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Eibelstadt
Ortstermin im Wald: Was tun gegen den Schwammspinnerbefall?
Die Stadt Eibelstadt als Waldbesitzer muss urteilen: Soll der Schwammspinner mit dem Insektizid Mimic bekämpft werden? Die Entscheidung ist nun im Wald gefallen.
Schwammspinner-Gelege mit frisch geschlüpften Ei-Räupchen an einer Buche im Eibelstadter Neuer Bergswald. Daneben Larvenhäute aus dem letzten Jahr.
Foto: Antje Roscoe | Schwammspinner-Gelege mit frisch geschlüpften Ei-Räupchen an einer Buche im Eibelstadter Neuer Bergswald. Daneben Larvenhäute aus dem letzten Jahr.
Antje Roscoe
 |  aktualisiert: 07.05.2020 02:10 Uhr

Zweimal hatte der Stadtrat bereits in Sachen Schwammspinner beraten, nun lud Bürgermeister Markus Schenk zum Ortstermin in den Wald. Mit dabei waren auch zwei Fachleute: Revierförster Wolfgang Schölch und Antje Julke, Abteilungsleiterin im Bereich Forsten im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Würzburg (AELF).

Und die Teilnehmer mussten nicht lange suchen. Die massive Ausbreitung des Schwammspinners im Bereich Neuer Bergswald ist an den Gelegen und den frisch geschlüpften Raupen überall sichtbar – vor allem an Buchen und Kiefern, was außergewöhnlich ist. Denn eigentlich bevorzugen Schwammspinner Eichenmischwälder.

Bestand massiv durch Kahlfraß gefährdet

Schölch hat die Besatzdichte der Gelege und Vitalitätsfaktoren der Bäume aufgenommen. Der Gefährdungsfaktor im Neuen Bergswald liegt zwischen sieben und acht. Kahlfraß ist bereits beim Gefährdungsfaktor eins zu erwarten. Etwa fünf Prozent des Waldes in Stadt und Landkreis Würzburg sind laut AELF durch bestandsbedrohenden Kahlfraß gefährdet.

Der Eibelstadter Stadtrat machte sich vor Ort ein Bild über den Schwammspinnerbefall.
Foto: Antje Roscoe | Der Eibelstadter Stadtrat machte sich vor Ort ein Bild über den Schwammspinnerbefall.

Wie Kahlfraß aussieht, konnte man im vergangenen Jahr großflächig in Theilheim und Eibelstadt betrachten. Die besondere Problematik: es kommt die anhaltende Trockenheit über zwei Jahre hinzu. Die Bäume stehen bereits unter Stress, was teilweise am Schwarzen Schleimfluss abzulesen ist. Die Waldexperten befürchten, dass nicht alle Bäume dies überleben und ein schleichendes Waldsterben einsetzt. Starker Frost hätte noch gegen die Massenvermehrung der Schmetterlinge helfen können, ist aber nicht mehr zu erwarten, so Julke.

Wie wirkt das Insektizid?

Schölch und Julke informierten die Räte umfassend zur Situation, laufenden Studien der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) sowie zur Wirkung des Insektizids Mimic, das bei den Schmetterlingsraupen zur vorzeitigen Häutung führt und sie verenden lässt.

Die Stadtratsmitglieder diskutierten verschiedene Lösungsansätze wie das beispielsweise das Abkratzen der Gelege. Diese Option erweist sich in Anbetracht der Höhe der Bäume und der Masse an Gelegen, hauptsächlich in den Ästen, jedoch als schwer durchführbar.

"Gefressen wird immer, aber nicht in dem Ausmaß."
Antje Julke, Abteilungsleiterin im Bereich Forsten im AELF

Edmund Haas erkundigte sich nach den natürlichen Feinden. Diese seien leider im biologischen Rhythmus hinter den Schwammspinnern und könnten deshalb die Populationen nicht eindämmen, so der Revierförster. Wenn ein Stadtrat dennoch den Käfer Großer Puppenräuber, den natürlichen Feind des Schwammspinners, im Bergswald entdecken sollte, dem versprach Schölch eine Belohnung: einen Rehbraten für vier Personen.

Der Schwammspinner gehört zur Lebensgemeinschaft Wald

Beim Ortstermin wurde auch klargestellt, dass der Schwammspinner zur Lebensgemeinschaft Wald gehört und immer da ist. "Gefressen wird immer, aber nicht in dem Ausmaß", sagte Julke. Auch die klimatischen Bedingungen laufen in die entgegengesetzte Richtung. Das bedeutet im dritten Jahr Wassermangel plus Kahlfraß große Not für die Bäume und die damit verbundene Sorge, dass sie es nicht aushalten.

In Theilheim, wie auf Nachfrage im Rathaus zu erfahren war, habe der Gemeinderat schon vor Wochen einem Insektizid-Einsatz zugestimmt. Dort hatten die Waldbesitzer sich beim Kahlfraß im vergangenen Jahr bei der Gemeinde beschwert, dass dringend etwas getan werden müsse, um den Wald zu erhalten.

Stadtrat Manfred Schätzlein probiert das Abkratzen der Schwammspinner-Gelege an einer Kiefer im Eibelstadter Neuer Bergswald.
Foto: Antje Roscoe | Stadtrat Manfred Schätzlein probiert das Abkratzen der Schwammspinner-Gelege an einer Kiefer im Eibelstadter Neuer Bergswald.

