Geschichte des Würzburger Landgerichts werden.
Denn die Beweisaufnahme ist schwierig: Wichtige Zeugen geben langatmig Antworten auf gar nicht Gefragtes, mühsam muss zwischen Deutsch und Türkisch übersetzt werden. Manche Zeugen erinnern sich nach 26 Jahren nicht mehr, was sie direkt nach der Tat der Polizei erzählt hatten. Andere sind inzwischen so emotionalisiert, dass ihnen nur schwer brauchbare Aussagen zu entlocken sind.
Immer wieder fallen Zeugen im Sitzungssaal aus ihrer Rolle: Statt auf Fragen des Gerichts zu antworten, bellen sie und die Witwe und Söhne des ermordeten Wirts sich erregt - über die Köpfe der Anwälte hinweg - mit wüsten Beschimpfungen an.
Der angeklagte mutmaßliche Täter springt auf, Polizisten und Anwälte müssen die Parteien trennen. Ein wütender Sohn des Opfers, einer der Nebenkläger in diesem Prozess, muss den Saal erst einmal verlassen, um sich zu beruhigen.
Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.
Ausschluss, Beweise bewerten, Urteil sprechen…
Der Herr Schrepfer kann dann ja in Berufung gehen…
Er weiß ja, wie ein Prozess in die Länge gezogen werden kann…