
Mehr als die Hälfte aller Kinderunfälle ereignen sich zu Hause. Innerhalb eines Jahres benötigt jedes sechste Kind im Alter zwischen einem bis 17 Jahren ärztliche Behandlung aufgrund einer Unfallverletzung, berichtet die Bundesarbeitsgemeinschaft "Mehr Sicherheit für Kinder".
Bei Jugendlichen im Alter von 11 bis 17 Jahren finden die meisten Unfälle beim Sport, auf dem Spielplatz oder im Verkehr statt. Bei Ein- und Zweijährigen hingegen geschehen 80 Prozent der Verletzungen zu Hause, bei den Drei- bis Sechsjährigen sind es 60 Prozent.
Welche Unfälle treten am häufigsten auf? Wie können Eltern Erste Hilfe leistet? Wann ist ein Krankenhausaufenthalt für mein Kind erforderlich?
Diese Fragen beantwortet Dr. Katharina Ruf, Oberärztin an der Universitäts-Kinderklinik in Würzburg.
1. Wie gefährlich ist ein Sturz vom Wickeltisch?
Der Sturz vom Wickeltisch ist der klassische Unfall im Babyalter. "Meist gehen solche Unfälle zum Glück gut aus", sagt Dr. Katharina Ruf. Trotzdem ist der Sturz vom Wickeltisch immer noch die häufigste Ursache für Kopfverletzungen oder Gehirnerschütterungen in dieser Altersklasse.
Bei einem Sturz vom Wickeltisch sollten die Eltern das Kind in jedem Fall einem Arzt oder einer Ärztin vorstellen. "Ein gutes Zeichen ist es, wenn das Kind weint, wenn es wach und ansprechbar ist. Ist das Kind bewusstlos und blutet, sollte man sofort den Rettungsdienst (Tel. 112) anrufen."
Tipp: "Falls es beim Wickeln zu einer Störung kommt, wie zum Beispiel das Klingeln an der Tür oder das Läuten des Telefons, sollten Sie das Kind zu Ende wickeln, auf den Boden legen oder mitnehmen", sagt Ruf.
2. Wann sollte man bei hohem Fieber zum Arzt?
Kinder haben oft Fieber oder eine erhöhte Temperatur. "Das ist prinzipiell nicht schlimm, Fieber ist keine Krankheit, sondern eine natürliche Reaktion des Körpers auf Krankheitserreger", sagt Ruf. Es signalisiert, dass der Körper seine Abwehrkräfte aktiviert, um gegen die Erreger anzukämpfen.
Fieber ist also ein wichtiger Abwehrmechanismus des Körpers und muss nicht sofort mit fiebersenkenden Maßnahmen bekämpft werden. "Wenn Eltern aber ihr Kind nicht wiedererkennen, sollten sie umgehend einen Arzt konsultieren", rät die Ärztin.
Eltern von Neugeborenen sollten wissen, dass bereits bei einer Körpertemperatur von 38,0 Grad eine bakterielle Infektion vorliegen kann. Wirkt das Kind ungewöhnlich schlapp oder teilnahmslos, trinkt wenig oder weist eine veränderte Hautfärbung auf (blass, bläulich, grau), sollten Sie schnellstmöglich einen Arzt aufsuchen, sagt Ruf.
Tipp: "Der wirksamste Schutz vor schweren Infektionen ist, wenn die Kinder alle empfohlenen Impfungen erhalten haben."
3. Wie gefährlich ist das Verschlucken von Knopfzellbatterien?
"Wenn ein Kind eine Knopfzellbatterie verschluckt hat, ist dies immer ein Notfall!", betont Ruf. Bleiben die Batterien in der Speiseröhre stecken, besteht die Gefahr schwerer Verätzungen bis hin zu Löchern in der Speiseröhre. "Das Kind muss umgehend in einer Klinik behandelt werden", sagt die Kinderärztin.
In den meisten Fällen ist eine verschluckte Knopfbatterie auf einem Röntgenbild gut erkennbar. Besonders gefährdet sind Kleinkinder unter sechs Jahren, wobei das Risiko im ersten Lebensjahr am höchsten ist. "In diesen Alter ist die Knopfzellbatterie im Vergleich zur Speiseröhre so groß, dass sie darin hängen bleibt."
Tipp: Bewahren Sie Knopfzellen immer außerhalb der Reichweite von Kindern auf.
4. Was tun, wenn mein Kind einen Gegenstand verschluckt hat?
Kleinkinder erkunden ihre Welt über den Mund. Dabei kommt es vor, dass sie versehentlich Kleinteile verschlucken – Münzen, Murmeln oder Knöpfe. In den meisten Fällen besteht kein Grund zur Panik, da viele Fremdkörper auf natürlichem Weg wieder ausgeschieden werden.
