Zu den wahnhaften Vorstellungen eines 39 Jahre alten Autohändlers gehört, so sieht es die Staatsanwaltschaft, dass er nach dem Tod seines Vaters durch Verwandte, aber auch durch seine Steuerberaterin beim Erben ausgetrickst worden sei und deswegen leer ausging. Weil er sich dafür rächen wollte, steht der nicht vorbestrafte Mann seit Montag vor dem Schwurgericht in Würzburg.
Es geht um versuchten schweren Raub, versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung und Nötigung, aber auch um Schuldunfähigkeit und eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Der Angeklagte will zum spektakulären Einbruch ins Haus von Onkel und Tante im Ochsenfurter Stadtteil Hohestadt nichts sagen, für den ebenso spektakulären Auftritt im Büro seiner Steuerberaterin in Kitzingen lässt er seinen Verteidiger ein Geständnis mit Entschuldigung vortragen. An seiner Begutachtung vor Prozessbeginn durch einen Sachverständigen hat er nicht mitgewirkt.
Einbruch ins Haus nachts um vier Uhr
Maskiert und mit einem Stemmeisen ausgerüstet war der Beschuldigte am 27. September 2021 früh gegen vier Uhr in Ochsenfurt überfallartig ins Haus von Onkel und Tante eingedrungen: Nachdem mehrere Versuche fehlgeschlagen waren, verschaffte sich der Mann über den verglasten Wintergarten Zugang zum Wohnzimmerfenster – und bemühte sich gleich gar nicht um eine Lärmvermeidung. Der 83 Jahre alte Onkel, zu der Zeit bereits über den Notruf in Kontakt mit der Polizei, sagte, das habe sich angehört, "als würden Mülltonnen übers Pflaster gerollt".
Bei der Begegnung im Hausflur hat der 83-Jährige seinen Neffen nicht erkannt. Als der mit dem Stemmeisen ausholte und Richtung Kopf des Seniors zielte, hat dieser den linken Arm hochgerissen und den Kopf geschützt, beim Schlag des Angreifers aber eine Unterarmfraktur erlitten. Das Opfer stürzte nach hinten in eine offenstehende Abstellkammer, hat mit den Füßen die Türe zugetreten und erst mal abgewartet, da die Polizei bereits verständigt war.
Die 77-jährige Tante erlitt schwerste Verletzungen
Als draußen Stille herrschte, verließ der 83-Jährige den Abstellraum und sah im Flur seine schwerverletzte Frau in einer Blutlache liegen. Sie erlitt unter anderem eine Rippenserienfraktur, Oberarm-, Schulterblatt- Brustwirbelfraktur und beidseitige Oberschenkelfrakturen. "Ich bin glücklich, dass ich noch lebe", sagte die 77-jährige Zeugin vor Gericht. Stolz darauf ist sie, dass sie, vor dem Überfall eine bekannte und erfolgreiche Seniorensportlerin, sich langsam wieder wenigstens "ein bisschen" sportlich betätigen kann.
Der Beschuldigte hatte sich für die Fahrt nach Ochsenfurt von einem Bekannten ein Fahrzeug geliehen, mit dem er dann auf der Flucht bei Tückelhausen im Straßengraben landete. Auf der Strecke Richtung Gaukönigshofen war er Stunden später als Fußgänger an einer Bushaltestelle erkannt und festgenommen worden: Im Fahrzeug fand man einen Baseballschläger, Tarnkleidung und ein Brecheisen mit Blutspuren.
Schwerverletzt musste die Steuerberaterin bis Mitternacht arbeiten
Schlimme Stunden hatte wenige Wochen vorher eine Steuerberaterin in ihrem Büro in Kitzingen erlebt. Dass er da ausgerastet sei, wie es in der Anklage steht, stimme. Es tue ihm leid, so einer der Verteidiger des Angeklagten. Er unterstellte ihr, dass sie im Zusammenhang mit der ihm zustehenden Erbschaft nach dem Tod seines Vaters an einer "Verschwörung" gegen ihn beteiligt gewesen sei. Als ihm Gold und 15.000 Euro aus einem Bankschließfach entwendet wurden, sei sie auch "dabei gewesen".
Ohne Vorwarnung, so die Staatsanwaltschaft, habe der Beschuldigte dann einen Bürotisch gegen die Frau gestoßen, die dabei Rippenbrüche erlitt und zu Boden stürzte. Dann habe er sie mehrfach getreten, ihr mit der Faust ins Gesicht geschlagen und die erheblich Verletzte über vier Stunden gezwungen, für ihn die Steuererklärungen für 2018, 2019 und 2020 am Stück fertigzustellen. Gegen Mitternacht verließ er die Kanzlei, die Steuerberaterin musste aufgrund ihrer Verletzungen zehn Tage lang stationär behandelt werden.
Für die Verhandlung sind weitere vier Termine angesetzt, der nächste ist am 8. August.