Dem Wald im Landkreis Würzburg geht es schlecht. Schuld daran ist zum einen der Klimawandel, der mit extremer Trockenheit, Pilzen und Insekten an fast allen Baumarten Schäden verursacht. Zum anderen gehört der Wildverbiss an jungen, aufwachsenden Bäumen durch Rehwild zu den Faktoren, die den Umbau zu einem gesunden Mischwald beeinflussen, heißt es in einer Pressemitteilung.
Der von der Unteren Jagdbehörde am Landratsamt Würzburg einberufene Jagdbeirat fasste deshalb einen Grundsatzbeschluss. Dieser besagt, dass für den Landkreis Würzburg Leitlinien für alle neun Hegegemeinschaften aufgestellt werden sollen. Der Grundsatzbeschluss soll das Engagement der Jäger, Land- und Forstwirte, Jagdgenossen und Behörden für eine zukunftsgerichtete Jagd in Zeiten des Klimawandels darstellen.
Bernd Müller von der Unteren Jagdbehörde am Landratsamt Würzburg erklärte: „Leitlinien sind konkrete Einzelmaßnahmen, die hegegemeinschaftsbezogen direkt oder indirekt dazu beitragen können, die Verbiss-Situation in den Wäldern nachhaltig zu verbessern, um so die natürliche Verjüngung standortgemäßer Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen zu ermöglichen.“
Dem Jagdbeirat gehören fünf Vertreter der unterschiedlichen Interessengruppen an: Werner Kuhn für die Jagdgenossenschaften, Gerhard Klingler für die Jägerschaft, Wolfgang Schölch für den Naturschutz, Burkard Ziegler für die Landwirtschaft und Christian Graf Wolffskeel für die Forstwirtschaft. Vorsitzender ist Landrat Eberhard Nuß.
Geladen waren auch die Jagdberater der Unteren Jagdbehörde, Dr. Sigurd Lehmann-Tolkmitt, Thomas Dümler, Volker Groß und Florian Hofmann sowie Karl-Georg Schönmüller als Experte aus dem Bereich der Forstwirtschaft, der den Prozess sachverständig begleiten wird.
Trockenheit, Schädlinge, Wildverbiss
Elfi Raunecker, Bereichsleiterin Forsten Unterfranken vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) erläuterte zunächst den Zustand der Wälder im Landkreis Würzburg, einem der waldärmsten Gebiete in Unterfranken. Die mehr als 50 000 Festmeter Schadholz in 2019 entstanden hauptsächlich wegen der Trockenheit im Hitzejahr 2018. Hohe Temperaturen und fehlender Niederschlag vor allem im Sommer, dokumentiert von der Waldklimastation Würzburg, trugen hierzu bei, so Raunecker, und haben insbesondere bei Buchen, Fichten und Kiefern Trockenschäden verursacht.
Hinzu kommen Schädlinge wie Schwammspinner, Eichenprozessionsspinner an den Eichen, Borkenkäfer (Buchdrucker und Kupferstecher) an Fichten und Douglasien sowie pilzliche Erkrankungen wie die Ahornrußrindenkrankheit sowie das Eschen- und Diplodia-Triebsterben.
Das AELF Würzburg setzt auf einen Umbau der Wälder mit heimischen, trockenheitertragenden Baumarten wie zum Beispiel Eiche, Elsbeere, Speierling, Wildbirne, Vogelkirsche und gegebenenfalls alternativen Baumarten wie Edelkastanie, Robinie, Baumhasel, Silberlinde oder Libanonzeder.
Walderhaltung ist Gemeinschaftsaufgabe
Jedoch gelingt der klimaresistente Waldumbau nur, wenn die durch Naturverjüngung, Pflanzung oder Aussaat aufwachsenden Bäumchen nicht durch Rehwild-Verbiss geschwächt oder zerstört werden. Drei bis fünf verschiedene Baumarten in jedem Wald sollen durch ihre Artenvielfalt auch in den kommenden Jahrzehnten die Wälder in der Region erhalten. „Walderhaltung ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die die gesamte Gesellschaft braucht, um zu gelingen. Hier müssen Jagdvorstände, Waldbesitzer, die Jägerschaft und der Jagdbeirat mit der Unteren Jagdbehörde und das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zusammenwirken, um Erfolge zu erzielen“, betonte auch Antje Julke, neue Abteilungsleiterin beim AELF.
Auch die Landwirtschaft kann ihren Teil zur Rettung des Waldes beitragen, etwa indem sie Lebensraumverbesserungen für Rehe an Waldrändern und in der Flur schafft, um das Wild zum Äsen aus dem Wald zu locken. Denn nur wenn aufgrund von Nahrungsmangel im Winter keine Gräser und Kräuter zu finden sind, werden Baumknospen, Zweige, Blätter und Baumrinden gefressen. Hierdurch kommt es zum Wildverbiss und der Wald erleidet Schaden.
Weniger Rehwild, weniger Verbiss
Um hier regelnd einzugreifen, ist vor allem die Jägerschaft gefordert. Nur durch die Einhaltung der Abschussquoten ist das durch den Klimawandel ohnehin erschwerte Aufwachsen des Waldes gewährleistet. Derzeit gibt es in den neun Hegegemeinschaften im Landkreis Würzburg drei (Fährbrück, Main, Kürnachtal), die laut forstamtlichem Gutachten seit 2006 eine zu hohe Verbissbelastung aufweisen.
Für diese Hegegemeinschaften sollen die vom Jagdbeirat aufzustellenden Leitlinien als Pilotprojekt erprobt werden. Hierzu könnte zum Beispiel der freiwillige körperliche Nachweis der Rehwildbejagung gehören, also eine Strecke der geschossenen Tiere, die der Jagdgenossenschaft nachzuweisen ist. Auch könnten die Beteiligten zum regelmäßigen Dialog angehalten werden, welche waldbaulichen Ziele derzeit in einem Revier verfolgt werden und wie die Jägerschaft zur Erreichung der Ziele beitragen können.
Die Bürger einbeziehen
Antje Julke, Abteilungsleiterin Forsten für den Landkreis Würzburg betonte: „Wir müssen auch die Bürgerinnen und Bürger einbeziehen. Denn die Jagdausübung wird oft durch Spaziergänger, Hundebesitzer, die ihre Hunde nicht an der Leine führen, Radfahrer und Mountainbiker, die zum Teil mit Stirnlampen in der Dämmerung unterwegs sind, gestört oder unmöglich gemacht. Wenn wir den Wald als Erholungsraum und als wichtigen Rohstofflieferanten für Baustoffe und für alternative Energien erhalten wollen, müssen alle einen Beitrag leisten“.
Als nächste konkrete Maßnahme wird es im Januar einen Waldbegang für die Mitglieder des Jagdbeirats geben, um Beispiele einer gelungenen Naturverjüngung unter Mithilfe der Jägerschaft aufzuzeigen.