Kommt es aber zu vermehrtem Speichelfluss, Husten oder gar Erstickungsanfällen, sollte das Kind schnellstmöglich in eine Klinik, da Sorge besteht, dass der Fremdkörper in der Speiseröhre oder in der Luftröhre stecken geblieben ist, erläutert die Medizinerin.
Tipp: Wichtig ist, dass Kleinkinder nicht unbeaufsichtigt sind, kleine Gegenstände wie Münzen und Knöpfe nicht offen herumliegen und auf kindersicheres Spielzeug geachtet wird. Auf Murmeln und ähnliches sollte möglichst verzichtet werden.
5. Wann muss man mit einer Verbrennungen oder Verbrühung zum Arzt?
Verbrennungen und besonders Verbrühungen gehören zu den häufigsten Unfällen im Kindesalter. Besonders gefährdet sind Kinder im Alter von zwei bis vier Jahren. Wenn es zu einer kleinen Verbrennung kommt, sollte diese sofort gekühlt werden, allerdings mit lauwarmem und nicht mit eiskaltem Wasser.
"Wenn die Kleidung nicht an der verbrannten Stelle festklebt, entfernen Sie diese und vergessen Sie die Windel nicht, die mit heißem Wasser vollgesogen sein kann", so die Kinderärztin. Wenn die Kleidung an der Haut klebt, sollten Eltern sie nicht abziehen, da dies die Haut weiter schädigen könnte. "Bei einer großflächigen Verbrennung sollten Sie sofort den Rettungsdienst informieren", sagt Ruf.
Tipp: "Vermeiden Sie Verbrennungen: Stellen Sie Wasserkocher und Töpfe nie in die Reichweite von Kindern. Und achten Sie auf herunterhängende Kabel, an denen Kinder ziehen könnten", sagt Ruf.

6. Wann muss eine Wunde genäht werden?
Wunden sind lästig und kommen leider oft vor. Was kann man tun, wenn es blutet? "Der erste Schritt ist, die Wunde zu desinfizieren", sagt Ruf. Manchmal reiche ein Pflaster, bei starkem Blutfluss ist ein Druckverband und das Aufsuchen eines Arztes ratsam.
Wann muss eine Wunde genäht werden? "Wenn es sich um eine klaffende oder tiefe Wunde handelt, im Gesicht oder an den Händen ist und größer als ein Zentimeter ist, sollte so schnell wie möglich eine ärztliche Beurteilung erfolgen", erläutert die Kindermedizinerin. In der Regel sollten Wunde innerhalb von sechs Stunden geschlossen werden, da ansonsten die Gefahr einer Wundinfektion besteht.
Tipp: Desinfektionsspray und Pflaster gehören in jede Handtasche.
7. Wie stelle ich fest, dass mein Kind eine Gehirnerschütterung hat?
Nach jedem Sturz auf den Kopf sollte das Kind einem Arzt vorgestellt werden. Alarmzeichen für eine Gehirnerschütterung sind Erbrechen, aber auch wenn die Kinder schläfrig und müde sind, nicht mehr wirklich aufwachen und wenn sie einem wesensverändert vorkommen. Das gelte für einen Sturz vom Wickeltisch genauso wie für einen Sturz vom Klettergerüst bei einem Kleinkind.
"Also immer, wenn Kinder nach einem Sturz massiv erbrechen, wenn sie starke Kopfschmerzen haben, wenn sie nicht so sind, wie man sie kennt, dann sofort in die Klinik", sagt die Kinderärztin. Denn: Es gilt, eine mögliche Gehirnblutung auszuschließen.
8. Was tun nach einem Insektenstich?
Bei einem Wespen- oder Bienenstich ist es am besten, sofort zu kühlen. "In der Regel ist ein solcher Stich zwar schmerzhaft, aber nicht gefährlich", sagt Dr. Katharina Ruf. Gefährlich wird es nur, wenn das Kind allergisch auf das Gift von Bienen oder Wespen reagiert.
In solchen Fällen kann es zu Atemnot, allergischem Schock, Bewusstlosigkeit, Kreislauf- und Atemstillstand kommen. Allergien gegen Insektengift sind jedoch selten und normalerweise den Patientinnen und Patienten bekannt.
Tipp: Wenn ein Kind nach einem Insektenstich Atemnot verspürt oder das Gefühl hat, dass der Hals anschwillt, sollten Eltern rasch einen Arzt aufsuchen oder den Rettungsdienst alarmieren.