
Die Pandemie und der Lockdown haben bei allen Menschen Spuren hinterlassen. Besonders schwere Zeiten erlebten kranke und alte Menschen und auch diejenigen mit psychischen Erkrankungen. An sie wird in der Gesellschaft oft nicht gedacht, da psychische Probleme häufig nicht als "echte" Krankheit gesehen werden.
Doch gerade diese Menschen brauchen Fürsorge und ein sicheres Netzwerk. Dieses bietet in Ochsenfurt der Sozialpsychiatrische Dienst des Roten Kreuzes (SpDi), den vor Ort Ulrike Dickas leitet. Hier finden die Betroffenen Hilfe und auch Gesprächspartner, seien es die Angestellten oder die ehrenamtlichen Helfer. In der Zeit des Lockdowns gab es keinen persönlichen Kontakt, außer über das Telefon, erzählen Ulrike Dickas und die Betroffenen. Die verlässliche, unterstützende Gemeinschaft fehlte, weshalb einige stationär im Krankenhaus behandelt werden mussten. Auch die Probleme innerhalb der Familien nahmen zu.
Spaziergänge am Main halfen
Mechthild H. (59 Jahre) und Friedrich S. (58 Jahre) nutzen die Hilfe des Sozialpsychiatrischen Dienstes schon seit einigen Jahren und waren im Lockdown weitgehend auf sich allein gestellt. Es fanden nur telefonische Beratungsgespräche und keine Gruppenveranstaltungen statt. So gab es etwa die Kontaktgruppe, ein niedrigschwelliges, wöchentliches Angebot, das große Unterstützung bietet, in dieser Zeit nicht. Dies beeinträchtigte die Erkrankten besonders. Besonders geholfen haben gemeinsame Spaziergänge entlang des Mains, immer an der Luft mit entsprechendem Abstand.
Friedrich S. führte ein normales Leben. Er hatte einen guten Beruf und verdiente entsprechend. Er war verheiratet und hat vier Kinder. Durch die Trennung und andere familiäre Probleme geriet er in finanzielle Not. Bedingt durch diese Situation litt er an Depressionen und einem Erschöpfungssyndrom. Der psychische Stress belastete ihn so sehr, dass er seine Arbeit und sein normales Leben nicht mehr schaffte. "Ich habe oft überreagiert und konnte meinen Beruf nicht mehr ausüben", sagt er.
Die Kontaktgruppe fehlte sehr
Heute ist er Frührentner. Seine Belastbarkeit ist so gering, dass er nach zwei bis drei Stunden Tätigkeit vollkommen erschöpft ist. Er lebt jetzt allein und versorgt sich selbst. Da er die Geselligkeit scheut, sind die Kontaktgruppe und die Beratungsgespräche für ihn so wichtig. Dort findet er im Gespräch mit Gleichgesinnten Unterstützung und Halt. Doch dieser Halt war durch den Lockdown weitestgehend weggebrochen. "Ich fühlte mich halt-, kraftlos und allein", berichtet er.
"Der Lockdown hat mich schwer getroffen, da mir die Beratungsgespräche und vor allem die Kontaktgruppe fehlten", sagt Mechthild H., die sich ähnlich fühlt wie Friedrich S. "Zwar bin ich berufstätig und treffe auch dort Leute, aber das ist anders", sagt sie und erklärt: "Hier kann ich über meine Probleme sprechen, auch mal weinen, wenn ich nicht mehr weiter weiß." Auch sie war in Depressionen versunken.
Ehrenamtliche sind unentbehrlich
Der Auslöser war die schwierige Trennung von ihrem Mann. Sie blieb in einem finanziellen Chaos zurück und geriet in Not. Sie entwickelte Ängste, gegen die sie nicht ankam. Im Info-Blatt der Stadt wurde sie auf den Sozialpsychiatrischen Dienst des BRK aufmerksam. Mechthild überwand die Angstschwelle und nahm den Telefonhörer in die Hand. Sie hatte kein Geld, wusste jedoch, dass sich etwas ändern musste. Beim SpDi war sie genau richtig, da die Hilfe, die sie suchte, nichts kostet. Es sind keine Formulare oder Arztbesuche nötig.