Garantie gebe es jedoch keine, dass der Wald mit Insektizid-Einsatz überlebt, sagte Julke. Es wäre jedoch eine zusätzliche Sicherung für den Bestand, da die Massenvermehrung des Schwammspinners reduziert werden würde. Und dies geschähe auf Teilflächen, nicht im Flow-Trail-Bereich und nicht an den artenreichen Waldrändern oder Schutzgebieten, damit die Tierwelt von dort wieder einwandern könnte.

Der Natur ihren Lauf lassen?

"Was ist, wenn wir ihn kaputt gehen lassen?", lotete Martin Geißler aus. "Stirbt der Wald ab, ist er erst einmal weg", prognostizierte Schölch. Der heiße Standort an der Kante des Maintalhangs, der flachgründige Boden - es ist kein guter Standort, eine "Kampfzone" und Aufforsten schwierig. Der Umbau zu einem stabileren, widerstandsfähigerem Wald gelinge besser im Bestand.

"Der Waldumbau ist der folgerichtige nächste Schritt", sagte Schölch. Benötigt werde ein Wald mit drei bis fünf Baumarten. Auch Bewässern, um den Stressfaktor Trockenheit zu nehmen, wie Mathias Amling nachfragte, mache laut Schölch allenfalls für die Aufforstung Sinn.

"Stirbt der Wald ab, ist er erst einmal weg."
Revierförster Wolfgang Schölch

Die Befürchtung, dass man, sobald einmal "gespritzt" werde, man jedes Jahr wieder in Zugzwang gerate, wenn dadurch die natürlichen Abläufe gestört und die Fressfeinde nicht gestärkt werden, hatten Christoph Trautner und Katharina Brandl. Die bisherigen Erkenntnisse zeigten laut Schölch, dass in drei bis fünf Jahren alles wieder normal sei. Dagegen sei ein kahlgefressener Wald auch für die Vögel schwierig.

Käfer und Bienen nicht gefährdet

Der Stadtrat hatte viele Fragen und erhielt die Antworten der Experten. "Es gibt kein richtig und kein falsch", sagte die Abteilungsleiterin Julke. Käfer und Bienen seien nicht gefährdet, da Mimic selektiv Häutungsinsekten tötet. Es ist ein Pflanzenschutzmittel, das im Erwerbsobstbau gang und gäbe sei, so die Fachfrau.

Revierförster Wolfgang Schölch (links) informierte über die Problematik. Mit im Bild sind Stadtrat Manfred Schätzlein (Mitte) und Bürgermeister Markus Schenk.
Foto: Antje Roscoe | Revierförster Wolfgang Schölch (links) informierte über die Problematik. Mit im Bild sind Stadtrat Manfred Schätzlein (Mitte) und Bürgermeister Markus Schenk.

Der Stadtrat entschied sich mehrheitlich für den Einsatz des Insektizids Mimic, wobei auch kurz vor der Befliegung die tatsächliche Raupenpopulation und die Notwendigkeit der Aktion nochmals überprüft werden soll, so die Zusage Julkes. Die Stadträte der Grünen, Trautner und Brandl, blieben bei einem Nein, wenngleich auch ihnen, wie Brandl und andere betonten, der Vor-Ort-Termin sehr viel an Erkenntnis gebracht hatte.

Ratsmitglieder änderten ihre Meinung

Andere Ratsmitglieder, die tendenziell dagegen waren, hatten sich überzeugen lassen. "Ich hatte nicht gewusst, dass es so schlimm ist. Ich war gegen ein Besprühen, sehe es jetzt aber anders", erklärte Mathias Herrmann.

"Wichtig ist, dass man dranbleibt", fasste Bürgermeister Markus Schenk zusammen und griff die Prämisse von Edmund Haas noch einmal auf. Dieser wollte unter der Maßgabe zustimmen, dass die Stadt mit gutem Beispiel voran gehe und gleich mit dem Waldumbau beginne. Für die Behandlung vorgesehen sind eine Teilfläche von 4,5 Hektar Stadtwald und zwei Hektar privater Flächen, bei denen die einzelnen Eigentümer ebenfalls zugestimmt haben.

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  • A. D.
    Man kann über das die Entscheidung geteilter Meinung sein, aber endlich …
    … präsentiert dieser Stadtrat den Bürgern eine komplexe Entscheidung mit Vor- und Nachteilen,
    … werden abweichende Meinungen von Stadträten geäußert.
    Also genau das was eine parlamentarische Demokratie auszeichnet: Reden, abwägen, abstimmen.

    Warum kann man denn anderer Meinung sein:
    Mimic (Wirkstoff Tebufenozid) tötet Schmetterlinge, Falter, Motten. Das ist gemeint, wenn die Wahrheit kaum verständlich als "Häutungsinsekten" verklausuliert wird.

    Die Entscheidung ist übrigens keine schwarz-weiße: Selbst wenn das Gift versprüht wird, kann über Grüße und Lage der Flächen, über Menge und Konzentration die Waagschale von Nutzen und Kollateralschäden verschoben werden.
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