Karsamstag, 12.45 Uhr: Die Kassenschlange in der Ochsenfurter Norma-Filiale ist lang. Auf dem Parkplatz des Discounters und dem angrenzenden öffentlichen Parkplatz herrscht reges Kommen und Gehen. Die letzten Oster-Einkäufe werden erledigt, die Stimmung ist friedlich.
Eine Viertelstunde später ändert sich das. Zwei Männer und eine Frau bauen einen blauen Sonnenschirm, Stehtische und Lautsprecher auf. Sie sind Mitglieder der AfD, haben auf dem öffentlichen Parkplatz einen Wahlkampfstand angemeldet. Gleichzeitig macht sich direkt daneben ein gutes Dutzend ältere Damen bereit. Sie tragen Filzhut und Sonntagsmantel – und streifen sich weiße Warnwesten über. Energisch halten sie Schilder in die Höhe. "Omas gegen Rechts" steht darauf und "Alle Menschen sind Ausländer. Wir kommen alle aus Ländern."
Ein junger Mann, der sich den "Omas" angeschlossen hat, hat eine tragbare Musikbox dabei und dreht voll auf. Die Reden der AfD-Mitglieder, mit denen die Norma-Kunden auf dem Weg zu ihren Autos beschallt werden sollen, sind nicht mehr zu hören. Immer mehr Menschen kommen aus dem Supermarkt oder über die Alte Mainbrücke gelaufen und gesellen sich zu den "Omas". Autofahrer, die vom Parkplatz fahren, strecken den Daumen nach oben.
Binnen kürzester Zeit haben die "Omas gegen Rechts" und ihre Sympathisanten den Wahlkampfstand beinahe umzingelt. Viel ist nicht mehr von den Aufstellern zu sehen. Bei der Polizeistreife vor Ort melden die Frauen spontan eine Kundgebung an, als Verantwortliche meldet sich Barbara Clobes aus Tückelhausen. Sie ist eine echte Oma und auch für ihre Enkel hier: "Ich möchte nicht, dass meine Enkel mich später fragen: Warum hast du nichts unternommen, als es anfing? Genau das habe ich meinem Vater immer vorgeworfen."
Ein paar Meter weiter, direkt neben dem Supermarkt-Gebäude, steht Michael Stinzing und ist stinksauer: "Das ist eine Unverschämtheit", sagt er und nickt rüber zum AfD-Stand. Stinzing ist normalerweise Norma-Bereichsleiter, am Karsamstag muss er spontan mit ein paar Kollegen den Sicherheitsdienst geben.
Erst am Tag zuvor habe er auf Facebook entdeckt, dass der AfD Kreisverband Würzburg die Veranstaltung ankündigte – mit dem Slogan "Wahlkampfveranstaltung auf dem Norma-Parkplatz – einkaufen und informieren". Für ihn ein Schock: "Das ist gar nicht der Norma-Parkplatz, das ist der öffentliche Parkplatz neben dem Norma-Parkplatz." Eine Handhabe, was dort stattfindet, habe die Supermarkt-Kette nicht. Gemein machen mit der AfD wolle sie sich auf keinen Fall, sag Stinzing: "Wir stellen unseren Parkplatz keiner politischen Institution zur Verfügung."
Schon einmal war eine AfD-Veranstaltung neben dem Supermarkt geplant
Auch seitens der Polizei heißt es dazu auf Nachfrage dieser Redaktion: "Die Versammlungsfläche der AfD ist nicht Teil des Norma-Parkplatzes. Auch in dem Bescheid des Landratsamts Würzburg wird als Versammlungsfläche nicht der Begriff 'Norma-Parkplatz', sondern die Begrifflichkeit 'auf dem Parkplatz neben Supermarkt/Norma' verwendet, welche öffentliche Verkehrsfläche der Stadt Ochsenfurt ist."
Anfang März hatte die AfD schon einmal angekündigt, auf dem öffentlichen Parkplatz neben dem Supermarkt einen Wahlstand aufzubauen. Norma-Bereichsleiter Michael Stinzing hatte daraufhin eine Sicherheitsfirma engagiert. "Ich wollte verhindern, dass Infomaterial der Partei an unsere Kunden ausgeteilt wird oder die Menschen gar beim Einkaufen angesprochen werden." Die Veranstaltung sei dann aber kurzfristig abgesagt worden.
Norma-Mitarbeiter im Gespräch mit Kunden
Jetzt, am Karsamstag, muss er selbst ran: "Auf die Schnelle hab ich keinen Sicherheitsdienst auftreiben können." Die Fahne mit dem Supermarkt-Logo, die normalerweise am Parkplatz hängt, hat er eigenhändig abmontiert. Jetzt steht er entschlossen mit einer Handvoll Kollegen vor der Filiale, spricht mit Kunden und macht keinen Hehl aus seinem Unmut über die rechte Partei.
Und die AfD? Der Stand findet kaum Beachtung hinter den "Omas gegen Rechts". Einkaufen und informieren – das Konzept geht an diesem Tag nicht auf. Silvio Kante schaut im AfD-blauen Poloshirt säuerlich in die Runde. Die "Omas" würden ihn nicht stören, bringt er knapp hervor. Ob er sich von der Veranstaltung Wählerstimmen für seine Partei erhofft? "Das kann ich erst hinterher sagen."
14 Uhr: Es ist wieder Ruhe eingekehrt, das samstägliche Treiben nimmt seinen Lauf. Die AfD ist weitergezogen, sie hat an diesem Tag auch in Eibelstadt und Randersacker einen Infostand angemeldet.
Vielen Dank, dass ihr Gesicht zeigt, präsent seid, uns den Spiegel vor haltet, dass auch wir aus unserer Komfortzone kommen können und sollen!
Wann, wenn nicht endlich jetzt, steht endlich die breite Masse auf ... jetzt, wo uns sogar ein paar Omis die lange Nase zeigen (sinnbildlich), weil wir zu bequem geworden sind ...
Dass die MAIN POST über diese ,,Mücke" berichtet, finde ich äußerst wichtig und richtig. Denn wenn diese blau-braunen Herren (einschließlich vereinzelter Damen) an die Macht kämen, dann ginge Deutschland wirklich den Bach runter.
Übrigens: Wer AfD wählt, muss eventuell mit erheblichen Renteneinbußen rechnen:
https://www.dgb.de/themen/++co++60b8391a-25d0-11e7-8bd1-525400e5a74a