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Würzburg
Prozess nach Mordversuch in Ochsenfurt: War der Angeklagte bei seiner brutalen Tat wirklich schuldunfähig?
Er brach bei seinen Verwandten ein und verletzte sie schwer. Ist er psychisch krank? Ein Gutachten könnte Klarheit bringen. Doch der Angeklagte verweigert Gespräche.
Angeklagt wegen versuchten Mordes: Vor dem Landgericht Würzburg steht ein Mann, der in Ochsenfurt in das Haus seiner Verwandten eingebrochen ist und mit einem Brecheisen brutal auf seinen Onkel und seine Tante eingeschlagen hat.
Foto: Thomas Obermeier | Angeklagt wegen versuchten Mordes: Vor dem Landgericht Würzburg steht ein Mann, der in Ochsenfurt in das Haus seiner Verwandten eingebrochen ist und mit einem Brecheisen brutal auf seinen Onkel und seine Tante ...
Franz Barthel
 und  Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:04 Uhr

Der Irokesenschnitt wirkt wie ein Fremdkörper auf dem glatten Kopf des durchtrainierten 39-jährigen Angeklagten mit dem gewinnenden Lächeln. Die Frisur habe er sich in der U-Haft zugelegt, um im Gefängnis respektiert zu werden, sagt er vor dem Landgericht Würzburg. Er lächelt sanft, wenn er etwas gefragt wird. Der Mann ist wegen versuchten Mordes angeklagt. Ein Gutachten soll klären, ob er bei seinem brutalen Überfall auf seine Verwandten in Ochsenfurt (Lkr. Würzburg) schuldfähig war.

Wenn man ihn so freundlich lächelnd vor Gericht sieht, kann man ihn sich nur schwer aggressiv vorstellen. Doch laut Anklage brach er ins Haus seiner Verwandten ein und schlug auf seinen Onkel und seine Tante brutal mit einem Brecheisen ein, als die ihn erwischten. Zwei Wochen zuvor soll er seine Steuerberaterin eingesperrt, geprügelt und getreten haben. Sie wurde so schwer verletzt, dass sie fast an einer Verletzung gestorben wäre.

Er pflegte seinen Vater bis zu dessen Tod - danach wurde er immer eigenartiger

In der U-Haft hat er sich nicht nur seine markante Frisur zugelegt, dort kam er auch auf die Idee, zu erzählen, dass der überraschende Tod seines Vaters ihn so aus der Bahn geworfen habe, dass er ungehemmt trank und kokste. Man käme so leichter in Therapie statt in die Zelle, hätten andere "Knackis" erzählt. Das hatte er vor seinem Prozess ausgesagt. Doch vor Gericht widerruft er diese Version. Nun sagt er, er habe seit Jahren keinen Tropfen mehr getrunken – und nie auch nur an einem Joint gezogen.

Zeugen berichten, dass er den Vater über Monate hinweg bis zu seinem Tod liebevoll gepflegt habe. Das sei die Zäsur in seinem Leben gewesen: Er habe sich zurückgezogen, habe Angst vor Einbrechern gehabt, sei immer eigenartiger geworden. Der Kreis derer, die er des Betruges an seinem Erbe verdächtigte, sei immer größer geworden: erst Schwester, Onkel und Tante, dann Notar, Grundbuchamt, Bankmitarbeiter und zuletzt auch die Steuerberaterin.

Er soll bei seinem Einbruch Beweise für einen Betrug an seinem Erbe gesucht haben

Als er mit einem Stemmeisen in das Haus von Onkel und Tante drang, soll er Beweise für den Betrug gesucht haben. Der vor Gericht abgespielte Notruf, den der 83-jährige Onkel morgens um 4 Uhr absetzte, geht unter die Haut: "Schnell, schnell", hört man den alten Mann ins Telefon rufen. "Der will uns erschlagen, mit einem Vorschlaghammer, schnell, schnell."

Die Tante ist im Zeugenstand ratlos. Sie hatte den Täter trotz Maske erkannt und fragte sich, was er bei ihr suchte. Das Ehepaar hatte weder Bargeld noch Schmuck im Haus. Die Erbschaft könnte keine Rolle gespielt haben, sagt die 77-Jährige. Sie habe sogar auf einen Pflichtteil verzichtet. Sie leidet bis heute an den Folgen der Schläge, die laut einer Ärztin potenziell lebensgefährlich waren.

Der Angeklagter verweigert jedes Gespräch mit dem psychiatrischen Gutachter

Ihr Neffe auf der Anklagebank sagt: "Ich habe ziemlichen Schwachsinn gemacht". Er wisse nicht mehr, welche Gedanken ihn damals geritten hätten. Jetzt wirkt er wieder normal. Aber er bleibt wortkarg, als konkret ein Geständnis erwartet wird - und verweigert eisern jedes klärende Gespräch über seine Gedankenwelt mit dem psychiatrischen Gutachter.

Das Gericht steht vor einem Dilemma: Handelte der Mann im kurzfristigen Wahn? Ist er dauerhaft so krank, dass man andere schützen muss? Oder ist das nur Tarnung und er gehört ins Gefängnis? Der Sachverständige Hans-Peter Volz ist auf Vermutungen angewiesen, muss sich auf die Akten und das vor Gericht Gehörte beschränken, statt auf die intensive Untersuchung des 39-Jährigen, die mehr Klarheit brächte. Am Ende hält er eine paranoide Schizophrenie für denkbar: "Wenn er wieder psychotisch wird, wird er wahrscheinlich wieder gefährlich."

Vergeblich appelliert der Vorsitzende Richter Thomas Schuster noch einmal, sich den Fragen des Psychiaters aus Werneck zu stellen. Die Verteidiger Jan Paulsen und Norman Jacob wehren ab: Ihr Mandant wolle nur an therapeutischen Angeboten in der Klinik in Lohr teilnehmen, wo er derzeit untergebracht sei. Der Richter bewertet das als "Versuch, den Sachverständigen gegen einen genehmeren auszutauschen". Brüsk beendet er die Beweisaufnahme.

Am Freitag soll es mit den Plädoyers weitergehen.

 
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