Ulrike Dickas (Diplomsozialpädagogin) ist froh, dass sie psychisch Erkrankten helfen kann. "Wir haben natürlich geschultes Personal, jedoch ohne die große Unterstützung von ehrenamtlich tätigen Personen könnten wir dies alles nicht stemmen", erklärt sie. Die Menschen würden ansonsten allein gelassen werden. Daher ist die Hilfe von Ehrenamtlichen sehr wichtig. "Wir freuen uns über jeden Menschen, der uns bei unserer Arbeit unterstützt."
Ehrungen beim Sommerfest
Beim Sommerfest des SpDi wurden vier Frauen geehrt, die seit vielen Jahren Zeit finden, anderen zu helfen. Der Würzburger Landrat Thomas Eberth war gerne zum Fest gekommen, da er glaubt, dass Austausch und Gespräche ganz wichtig für Menschen sind. "Nichts ist schlimmer als Einsamkeit", sagt er. Diese sei besonders schlimm in der Zeit der Pandemie gewesen. Besondere Unterstützung erfuhren die Menschen durch die Ehrenamtlichen, die viel Zeit opfern, um anderen zu helfen.

Inge Schwarz ist 80 Jahre alt und bereits seit 30 Jahren beim SpDi in Kitzingen tätig. Sie hat die Kontaktgruppe mit aufgebaut und entscheidend zur gemeinsamen Freizeitgestaltung beigetragen. Besonders in der Pandemie hat sie die Klienteninnen und Klienten begleitet und regelmäßig Telefonate geführt. Jetzt ist es für sie an der Zeit, sich aus der Kontaktgruppe zurückzuziehen.
Jeder ist im Freitags-Café willkommen
Carola Börschinger ist schon seit 20 Jahren als Ehrenamtliche tätig. Sie hilft im Freitags-Treff/-Café, unterstützt die Kontaktgruppe und ist Bürgerhelferin in der Einzelberatung. Sie verwöhnt die Klienteninnen und Klienten mit Kuchen, Eis, Wienerle oder Weißwürsten, hat aber auch immer ein offenes Ohr für die Probleme und Anliegen. Jeder ist im Freitags-Café willkommen und wird angenommen, egal ob gesprächig oder nur still dabeisitzend. Das ist eine Umgebung, die sich wohltuend auswirkt.
Gerburg Wagner ist ebenfalls seit 20 Jahren beim SpDi in Ochsenfurt. Anfangs hat sie sich überwiegend in der Kontaktgruppe engagiert und dann intensiv bei den Freizeiten eingebracht. Besonders hervorzuheben ist ihre Einzelbetreuung einer schwersttraumatisierten Klientin. Diese junge Frau hat sie mit viel Empathie durch viele Krisen begleitet und hält noch heute Kontakt zu ihr. Durch ihre große Kenntnis in Ikebana leitet sie die Handarbeitsgruppe.
Silberne Ehrennadel für Christel Geißel
Christel Geißel kam als Angehörige zum Sozialpsychiatrischen Dienst und entschied, dass sie sich selbst einbringen wollte. Daher begleitet sie viele Beratungsgespräche und die Kontaktgruppe. Besonders geschätzt wird, dass sie sich als "Vielfahrerin" zur Verfügung stellt. Für ihr außergewöhnliches Engagement wurde sie mit der Silbernen Ehrennadel des Roten Kreuzes ausgezeichnet. Rosa Behon, stellvertretende Bürgermeisterin von Ochsenfurt und stellvertretende Vorsitzende des BRK-Kreisverbandes Würzburg überreichte die Ehrung.
Die Gelegenheit sich zu verabschieden, nutzte Roland Franz. Er war viele Jahre lang zuständig für die Gewinnung und Ausbildung der Ehrenamtlichen des Sachgebietes Sozialpsychiatrie des BRK-Kreisverbandes Würzburg.