Am Abend des 5. Januar 1999 spielt sich in der Weißenburgstraße im braven Würzburg eine Szene ab wie in einem drittklassigen Mafiafilm: Nach einem Drohanruf steht kurz vor 19 Uhr plötzlich ein Maskierter im Eingang der türkischen Kneipe, einen großkalibrigen Colt im Anschlag: Ein Kopfschuss trifft den Wirt Edip Sarac am Tresen, drei Schüsse in die Luft sollten die Gäste einschüchtern. Der Killer, jung, 170 Zentimeter groß, verschwindet so schnell in der Dunkelheit, wie er gekommen ist.
„Das war schon frech“, staunt noch heute Martin Hinterseer – ein Mordermittler mit über drei Jahrzehnten Erfahrung: „Direkt vor den Augen der Polizei so ein Mord.“ Die neue Polizei-Inspektion samt Kripo in der Zellerau – fünf Jahre zuvor bezogen – lag praktisch auf der anderen Straßenseite des Tatortes im Würzburger Stadtteil Zellerau. Binnen einer Minute war die erste Streife vor Ort. Aber dem Wirt war nicht mehr zu helfen, und der Täter mit der Sturmhaube in der Dunkelheit verschwunden.
Kurz nach der Bluttat laufen Menschen am Tatort zusammen. Polizeisprecher Wolfgang Glücker spricht später von 50 bis 60 türkischen Landsleuten, die sich über Handys „in Windeseile“ untereinander verständigt hatten. Kurz vor 21.30 Uhr wird der Sarg abtransportiert.
Tags darauf geben sich die Medien die Klinke in die Hand. Drei Einschusslöcher in der Wand, im Kachelofen und im Türrahmen sowie eine große Blutlache in dem Raum hinter der Theke zeugen von den Todesschüssen. Während ein Beamter des Erkennungsdienstes Beweismittel sichert und in kleinen Plastiktüten auf der Theke deponierte, spekulieren die Menschen vor der Tür über die Hintergründe der Bluttat.
Einer erzählte, er sei noch am Nachmittag mit dem Opfer zusammengesessen. Der Gastwirt sei Vater zweier erwachsener Söhne und einer Tochter, die in der Türkei lebt. Ein Geschäftsmann, der seit 28 Jahren in Würzburg lebte, spricht davon, dass der Deutsch-Türkische Kulturverein erst im August sein Domizil in der Weißenburgstraße bezogen hat. Das Opfer sei Vorsitzender des Kulturvereins gewesen.
Doch es ist kein Nachbar, sondern ein türkischer Reporter aus Frankfurt, der schließlich von Schwarzgeld und Geldwäsche spricht – und davon, dass das Opfer bedroht worden sei. Tatsächlich zeigt sich: Sarac galt als Autorität unter seinen türkischen Landsleuten in Würzburg. Der Polizei war aufgefallen, dass er andere türkische Mitbürger zur Polizei begleitete, wenn sie als Zeugen aussagen sollten – etwa bei einer Messerstecherei. Durfte er bei der Vernehmung nicht dabei sein, wartete er vor der Polizeiwache und ließ sich von seinen Landsleuten später genau erzählen, was sie ausgesagt hatten.
Der 55-jährige Familienvater und Gastwirt Sarac war offenbar in Geschäfte mit dem Ausleihen und Leihen von hohen Geldbeträgen verwickelt. Er sei für 350 000 Mark gerade gestanden, habe sie aber nicht aufbringen können, schrieb 2011 die türkische Zeitung „Hurryet“. Doch die Summe war laut Mordermittler Hinterseer übertrieben.
Anruf kurz vor Mitternacht
Einige seiner Kunden schienen jedenfalls mit dem Ergebnis seiner Bemühungen nicht zufrieden gewesen zu sein. Hinterseer erinnert sich: Sarac war zwei Tage vor der Bluttat verängstigt zur Polizei gekommen, um Anzeige zu erstatten. Er hatte kurz vor Mitternacht einen Anruf erhalten, bei dem er und seine Familie massiv bedroht worden waren. „Der muss sehr Angst gehabt haben“, sagt Hinterseer, „sonst wäre der doch nie zur deutschen Polizei gegangen.“
Wenige Stunden wird ein türkischer Landsmann des getöteten Familienvaters festgenommen, den Sarac in seiner Anzeige benannt hatte. „Es besteht lediglich ein Anfangsverdacht“ heißt es gleich von der Polizei. Kurz darauf ist der Mann aus Höchberg wieder auf freiem Fuß: „Wir können den Verdacht nicht aufrechterhalten“, hieß es von der Polizei. Er war der Mann, der 30 Stunden vor dem Mord in der Zellerau seinen Landsmann am Telefon bedroht haben soll. Doch „seine Freundin gab ihm ein Alibi, das nicht widerlegt werden konnte“, erinnert sich ein Polizist.
