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WÜRZBURG
Patientenverfügung: Am Ende soll der eigene Wille zählen
Für den Tod alles geregelt - Was bei der Vorsorge zu bedenken ist       -  Mit einer Patientenverfügung werden den Angehörigen viele Entscheidungen erleichtert.
Foto: Franziska Gabbert, dpa | Mit einer Patientenverfügung werden den Angehörigen viele Entscheidungen erleichtert.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:44 Uhr

Für viele Menschen ist es eine erschreckende Vorstellung: Sie können sich nach einem Unfall oder einer schweren Krankheit nicht mehr selbst äußern, haben keine Chance mehr, den eigenen Willen mitzuteilen. Was sollen Ärzte und Angehörige dann tun? Eine Patientenverfügung regelt genau das. Und sie könnte auch in jungen Jahren schon sinnvoll sein, sagt Ulrich Rothenbucher, Fachanwalt für Medizinrecht in Würzburg. Allerdings gibt es dabei einiges zu beachten. Im Gespräch erklärt der Experte, warum vage Formulierungen fatal sind und weshalb es in Familien immer wieder zu Konflikten um Verfügungen kommt.

Haben Sie eine Patientenverfügung unterzeichnet?

Ich habe eine, die ist aber in ständigem Wandel. Man kreuzt sie nicht einfach wie eine Steuererklärung oder einen Lottoschein an. Zudem passiert es häufig, dass man in Situationen gerät, in denen man einzelne Festlegungen wieder in Frage stellt. Wichtig ist, dass die Verfasser den Inhalt der Patientenverfügung gut verstehen. Darum sollte man sich von einem Arzt beraten lassen.

Verfällt eine Verfügung irgendwann?

Eine Patientenverfügung gilt so lange, bis sie widerrufen ist. Da eine Verfügung aber an den Arzt und die anderen Beteiligten adressiert ist, hat sie eine höhere Glaubwürdigkeit, wenn sie aktualisiert ist. Dadurch wird deutlich, dass der Patient das nicht nur vor fünf oder sechs Jahren so sah, sondern auch jetzt noch diesen Willen hat. Aus der rechtlichen Perspektive gibt es aber kein Verfallsdatum.

Kann jeder, egal welchen Alters und Gesundheitszustandes, eine Patientenverfügung oder ähnliche Dokumente verfassen?

Nein. Zunächst einmal muss man volljährig sein. Und man muss einwilligungsfähig sein, also in der Lage, medizinische Entscheidungen über die Behandlung und Untersuchung treffen zu können. Das setzt natürlich eine gewisse intellektuelle Fähigkeit voraus, die vielleicht bei Demenzerkrankten, je nach Stadium der Erkrankung, in Frage zu stellen ist.

Und wann sollte man eine Patientenverfügung verfassen?

Eine Altersgrenze, ab der es sinnvoll ist, gibt es nicht. Häufig gibt es Initialerlebnisse. So könnte es auch schon in jungen Jahren sinnvoll sein, eine Patientenverfügung zu verfassen, zum Beispiel für Verkehrsunfälle. Es gibt Leute, die wollen auf keinen Fall länger im Koma liegen. Dann kann die Verfügung den Willen des Patienten für genau diesen Fall durchsetzen.

Ist eine Verfügung immer bindend, sprich müssen sich Ärzte immer daran halten?

Wenn sie entsprechend formuliert ist, ja. Eine Patientenverfügung muss für ganz bestimmte Behandlungssituationen ganz bestimmte Anweisungen und Verfügungen enthalten. Sie sollte immer in einem Wenn-dann-Schema formuliert sein. Wenn ich einmal in diesen oder jenen Zustand komme, dann sollte dieses oder jenes geschehen oder unterbleiben. Das Standardbeispiel für eine unwirksame Patientenverfügung ist: Wenn ich einmal an Schläuchen hänge, möchte ich keine lebenserhaltenden Maßnahmen. Das ist auf beiden Seiten zu unkonkret.

Wenn man allerdings nicht an einer bestimmten Krankheit leidet und folglich nicht weiß, was einen vielleicht trifft, wie soll man dann formulieren?

Die Rechtsprechung verlangt nicht, dass Sie Ihre eigene Krankheitsbiografie vorweg nehmen. Der Patient soll aber umschreibend festlegen, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Dabei helfen entsprechend vorformulierte Passagen. Es gibt zum Beispiel eine Broschüre des Bayerischen Justizministeriums, die beinhaltet nicht nur Informationen sondern auch Vordrucke für Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen.

