
Atomkraft und ihre Folgen sind ein Thema, das seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert wird. Während einige Länder weiterhin auf Kernenergie setzen, kämpfen andere für eine Zukunft ohne nukleare Gefahren. Einer, der sich diesem Kampf mit besonderer Leidenschaft widmet, ist Norbert Suchanek. Der Journalist, Filmemacher und Umweltaktivist aus Würzburg wird im März mit dem renommierten Nuclear-Free Future Award ausgezeichnet. Gemeinsam mit seiner Partnerin Márcia Gomes de Oliveira gründete er das Internationale Uranium Film Festival, das seit 2011 Filme zu atomaren Themen einem weltweiten Publikum näherbringt.
Im Interview spricht Norbert Suchanek über die Bedeutung der Auszeichnung, die Anfänge seines Engagements und die aktuellen globalen Entwicklungen in der Atompolitik.
Norbert Suchanek: Der Nuclear-Free Future Award 2025 ist für mich eine große Ehre und eine Verpflichtung, das fortzusetzen, was wir, meine Partnerin Márcia Gomes de Oliveira und ich, 2010 begonnen haben: unabhängige Aufklärung über Geschichte und Folgen von Uranbergbau und Atomkraft durch Film – von Marie Curie bis Hiroshima und Fukushima. Der Preis zeigt die Bedeutung unseres Internationalen Uranium Film Festivals, insbesondere in diesem Jahr, in dem sich die erste Atombombenexplosion in New Mexico und die darauffolgende nukleare Vernichtung von Hiroshima und Nagasaki zum 80. Mal jährt.
Suchanek: Die Idee des Uranium Film Festivals kam mir 2006 in Window Rock, der Hauptstadt der Navajo, wo ich an einem Kongress über die Folgen von Uranabbau und Atomindustrie für die indigenen Völker weltweit teilnahm. Dort wurden zwei außergewöhnliche Filme dazu gezeigt. Und ich dachte mir, diese Filme und deren Filmemacher müssen ein viel breiteres Publikum finden. Und der beste Weg, um mehr Menschen zu erreichen, ist ein internationales Filmfest. Zudem zeichnen wir die besten atomaren Filmemacher mit unserer Trophäe aus, was ihnen noch mehr Öffentlichkeit und Bekanntheit bringt.
Suchanek: In den 1980er Jahren, nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, setzten sich mehr und mehr Menschen in Deutschland für einen Ausstieg aus der Atomkraft ein. Ihr Beweggrund war die Angst vor einer Reaktorkatastrophe im eigenen Land. Doch für mich gab es von Anfang an einen noch schwerwiegenderen Grund: Das Uran, der Kernbrennstoff, den die deutschen Atommeiler verwendeten, wurde aus Australien, Afrika oder Kanada importiert, wo indigene Völker und deren Territorien unter den unsäglichen Folgen des Uranbergbaus bis heute zu leiden haben. Es ist schlicht verantwortungslos, auf Kosten von Tausenden von Menschen anderer Kontinente Strom zu erzeugen.
Suchanek: Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Vielleicht, steter Tropfen höhlt den Stein? So wie wir seit 2011 trotz aller Widrigkeiten und Skeptiker das Uranium Film Festival gegen den Strom schwimmend Jahr um Jahr in Rio de Janeiro, Berlin und anderen Ländern veranstalteten und jetzt dafür die Lorbeeren ernten, so kann dies ein Beispiel für andere Menschen und Initiativen sein, nicht aufzugeben. Eine Welt ohne atomare Waffen und Gefahren ist möglich.
Suchanek: Laut Internationaler Energieagentur (IEA) wollen über 40 Länder neue Atomkraftwerke bauen. Der Multimilliardär Bill Gates macht seit Jahren kräftig Werbung für die "Minireaktoren" seines Atomunternehmens TerraPower. Auch Russlands staatlicher Konzern Rosatom will die Welt, vor allem Afrika und Lateinamerika, mit seinen "neuen" Atomkraftwerken beglücken. Selbst die brasilianische Regierung will das dritte, schon vor Jahrzehnten in Deutschland gekaufte Atomkraftwerk fertigstellen und ist in Verhandlungen mit Rosatom über weitere Reaktoren. Dies ist in der Tat eine bedenkliche Entwicklung. Mehr Atomkraftwerke bedeuten mehr Uranbergbau, ein höheres Risiko von radioaktiven Unfällen und schließlich noch mehr Atommüll ohne bestehende Endlager. Dabei sind Energieeinsparung sowie Wind- und Solarkraft viel billigere Zukunftskonzepte mit weniger Risiko.
Suchanek: Eine wichtige Maßnahme ist das, was wir mit dem Uranium Film Festival tun: Kontinuierliche, unabhängige Aufklärung über radioaktive und atomare Gefahren weltweit und das gilt auch für Deutschland, zumal wir wahrscheinlich noch Hunderttausende von Jahren mit den hochradioaktiven Abfällen unseres atomaren Erbes leben müssen. Außerdem sind alle vier Jahre Wahlen. Deutschland ist zwar unter Angela Merkel aus der Atomkraft ausgestiegen. Doch eine neue Generation von Politikern könnte ohne Gegenwind auf die "Werbesprüche" und "Heilsversprechen" von Bill Gates und der internationalen Atomlobby hereinfallen und einen Ausstieg aus dem Ausstieg oder den Wiedereinstieg beschließen. Würzburg, wo Nobelpreisträger Wilhelm Conrad Röntgen 1895 die X-Strahlen entdeckte, wäre im übrigen auch ein guter Austragungsort für unser atomares Filmfest.