Trotz aller Probleme will das Landgericht Würzburg sicherstellen, dass der Prozess gegen Bruno G. wegen versuchten Mordes fortgesetzt werden kann. Der Angeklagte ist laut einem Facharzt offenbar auf einem Ohr taub und auf dem anderen schwerhörig. Er kann dem Prozess kaum folgen und keine Fragen beantworten, wenn man sie ihm nicht ins Ohr schreit. Bruno G. wird vorgeworfen, im Juni 2018 bei einem Feuerwehrfest einem Mann in den Rücken geschossen zu haben.
Ärztliche Untersuchung nur oberflächlich
Seit drei Verhandlungstagen ist fraglich, ob der Prozess überhaupt in die Beweisaufnahme eintreten kann. Verteidiger Hanjo Schrepfer hatte schon Monate vor dem Prozess angeregt, Bruno G. während der Untersuchungshaft einem Ohrenarzt vorzustellen. Das passierte auch - auf dem Papier. Doch am Montag zeigte dessen Aussage vor Gericht: Der Arzt wurde nicht eigens zu diesem Patienten einbestellt. Er war turnusgemäß zur Visite im Gefängnis.
Bruno G. war nur einer von 15 Patienten, die kurz vorgestellt wurden. Der Facharzt habe keine Möglichkeit gehabt, G. und sein Hörgerät mehr als oberflächlich zu untersuchen, machte er im Zeugenstand klar. Ob G. taub sei, ließe sich nur mit richtigen Hörtests außerhalb der JVA feststellen.
Ungewiss ist auch, ob eine Operation Besserung beim Gehör des über 70-Jährigen brächte – wenn er überhaupt dazu bereit wäre. Gewiss ist aber, dass dies das Strafverfahren um Monate verzögern würde.
Premiere vor dem Landgericht: Ein Schriftdolmetscher
Stattdessen erwägt die Kammer um den Vizepräsidenten des Landgerichts Hans Brückner eine ungewöhnliche Lösung: Ein Schriftdolmetscher soll verpflichtet werden, um das vor Gericht Gesagte in einer Art Steno in seinen Laptop tippen. Eine Software wandelt die Eingaben in lesbare Langschrift um und macht die Sprache fast in Echtzeit auf einem Monitor sichtbar.
Dies wäre eine Premiere am Landgericht. Tatsächlich sind nach Angaben des Blindenbundes nur eine Handvoll dieser Experten in Deutschland auf diesem Gebiet tätig. Die Wahl des Gerichts ist auf einen Mann aus dem Raum Augsburg gefallen, der schon mehrfach deutscher Meister bei Wettkämpfen im Schnellschreiben war. "Der von der Kammer hinzugezogene Dolmetscher hat seine Dienste angeboten, nachdem er in der Presse über das laufende Verfahren gelesen hatte", sagt Michael Schaller, Sprecher des Landgerichts, auf Nachfrage.
Beweisaufnahme soll am 10. April beginnen
Klappt das, dann könnte sich das Gericht am 10. April endlich der Beweisaufnahme zuwenden: Wie sich der Schütze beim Feuerwehrfest im Juni 2018 während eines Schlepperwettbewerbs im Schutz der Menge an sein Opfer herangeschlichen haben soll. Wie er mit der Pistole auf den Rücken von Edmund Ö. zielte und abdrückte.
Dann soll der Schütze die Umstehenden mit gezückter Waffe gehindert haben, ihn zu packen, erzählten Zeugen dieser Redaktion. "Für dich habe ich auch noch eine Patrone", habe er drohend einem Festbesucher zugerufen. Dann floh er vom Festplatz.
Zeugen identifizierten den Schützen als Bruno G. aus dem Nachbarort, der mit einem Mitbürger seit Jahren im Streit lag. Er wurde Stunden später auf seinem Hof festgenommen. Eine Pistole, die er legal besaß, ist verschwunden.
Nun hat das Opfer das Wort
Nun rückt Edmund Ö. in den Mittelpunkt des Interesses. Der 55-Jährige kam bei dem Anschlag nur knapp mit dem Leben davon. Er sitzt seitdem im Rollstuhl und ist querschnittgelähmt. Im Prozess geht es nicht nur um die Feststellung von Schuld. Es geht auch um Erstattung der immensen Kosten, die ihm für die Fortsetzung seines Lebens entstanden sind. Gerade im Interesse des Opfers sieht sich das Gericht verpflichtet, den Prozess trotz aller Schwierigkeiten fortzusetzen.
Vorige Woche hatte Edmund Ö. lange in einem Nebenraum gewartet, dass er in den Gerichtssaal gerufen wird. Doch dort ging es um die Hörfähigkeit des Angeklagten. Ö. verließ nach Stunden das Strafjustizzentrum unverrichteter Dinge, kam nur bei einem Reporter zu Wort. "Ich bin unschuldig zum Opfer geworden. Ich will diesen Menschen mein Lebtag nicht mehr sehen", soll er frustriert gesagt haben.
Am 10. April kommt er in den Zeugenstand. Dann soll der Schriftdolmetscher seine Schilderung auch dem fast tauben Angeklagten per Bildschirm übermitteln, Wort für Wort.
Die staatsanwaltschaft hat gepennt. Gerichtsfest im Vorfeld untersuchen wäre es gewesen....
Wir leben immer noch in einem Rechtsstaat. 👍
Das scheint das Gericht aber nicht zu erkennen.
"Ok Google" auf ähnlicher Basis würd's auch gehen.
Es gibt auch einen Gerichtsschreiber. Sein Geschriebenes kann doch genauso genutzt werden. Hauptsache kompliziert.