"Die Lage ist prekär": Schlagzeilen dieser Art kommen seit Wochen bundesweit aus der Gastronomie. Ihr fehlt Personal an allen Ecken und Enden. Auch in Unterfranken wehklagen die Wirtinnen und Wirte. Ihre Reaktion: Vielfach werden Öffnungszeiten reduziert oder es werden keine Nebenzimmer mehr vergeben – wie im Würzburger Hofbräukeller. Der Biergarten wird hier nur noch zu zwei Drittel bewirtschaftet. "Es ist ein großes Problem", heißt es aus der Brauerei-Gaststätte.
Noch deutlicher wird der 73 Jahre alte Wirt einer Dorfgaststätte im Landkreis Main-Spessart: "Wir suchen schon ewig verzweifelt und finden niemanden, die Situation ist beschissen." Der Mann will seinen Namen nicht öffentlich nennen. Er befürchtet, dass er "vielleicht morgen schon schließen muss".
Andere Gastronomen in der Region kämpfen mit offenem Visier und lassen einen Funken Zuversicht erkennen, nachdem die Corona-Krise ihrer Branche schon vehement zugesetzt hatte. Doch um Einschnitte kommen auch sie nicht herum. Vier Gastwirte aus Unterfranken erzählen, welche Folgen der Personalmangel für sie hat:
1. Peer Wolff vom "Hirschen" in Sulzfeld (Lkr. Rhön-Grabfeld): Kleinere Speisekarte und ständige Suche nach Personal
Der "Hirschen" in Sulzfeld (Lkr. Rhön-Grabfeld) ist das, was sein Beiname andeutet: ein typischer Landgasthof. Mitten im Dorf, Biergarten, fränkisches Essen. Doch die regionale Verankerung schützt den Inhaber Peer Wolff nicht vor den allgegenwärtigen Problemen der Gastronomie: Er sucht Personal, und das "ständig", wie er sagt.
Sieben Beschäftigte hat Wolff, "vier bis fünf" weitere könnte er im Servicebereich sofort einstellen. Wenn er sie denn fände: Die Eignungen der Stellensuchenden "hat sich verschlechtert". Wenn es denn überhaupt noch Bewerbungen gibt.
Weil Sulzfeld mit seinen 1700 Einwohnerinnen und Einwohnern auf der Landkarte nun mal nicht der Nabel der Welt ist, kommt bei den Stellensuchenden laut Wolff ein weiteres Thema hinzu: die Mobilität. Der Feierabend wird ohne Auto zur Herausforderung: Ein Bus fährt zu später Stunde längst nicht mehr.
Die Zeiten, in denen eine Dorfwirtschaft jeden Tag geöffnet ist, sind auch im Sulzfelder "Hirschen" längst vorbei. Montag und Dienstag ist zu, ansonsten ab 17 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen ab 11 Uhr empfängt Wolff seine Gäste. Zeiten mit Lücken, die man auch aus anderen Wirtschaften in Franken kennt.
Um mit dem vorhandenen Personal wirtschaftlich arbeiten zu können, hat der Gastwirt bereits Abstriche gemacht. Im Biergarten belege er mitunter nicht alle Plätze, die Speisekarte habe er bei den Hauptgerichten schlanker gemacht. Im Gegenzug "habe ich bei den Preisen angezogen", gibt Wolff zu. Denn die allgemeine Verteuerung der Waren müsse er weitergeben.
Wohin die Gastronomie im Allgemeinen und sein "Hirschen" in ein, zwei oder fünf Jahren steuert, weiß Wolff nicht. "Das ist eine Frage, die nicht zu beantworten ist."
2. Marco Chianese vom "Montemarco" in Kürnach (Lkr. Würzburg): Gäste bringen das Personal sogar schon selbst mit
Es war eher scherzhaft gemeint, als Gastwirt Marco Chianese ("Montemarco") aus Kürnach (Lkr. Würzburg) neulich einer Trauergesellschaft mit dem Hinweis auf Personalmangel absagte, aber anbot: "Es sei denn, Ihr bringt selbst zwei Servicekräfte mit..." Was prompt geschah.
Die Regel ist diese Art von Personal-Rekrutierung noch nicht. Aber generell kämpft auch der 50-Jährige zusammen mit seiner Frau um Mitarbeitende in Küche und Service.
