Ausschlafen. Essen. Mit dem Hund spazieren gehen. Aufräumen. Simone Barrientos genießt das schlichte Zuhause-Sein in dem alten Fachwerkhaus in ihrer Wahlheimat Ochsenfurt durchaus, wo sie gemeinsam mit dem Schriftsteller Leander Sukov lebt. Obwohl sie ganz andere Pläne hatte. In Berlin wollte sie jetzt eigentlich wieder sein, auf ihrem Platz im Bundestag. Doch die Ochsenfurter Abgeordnete der Linken hat es bei der Wahl im Herbst nicht wieder ins Parlament geschafft. Enttäuscht ist sie schon. Und müde. Und zugleich kämpferisch. Die Zeit zwischen den Jahren ist für die Politikerin eine Verschnaufpause, aber auch der Zeitpunkt, Bilanz zu ziehen und in die Zukunft zu blicken.
Nicht wiedergewählt worden zu sein, das hat Simone Barrientos schon ein Stück weit aus der Bahn geworfen. Erst jetzt findet sie Zeit, sich mit diesem Gedanken näher zu befassen. Direkt nach der Wahl stand zunächst Anderes auf dem Programm: ihre Büros in Würzburg und Berlin aufzulösen und den insgesamt sieben Mitarbeitern bei der Jobsuche zu helfen. "Die sind ja auch ins Bodenlose gefallen", sagt Barrientos. Auch in Hof hatte die Partei ein Büro. "Da dauert es, bis man sich mit sich selbst beschäftigen kann."
Als politischer Mensch sichtbar bleiben
In Berlin hat jetzt ein anderer Bundestag die Arbeit aufgenommen. Einer, in dem die Ochsenfurterin kein Mitspracherecht mehr hat. "Es ist ein merkwürdiges Gefühl, nicht mehr mitmischen zu können", sagt sie. Zumal sie sich sozusagen aus vollem Galopp heraus ausgebremst fühlt. Die vier Jahre als Bundestagsabgeordnete beschreibt sie wie einen Marathonlauf im Sprinttempo, bei dem sie sich nicht geschont hat. Vor gut zwei Jahren erlitt die Politikerin bei einer Abstimmung im Bundestag sogar einen Schwächeanfall. Und jetzt ist Stillstand.
Natürlich hat sich auch Simone Barrientos gefragt, wie es dazu kommen konnte, warum ihre Partei bei der Wahl so schlecht abgeschnitten hat. Mit dem Thema "Schuld" hält sie sich nicht auf, wohl aber beschäftigt sie sich mit dem der Verantwortung, die sie zum Teil auch bei ihrer Fraktion sieht. Trotzdem steht für sie außer Frage, dass sie auch in Zukunft für ihre Partei kämpfen möchte. "Ich will weiter loyal sein", betont sie. Und weiterhin Politikerin sein. "Ich war hier als politischer Mensch schon sichtbar, bevor ich in den Bundestag eingezogen bin. Daran knüpfe ich wieder an." Aber auch ein politischer Mensch muss von irgendetwas leben, und das Übergangsgeld für ausgeschiedene Abgeordnete läuft im Frühjahr aus.
Dass ihr zukünftiger Broterwerb etwas mit kulturellem Schaffen zu tun haben soll, ist für Simone Barrientos klar. Zunächst habe sie Erholung bitter nötig, gleichzeitig aber schon etliche Pläne im Kopf, wenn auch keine sehr konkreten. "Ich arbeite an einem Bühnenprogramm mit Liedern und Geschichten", sagt sie. Auch ein Buchprojekt wäre für sie naheliegend. Und sie plant, ihr in der Bundestagszeit erworbenes Know How zur Verfügung zu stellen und beratend tätig zu sein.
Einsatz für Kulturschaffende
Denn als kulturpolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Bundestag hat Simone Barrientos Themen tiefgehend beackert, die sie nun auf keinen Fall brach liegen lassen möchte, nur weil sie dem Gremium nicht mehr angehört. Alles, was man mache, gehe auch im Rahmen außerparlamentarischer Opposition, ist ihre Überzeugung. Sie sieht sich als Freiberuflerin in Kunst und Kultur, und davon lasse sich ihr politisches Engagement ohnehin nicht trennen, sagt die 58-Jährige. "Ich bin eine geborene Weltverbesserin."
Ganz besonders für die Kulturschaffenden hat sich Simone Barrientos in Berlin eingesetzt, für die soziale Absicherung so vieler oft am Rand einer auskömmlichen Existenz entlang manövrierenden Menschen aus diesem Bereich. Aber auch dafür, dass Frauen besser sichtbar werden, dass die Themen Geschlechtergerechtigkeit und Diversität vorankommen. Das, was sie angekurbelt hat in Berlin, das will sie weiterführen.
Die nächste Bundestagswahl ins Auge gefasst
Und vier Jahre, so lange dauert eine Legislaturperiode im deutschen Bundestag, sind eine so lange Zeit nun auch wieder nicht. An Simone Barrientos wurde schon die Bitte herangetragen, bei der nächsten Bundestagswahl wieder zu kandidieren. Will sie das? Im Augenblick lautet ihre Antwort ganz eindeutig: ja, auf jeden Fall. Denn direkt nach der Wahlniederlage erreichten sie viele Stimmen, die sie darin bestärkten, weiterzumachen. "Die Welle von Häme blieb aus", erinnert sie sich. Abgesehen von einigen wenigen höhnischen Kommentaren sei eher eine Art "Lovestorm" über sie hereingebrochen - nicht nur von Gleichgesinnten, sondern auch von der politischen Konkurrenz.
Deshalb macht Simone Barrientos weiter. Und deshalb mutet auch ihre Definition von "abschalten und zur Ruhe kommen" ein wenig gewöhnungsbedürftig an. Beinahe unaufhörlich meldet sich das Smartphone, auf dem Schreibtisch türmen sich die Papiere. Nicht eben zur Freude von Fiete, dem schwarzen Hund, der lieber mit seinem Frauchen am Main spazieren gehen würde. Bis Neujahr wird er dafür noch ganz gute Chance haben. Dann will Simone Barrientos wieder richtig loslegen, mitmischen. Eines ihrer Ziele: den Menschen erklären, wie politische Prozesse ablaufen.
Dann aber bitte ganz drüber und die Weihnachtsperson auch noch!