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Würzburg
Prozess um Entführung in Karlstadt: Anwalt hält Richter für befangen und kritisiert "Scheinberatung" mit Schöffen
Die Anklage am Landgericht Würzburg lautet: erpresserischer Menschenraub. Der Verteidiger erhebt schwere Vorwürfe gegen den Vorsitzenden Richter – und nennt drei Punkte.
Drei Männer aus Georgien sollen einen Syrer entführt und gefoltert haben. Sie sind Angeklagte in einem Prozess am Landgericht Würzburg.
Foto: Heiko Becker (Archiv) | Drei Männer aus Georgien sollen einen Syrer entführt und gefoltert haben. Sie sind Angeklagte in einem Prozess am Landgericht Würzburg.
Jonas Keck
 |  aktualisiert: 08.11.2024 06:33 Uhr

Schwerwiegende Vorwürfe erhebt ein Verteidiger gegen den Vorsitzenden Richter im Prozess um einen erpresserischen Menschenraub, der sich im November 2023 in Karlstadt (Lkr. Main-Spessart)  ereignet haben soll. Anwalt Konstantin Stern stellte am Dienstag einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Reinhold Emmert. Stern verteidigt einen der drei angeklagten Männer aus Georgien. Sie sollen einen damals 33-Jährigen entführt, gefoltert und mehrere Tage gefangengehalten haben.

Der Verteidiger nennt drei Gründe für seinen Antrag auf Befangenheit des Richters. Eine CD mit Videoaufnahmen von einer Vernehmung des Geschädigten sei der Verteidigung nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt worden. Das Gericht habe die CD erst wenige Minuten vor der Vernehmung des Nebenklägers im Gerichtssaal ausgeteilt. Es habe keine Möglichkeit bestanden, sich die zweistündige Vernehmung vorher anzuschauen. Stern sieht darin eine "Verletzung der Rechte des Angeklagten". 

Hat der Richter "bewusst und willkürlich" gegen die Strafprozessordnung verstoßen?

Zudem habe der Richter an einem Prozesstag die Sitzung nicht unterbrochen, als die Verteidigung darum bat. Er habe mehrfach erklärt, sich mit seinem Mandanten beraten zu wollen und daher um eine kurze Unterbrechung gebeten, so Stern. Ein daraufhin formell gestellter Antrag auf eine Unterbrechung sei vom Gericht abgelehnt worden – nach kurzer Beratung zwischen Berufsrichter und Schöffen.

Eine "Scheinberatung", nennt der Anwalt aus Berlin das. Sie habe lediglich 15 Sekunden gedauert. Er habe die Zeit gestoppt. Bei seinem Mandanten sei der Eindruck entstanden, der Vorsitzende Richter verstehe die Unterbrechung der Verhandlung "als Hindernis auf dem Weg zu einem bereits gefassten Urteil".

Außerdem wirft der Anwalt dem Richter vor, nicht genügen unternommen zu haben, um vom Geschädigten im Zeugenstand Informationen zu noch immer nebulösen Hintergründen der Tat zu bekommen. Den Ermittlungen zufolge hatte der Geschädigte in Syrien eine Transportfirma, in der undurchsichtige Geschäfte betrieben worden sein sollen. Richter Emmert hätte ein Zwangsgeld oder Beugehaft für den Entführten anordnen können, um den heute 34-Jährigen zur Aussage zu zwingen, meint Stern. Das aber habe der Richter ausgeschlossen. Emmert habe damit "bewusst und willkürlich" gegen die Strafprozessordnung verstoßen, so der Verteidiger.

Berufsrichter müssen über Befangenheitsantrag entscheiden

Nun müssen drei Berufsrichter des Landgerichts Würzburg – ohne die Beteiligung des Vorsitzenden  – innerhalb von zwei Wochen über den Befangenheitsantrag entscheiden. Geben sie dem Antrag statt, dürfte Emmert nicht mehr am Verfahren mitwirken.

Der Prozess wird am 20. November fortgesetzt.

 
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  • Peter Querberitz
    Was der Prozess dem Steuerzahler wieder kostet? Der Angeklagte hat nix u. der Anwalt freut sich.
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