Beide packen selbst mit an, sonst würde es nicht funktionieren. Seit 20 Jahren betreiben sie die italienische Gaststätte an der Höllberghalle, aber so eng wie jetzt war es personell noch nie. Waren früher jeweils sechs Leute in Küche und Bedienung tätig, ist es heute nur noch die Hälfte. Das Nebenzimmer – gefragt für Hochzeitsfeiern, Taufen, Kommunion – hat Chianese geblockt. Er kann nur noch Familienfeier bis 30 Leute annehmen, spätestens um 23 Uhr ist Schluss.
Er hat einen zweiten Ruhetag eingezogen und mittlerweile auch am Wochenende nur noch abends geöffnet. Dazu hat er die Zahl der Tische reduziert, hat sich von früher 100 auf 80 Plätze drinnen und von 85 auf 60 auf der Terrasse verkleinert. Mehr würden die verbliebenen Köche und Kellner nicht mehr schaffen. Das bedeutet weniger Einnahmen, aber auch weniger Ausgaben.
"Es geht nicht anders", sagt der Gastwirt, der sich nach eigenen Worten auf allen Kanälen um Personal bemüht: Arbeitsagentur, ein Arbeitsvermittler im Ausland, soziale Medien, Aushänge im Lokal. "Vor allem für die Küche findest du praktisch niemanden mehr", so seine Erfahrung. Zuletzt hat ein Koch gekündigt – nicht aus Unzufriedenheit, wie der Chef erklärt. "Aber ein Kollege konnte ihm statt fünf Tagen eine Vier-Tage-Woche bieten."
3. Johannes Schwab vom "Augustiner am See" in Birklingen (Lkr. Kitzingen): Wohnungen für das Personal und kleinere Speisekarte
"Allgemein hat sich's verschärft": So stuft Inhaber Johannes Schwab vom Gasthaus "Augustiner am See" im Steigerwald-Ort Birklingen (Lkr. Kitzingen) die Personalsituation in der Gastronomie ein. Sein Ausflugslokal am Dorfweiher steckt da mittendrin: eine 450-Euro-Kraft für Spitzenzeiten sowie eine Restaurant-Fachkraft in Festanstellung sucht Schwab seit mehr als zwei Wochen im Internet und mit Hilfe der Arbeitsagentur.
Schon jetzt arbeitet Schwab der Flexibilität wegen mit Minijobbern: Etwa die Hälfte der 15-köpfigen Belegschaft sei auf 450-Euro-Basis in seinen Diensten.
Da auch Birklingen weit ab auf dem Land liegt, muss das Personal mobil sein. Pluspunkte will Schwab in dieser Hinsicht aber sammeln: Immerhin bis zu drei Mitarbeiterwohnungen könne er im Ort zur Verfügung stellen. Außerdem biete er seit Januar eine Vier-Tage-Woche an, um attraktivere Arbeitsbedingungen zu haben.
Nach der Corona-Durststrecke hat all das dem Gastwirt auch nicht darüber hinweg geholfen, dass der "Augustiner am See" neben Mittwoch und Donnerstag nun auch noch am Dienstag - zumindest vorübergehend - geschlossen bleibt. Wegen Personalmangels, wie Schwab eingesteht.
In den heißen Phasen der Corona-Krise habe er seine Speisekarte deutlich eingeschränkt. Ganz auf Normalniveau sei sie nun immer noch nicht. Gab es einst fünf Suppen, sind es jetzt nur noch vier. Außerdem verzichtet Schwab auf drei Hauptgerichte. Und die Preise? "Im Durchschnitt um einen Euro" sei er bei den Gerichten nach oben gegangen.
4. Michael Hüsam vom "Goldenen Lamm" in Billingshausen (Lkr. Main-Spessart): Ohne Auto geht auf dem Land nichts
Zum Teil seit mehr als zwei Jahren ist Michael Hüsam auf der Suche nach Verstärkung seiner Belegschaft - ohne Erfolg. Derzeit könnte er eine Küchenhilfe, einen Koch-Azubi, eine Servicekraft und zwei bis drei Beschäftigte auf 450-Euro-Basis brauchen.
Der 50 Jahre alte Inhaber des Landgasthofes "Goldenes Lamm" in Billingshausen (Lkr. Main-Spessart) muss wie andere Gasthäuser ihrer Art mit stark schwankendem Zuspruch klarkommen, was den Personaleinsatz heikel macht: "Wir haben die Spitzen am Wochenende." Unter Woche könne es schon mal vorkommen, dass die Wirtsstube leer bleibt.
Bis auf Weiteres muss Hüsam damit klarkommen, dass er, seine 68 Jahre alten Mutter, ein Koch und eine Aushilfskraft zusammen den Laden schmeißen. Eine für ihn viel zu dünne Personaldecke. "Das geht nicht mehr ewig so weiter", blickt der Chef des gut 275 Jahre alten Gasthauses in die Zukunft.