Wo werden Patientenverfügungen hinterlegt?

Der Hausarzt sollte idealerweise eine Kopie erhalten. Und der Aussteller der Verfügung kann sie bei sich behalten. Die Patientenverfügung ist aber nur ein Instrument zur Vorsorgeplanung. Das andere ist die Vorsorgevollmacht. Ein Vorsorgebevollmächtigter hat die Aufgabe, den Inhalt der Verfügung umzusetzen und daher sollte er natürlich Kenntnis von der Patientenverfügung haben. Ziel ist es generell, dass die Behandler und der Vertreter möglichst rasch Zugriff darauf haben.

Was halten Sie von Ideen wie Notfalldosen im Kühlschrank, in denen wichtige medizinische Dokumente wie eben eine Patientenverfügung für Notfallhelfer hinterlegt sind?

Wir haben in der Palliativakademie vom Juliusspital ein kleines Pappkärtchen im Scheckkartenformat, auf das man seinen Namen draufschreibt, den Namen und die Telefonnummer des Vorsorgebevollmächtigten und den Hinweis, dass es eine Patientenverfügung gibt und wo diese aufbewahrt wird. Das halte ich für den praktikableren Weg. Denn der Notfallmediziner sieht weniger im Kühlschrank nach, als in der Brieftasche des Unfallopfers.

Was ist mit Ersthelfern an einem Unfallort, die eine eventuell vorliegende Patientenverfügung gar nicht kennen und ein Opfer reanimieren? Sind diese Helfer rechtlich angreifbar?

Nein, sie sind natürlich nicht angreifbar. Denn sie unterstellen zunächst einmal den üblichen Willen, dass ein Unfallopfer behandelt werden möchte.

Sie haben es bereits angesprochen: Neben Patientenverfügungen gibt es noch die Vorsorgevollmacht. Gehen beide immer Hand in Hand?

Man kann beide Dokumente jeweils isoliert errichten. Die beste Art der Vorsorgeplanung hat man aber, wenn man beide kombiniert.

Wer kann eine Vorsorgevollmacht ausüben? Gibt es dafür Kriterien?

Das kann jeder sein, von dem der Vollmachtgeber glaubt, dass er seine Interessen gut vertreten kann. Wichtig ist, dass in der Bundesrepublik Ehegatten beispielsweise nicht automatisch Vertretungsmacht in gesundheitlichen Fragen füreinander haben.

Müssen Angehörige über eine Patientenverfügung informiert werden?

Man muss die Angehörigen nicht informieren. Aber es ist sehr, sehr dringend zu empfehlen. Die Angehörigen sind diejenigen, die bei schweren Erkrankungen von den Ärzten als Informationsquelle zum Patientenwillen befragt werden. Wenn sie dann das erste Mal von der Patientenverfügung erfahren, kann es sein, dass es Konflikte gibt. Häufig ist die Anwendung einer Patientenverfügung mit dem Sterben verknüpft– das heißt, es ist das Letzte, was man mit diesem Menschen erlebt. Wenn man da gut informiert ist, kann man – selbst wenn man persönlich vielleicht andere Maßnahmen befürworten würde – mit dem Gang der Behandlung viel eher seinen Frieden machen, als wenn man das erste Mal von der Verfügung hört und der Patient nicht mehr ansprechbar ist.

Zur Person

Ulrich Rothenbucher studierte Rechtswissenschaft in Würzburg. Der Fachanwalt für Medizinrecht und Familienrecht unterrichtet unter anderem an der Berufsfachschule für Altenpflege der Stiftung Juliusspital und der Berufsfachschule für Krankenpflege des Klinikums Würzburg Mitte. Zusammen mit Dr. Heribert Joha, Oberarzt am Juliusspital, referiert er an diesem Samstag beim Bayerischen Hausärztetag in Würzburg zum Thema „Patientenverfügung & Vorsorgevollmacht“. sp
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Foto: Sebastian Kahnert, dpa | Für viele Menschen ist die Vorstellung, sich nach einem Unfall oder einer schweren Krankheit nicht mehr selbst äußern zu können, erschreckend. Eine Patientenverfügung sorgt für solche Fälle vor.
 
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