
Das Landgericht Würzburg steht im Prozess um die Entführung eines Syrers auf offener Straße in Karlstadt (Lkr. Main-Spessart) vor einem Dilemma: Auch am Freitag kam die Suche nach der Wahrheit nicht so recht voran, dafür wird der Ton zunehmend aggressiver. Denn die drei Angeklagten schweigen eisern. Dafür attackieren ihre Verteidiger das Gericht immer heftiger.
Posttraumatische Belastungsstörungen: Zeugenaussage zurückgestellt
Im Gerichtssaal wurde es am Freitag zeitweise turbulent. Das in Karlstadt lebende Opfer der Entführung scheut offenbar die erneute Begegnung mit seinen Kidnappern: Es leide laut Gericht als Folge der Entführung unter posttraumatischen Belastungsstörungen. Seine für Freitag geplante Vernehmung wurde zunächst zurückgestellt.
Dann gingen die Verteidiger der drei angeklagten Georgier in die Offensive. Sie forderten zunächst eine psychiatrische Begutachtung des Opfers, um seine Glaubwürdigkeit einschätzen zu können. Eine schwere posttraumatische Belastungsstörung könne dazu führen, dass man Einbildung und Erlebtes nicht mehr unterscheiden könne. Ein Anwalt schilderte etwa 20 Minuten lang alle denkbaren Folgen. Danach mühte sich die Dolmetscherin rund eine Stunde, das für die Angeklagten ins Georgische zu übersetzen.
Bedenken gegen die erste Zeugin
Der Vorsitzende Reinhold Emmert wollte eine Polizeibeamtin als erste Zeugin aufrufen, die federführend gegen die Angeklagten ermittelt hatte. Wieder gab es heftigen Protest. Lang und breit erklärten die Verteidiger, warum das aus ihrer Sicht eine "unparteiische Wahrheitsfindung erschwere" und erst andere Zeugen gehört werden müssten. Auch das brauchte wieder über eine Stunde, ehe es übersetzt war.
Selbst die rechtsmedizinische Gutachterin attackierten die Anwälte, als sie (bisher nicht in der Akte befindliche) Bilder ergänzend zu ihren Aussagen zu Verletzungen des Entführten präsentierte. Die Anwälte rügten die Prozessführung. Der Vorsitzende hielt dagegen. Man fiel sich gegenseitig ins Wort. Eine Verteidigerin sprang auf, riss sich melodramatisch die Robe vom Körper und rief: "Ich glaube, ich spinne." Sie drohte, den Saal zu verlassen, forderte eine Unterbrechung, um einen Antrag schriftlich zu formulieren, der dann doch nicht kam.
Zeuge erkannte einen Angeklagten unter erschwerten Bedingungen wieder
Schließlich beruhigte der Vorsitzende Reinhold Emmert die Situation. Immerhin brachte ein Zeuge aus Karlstadt den Prozess etwas voran. Er hatte bei der Entführung in Karlstadt zwei Fremde am Tatort gesehen – und später einen der Festgenommenen bei der Polizei wiedererkannt: "Der schaute ein bisschen komisch, wie mein Hund", erklärte er. Das Gericht testete seine Erinnerung und setzte zwei der Angeklagten unauffällig unter die Zuschauer. Dennoch erkannte ihn der Zeuge auch jetzt mit ziemlicher Sicherheit wieder.
Einstweilen bleiben dem Gericht zur Beurteilung die von den Ermittlern zusammengetragenen Schilderungen des Opfers, die in der Anklage stehen. Die erwecken den Eindruck einer relativ amateurhaften Entführung, die immer mehr aus dem Ruder lief, weil tagelange Drohungen auf verschiedenen Kanälen und Foltern des Opfers nicht zu Lösegeld-Zahlungen führten.
Erst Folter, dann Umarmung und Entschuldigung
Laut Anklage entschlossen sich die Entführer nach fünf Tagen, ihr Opfer – entgegen telefonischer Anweisung - nicht zu töten, sondern freizulassen. Am Ende übergab laut Anklage einer "dem Geschädigten noch 25 Euro Bargeld für ein Taxi, umarmte ihn und sagte zu dem Geschädigten, dass dieser ihm nicht böse sein solle, da dies ihre Arbeit sei und sie so ihr Geld verdienen würden."
Der Prozess wird am 17. Oktober fortgesetzt.