Auf die Lage reagiert hat er bereits: Die Öffnungszeiten "haben sich total verringert". Früher war von Mittwoch bis Sonntag mittags und abends Betrieb, heute nur noch am Sonntag. Von Donnerstag bis Samstag ist das Goldene Lamm in der Regel nur noch abends geöffnet. Abgespeckt hat Hüsam zudem die Speisekarte an Feiertagen. "Manche Sonderwünsche sind halt nicht mehr machbar."
Eigentlich müsste sich der Billingshäuser auf jene Wochen im Jahr freuen, in denen für gewöhnlich Feiern anstehen. Doch das tut er nicht: "Mir graut es vor dem Herbst." Denn dann könnte er in eine bittere Zwickmühle geraten: viele Feiern, aber zu wenig Personal dafür.
Kämpfen muss Hüsam zudem mit der Lage seines Gasthauses: Bei der Agentur für Arbeit sei ihm gesagt worden, dass ein Job auf dem Land schwierig zu vermitteln sei. Ohne Auto gehe da nichts.
Also hilft sich der 50-Jährige kurzerhand selbst: Eine wenig mobile Mitarbeiterin holt er mit seinem Wagen an jedem Arbeitstag zuhause ab und bringt sie nach Feierabend wieder zurück.
die Leute wollen doch heutzutage sowieso nur noch Influencer oder Model werden, um möglichst viel Geld zu "verdienen" ohne viel dafür zu tun und ständig am Smartphone hängen zu können... XD
Spaß beiseite: die wirklich schlecht bezahlten Jobs in Pflege, Gastronomie und Logistik haben mMn ihren Tiefpunkt noch lange nicht erreicht. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Mensch leistungsbereiter ist, wenn er davon mehr hat als vom Nichtstun, wenn er aber merkt, dass er auch für noch so viel Leistung kaum mehr bekommt als würde er gar nichts tun, verkehrt sich das ins Gegenteil. Und ob es die Lösung ist, den Leuten weniger zu gönnen, um zu verhindern, dass sie nichts tun, statt sie besser zu stellen, wenn sie mehr tun, darf man mMn seeehr bezweifeln.
Henry Ford I war sicher kein Kommunist, aber er gönnte seinen Leuten Geld und Freizeit, um sie zum Kauf und zur Nutzung seiner (ihrer) Produkte zu animieren - leben und leben lassen nennt man das...
Es gibt kaum eine Branche, in der so unterirdisch bezahlt wird, aber die Anforderungen so enorm hoch sind.
Viele Beschäftigte in der Gastro haben dank Corona endlich kapiert, dass man anderswo sein Geld leichter verdienen kann, und dann noch sogar deutlich mehr.
Für diese Jobs in der Gastro müssen die Mitarbeiter ständig auf Abruf stehen, und können so einen Job in der Regel auch nur ergänzend zu einem Studium, oder einem anderen Job machen.
Leben kann man davon nicht! Freizeit mit Freunden hat man auch nicht. Und der Verdienst ist oft geringer, als der Hartz IV-Satz. Wer da gearbeitet hat, hat sich oft nur was dazuverdient.
Die Gastro hat sich lange Zeit eine goldene Nase auf dem Rücken der Servicekräfte verdient.
Corona hat das jetzt nun mal auf den Kopf gestellt.
Wenn man nur die Hand aufheben muß, ist doch viel leichter nichts zu tun.
Die Werte gehen irgendwann verloren.
Arbeit ist ein Fremdwort.
Es geht schon im Elternhaus (Familie) verloren.
Die Ampel hat angefangen den ukrainischen Flüchtlingen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu vereinfachen.
Natürlich bleibt auch das Problem der Sprache. Nicht jeder Gast möchte in Englisch bestellen oder jeder fränkischer Koch oder Besitzer kann sein Anweisungen in Englisch machen.
Aber wie man an der Arbeitslosenquote (5,9% - - > 4,9%) sieht, das wird schon...
Das ist nur Stimmung machen und hat nichts mit der Realität zu tun.
Haben Sie vergessen wer Hartz IV eingeführt hat? SPD
Was hat die Union dann die nächsten 16 Jahre gemacht? Nix
Wer hat zuletzt die Arbeitslosenquote reduziert? Ampel (5,9% auf 4,9%)
Wer tut mit dem Mindestlohn was für Arbeitnehmer und verhindert Altersarmut? Ampel (Union stimmt mit AfD NICHT dafür)