Die Polizei sieht sich gezwungen, klarzustellen: Sarac sei tatsächlich bedroht worden. Doch das spätere Opfer hatte nicht um Polizeischutz gebeten. Die Staatsanwaltschaft schloss zunächst nicht aus, dass Schutzgelderpressung oder Geldwäsche im Spiel seien. Und bis heute hält sich in der türkischen Gemeinde in Würzburg das Gerücht, die türkische Mafia aus Ludwigsburg habe einen Auftragskiller geschickt.
Der Täter war auf dem Weg ins Lokal in einer Nebenstraße gesehen worden und wurde von einem Zeugen beschrieben. Er floh nach der Tat über Hinterhöfe von der Weißenburg- in die Friedrichstraße, als sei er dort zu Hause. Dabei kam er an der Mainau-Apotheke vorbei, wo er von einem Passanten gesehen wurde: Er trug eine dunkle, hüftlange Jacke und eine dunkle Hose – keine Maske.
Die Kripo richtet eine Sonderkommission mit 25 Beamten ein. Ein Zeugentelefon wird eingerichtet. „Aber es kamen kaum Hinweise“, weiß Kriminalhauptkommissar Hinterseer. Auch ein Sohn des Opfers gerät unter Verdacht – wegen einer vom Vater nicht als standesgemäß empfundenen Freundin – wie sich seine Familie entsetzt zwölf Jahre später erinnerte. Aber auch das bringt die Ermittler nicht zum Ziel.
Jahre später – der Fall liegt längst als „ungeklärt“ im Aktenschrank – keimt ein anderer furchtbarer Verdacht: War der Würzburger Gastwirt Sarac ein Opfer jenes NSU-Neonazi-Trios gewesen, das mordend durch Deutschland gezogen war und zehn Menschen auf dem Gewissen hatte – vorwiegend in Deutschland lebende Türken? Das sei „mehrfach geprüft worden“, weiß Kripo-Mann Hinterseer – obwohl weder die Waffe noch die Ausführung der Tat der Vorgehensweise der Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos entsprach. Es ließ sich kein Zusammenhang herstellen. Der Fall sei „x-fach geprüft worden“, versicherte Boris Raufeisen, Sprecher der Staatsanwaltschaft Würzburg dieser Zeitung. „Da ist nichts dergleichen gewesen.“
Der Mörder von Sarac ist bis heute nicht gefasst. Martin Hinterseer, mit 37 Jahren Berufserfahrung ein alter Fuchs, hat seine eigene Theorie: „Jemand, der von der Drohung gegen Sarac wusste, hat sich zunutze gemacht, dass der Verdacht auf den Falschen fallen würde.“ Das scheint geklappt zu haben, bis heute ist der Mörder nicht gefasst.
Wer kann zur Aufklärung beitragen? Die Polizei hofft auf Zeugen, die im Fall Edip Sarac mit einem Tipp zur Klärung des Falles beitragen können. Hinweise nimmt die Kriminalpolizei Würzburg unter Tel. (09 31) 4 57 17 32 entgegen.
http://www.braunschweiger-zeitung.de/nsu-prozess/angehoerige-von-nsu-opfern-wir-wurden-kriminalisiert-id1098222.html
Auch bei der Ermordung von Halit Yozgat in Kassel 2006 war ein Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen (LfV), Andreas T., der den Spitznamen „Klein Adolf“ zugegen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Halit_Yozgat
Lesetipp:
Wiesn-Attentat: Ermittler bitten um Hilfe
Zeugen und Fotos gesucht: 35 Jahre nach dem Oktoberfestattentat bitten die Ermittler nun die Öffentlichkeit um Hilfe.
http://www.mittelbayerische.de/bayern-nachrichten/wiesn-attentat-ermittler-bitten-um-hilfe-21705-art1236582.html
Das Vertrauen in den Rechtsstaat schwindet daher zunehmend.
Ob dies die Absicht derjenigen ist die dafür verantwortlich sind?
Es gab nachgewiesenermaßen gute Kontakte nach Nürnberg, Aschaffenburg, Coburg
siehe z.B:
BR: Kontrovers extra: Bayern und der braune Terror
https://www.youtube.com/watch?v=OFjadSHQmN0
Also warum nicht auch nach Würzburg.
Beate Zschäpe - Die verbotene (Doku)
https://www.youtube.com/watch?v=IovbKNWnVck
Ungeklärte Mordfälle in Berlin: Noch mehr NSU-Opfer?
https://www.youtube.com/watch?v=GXepVXZQbww
Es wird häufig von einem Terror-Trio gesprochen - so wie beim Oktoberfestattentat von einem Einzeltäter gesprochen wurde. Ich glaube immer weniger daran.
gibt´s doch alles gar nicht, oder?
Das sind doch alles nur Verschwörungstheorien von ausländerfeindlichen......
Manchmal sollte man sich seiner Vorurteile vielleicht besser schämen.
So lange, bis geklärt ist, wer der Täter war, ist die Richtung offen.
Anscheinend gibt es in unserem Land aber immer noch genug Leute die daraus nichts gelernt und nichts kapiert haben.