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Würzburg
Prozess um Hammer-Attacke am Landgericht Würzburg: Starker Auftritt des Opfers im Zeugenstand
Eindrucksvoll schilderte die angegriffene junge Frau im Verfahren um versuchten Mord das Erlebte. Wie sie zu Prozessbeginn dem angeklagten Handwerker Paroli bot.
Der Prozess um versuchten Mord an junger Frau hat im Landgericht Würzburg begonnen. Auf der Anklagebank: ein Handwerker, der sie bei Arbeiten in ihrer Wohnung attackiert haben soll.
Foto: Thomas Obermeier | Der Prozess um versuchten Mord an junger Frau hat im Landgericht Würzburg begonnen. Auf der Anklagebank: ein Handwerker, der sie bei Arbeiten in ihrer Wohnung attackiert haben soll.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 22:30 Uhr

Der Unterschied könnte kaum größer sein zwischen dem Angeklagten und der jungen Frau, die er mit dem Hammer fast erschlagen haben soll: Im Saal des Würzburger Landgerichts sitzt an diesem Mittwoch ein Kerl wie ein Schrank und macht sich ganz klein. Er sei bei der Geburt fast gestorben, sagt er. In der Schule sei er von Mitschülern gehänselt und gemobbt worden, mit 18 Jahren noch Bettnässer gewesen. Höflich sei er und friedfertig. Und dann reckt er dem Gericht theatralisch seine Handflächen entgegen: "Bis jetzt sind diese beiden Hände noch nie gewalttätig geworden."

Starker Mann gibt sich ganz schwach, die zierliche Frau tritt stark auf

Da werden die Blicke im Saal ungläubig: Hat dieser Mann, gerührt von sich selbst, vergessen, warum er auf der Anklagebank sitzt? Dass ihm Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach gerade eine Anklage vorgelesen hat, die ihm versuchten Mord und die Absicht einer Vergewaltigung vorwirft? Und dass er ein paar Minuten zuvor selbst die heimtückischen Schläge mit dem Hammer auf den Kopf einer ahnungslosen jungen Frau in deren Wohnung zugegeben hat?

Im voll besetzten Gerichtssaal richten sich die Blicke ans andere Ende des Raumes: Dort sitzt eine  zierliche Studentin, die den Angeklagten beim Eintreten wütend gemustert hat. Um ihr die schwierige Situation zu erleichtern, hat der Vorsitzende Richter Thomas Schuster den Angeklagten extra ans andere Ende des Raumes setzen lassen.   

Opfer schildert die Attacke - getroffen "wie eine Bombe"

Die 26-Jährige  blickt ihren mutmaßlichen Peiniger während ihrer Aussage unentwegt an, zwischendurch kommen ihr die Tränen. Die junge Frau schildert, wie sie im Mai 2022 nichtsahnend dem Handwerker das Fenster in ihrem Bad gezeigt hatte, das repariert werden sollte. Wie der unerwartete erste Schlag mit dem Hammer sie traf "wie eine Bombe". 

Er habe plötzlich einen irren Gesichtsausdruck gehabt, schildert die junge Frau die Attacke. Sie wehrte sich mit Tritten - vergeblich. Brutal habe der Handwerker auf ihren Kopf und Körper eingeschlagen, bis sie am Boden lag und das Bewusstsein verlor. Als sie erwachte, sei er nicht mehr im Zimmer gewesen. Sie rappelte sich hoch, stürzte zur Wohnung hinaus, klingelte bei einer Nachbarin. Niemand öffnete. Erst eine Etage tiefer sei sie auf eine Mitbewohnerin getroffen: "Die hat mich gerettet."

Der athletisch wirkende Handwerker schaut vor Gericht an diesem ersten Verhandlungstag sein Opfer nicht einmal auch nur kurz an. Stur starrt der 28-Jährige vor sich hin. Er wird nicht einmal die Entschuldigung los, die er mit seinem Verteidiger Tilman Michler vorbereitet hat. Die Zeugin bittet das Gericht, das nicht anhören zu müssen: "Es gibt Dinge, die kann man nicht verzeihen."

Vorsitzender zum Opfer: "beeindruckend stark"

Zehn Monat später spüre sie die Narben des Schädelbruchs noch immer bei jedem Kämmen, sagt die junge Frau. Wegen Hirnblutungen war sie in Lebensgefahr gewesen. Sie habe Angststörungen und traute sich zeitweise nicht allein aus dem Haus. Noch immer sei sie in Therapie. Aber sie hat ihr Leben wieder in die Hand genommen und schreibt nun ihre Masterarbeit an der Uni . Der Vorsitzende Richter verabschiedet die junge Frau mit den Worten: "Ich nehme Sie als beeindruckend stark wahr!"

Der Angeklagte indes formuliert Schräges: "Dass ihr geholfen wurde, hat mich überglücklich gemacht". Er ringt um Erklärungen, aber er klingt dabei so schablonenhaft, als finde er keine eigenen Worte für sein Denken und Handeln.

Schräg klingende Sätze und ratlose Erklärungsversuche des Angeklagten

Er habe die junge Frau nicht vergewaltigen wollen, betont er mehrfach – auch wenn er zwei Tage vor der Attacker brutale Mord und Gewalt-Videos angeschaut hatte, die ihm als Vorlage gedient haben könnten. Er habe beim Anblick der Frau "ein komisches Gefühl" gehabt und zugeschlagen. Als er dann über der Liegenden kniete und das Blut sah, "erschrak ich über mich selbst". Er habe den Hammer fallengelassen, ihren Puls gefühlt und ihre Atmung kontrolliert: "Ich spürte, dass ich alles tun muss, um Schlimmeres zu verhindern."

Dass er nach dem Angriff aus dem Haus rannte und zur Tarnung so tat, als verfolge er einen anderen, kann er vor Gericht nicht so recht erklären. "Ich will Sie verstehen," versichert Richter Thomas Schuster. Doch zum Auftakt des Prozesses blieb die Gedankenwelt des Angreifers rätselhaft.

Dem Gericht bleiben sieben weitere Prozesstage bis zum Urteil, um das zu ändern.

 
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Kommentare
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  • D. T.
    Besondere Schwere der Schuld bei versuchtem Mord.. sie scheinen echt vom Fach zu sein.
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  • M. F.
    Versuchter Mord mit besonderer Schwere. Da kann nur lebenslänglich mit anschließender Sicherungsverwahrung in Frage kommen. Außerdem Schadensersatz und Schmerzensgeld für das Opfer. Dem Opfer alles nur erdenkliche Gute.
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  • D. E.
    Das Gericht sollte Sie als Sachverständigen hinzuziehen, ehrlich!
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  • P. K.
    Wie immer bei so einem Fall kommen die Bauchgefühljuristen aus dem Keller.

    Der Mann wird nach unserem Rechtssystem verurteilt und bestraft, und so muss es auch sein .
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