
Manchmal geht es um Minuten. Minuten, die im Notfall zwischen Leben und Tod oder einem Leben mit oder ohne Beeinträchtigung entscheiden können. In solchen Fällen ist es gut, wenn man sogenannte "Helfer vor Ort" hat, die noch vor dem Rettungsdienst helfen können. Im Landkreis Main-Spessart gibt es alleine zehn solcher Gruppen, eine davon seit Jahresbeginn in Neustadt am Main.
Die fünf "Helfer vor Ort" aus Neustadt sind professionell ausgebildete ehrenamtliche Ersthelfer. Sie werden von den integrierten Leitstellen zusätzlich zu den Rettungswagen gerufen, wenn sie den Ort des Notfalls schneller als die Rettungswagen erreichen können. Vor Ort kümmern sie sich dann um die Patientinnen und Patienten, bis der Rettungsdienst eintrifft.
Bei 12 von 14 Fällen waren die Ehrenamtlichen schneller vor Ort
Das Einsatzfahrzeug der Neustädter "Helfer vor Ort" ist ein 20 Jahre alter Skoda mit 132.000 Kilometern auf dem Tacho. Im Kofferraum liegt neben dem Rettungsrucksack der Defibrillator, der dank einer 8500-Euro-Spende des Neustadter Vereins "Freude schenken" angeschafft wurde.
Bei zwölf der 14 Alarmierungen im letzten halben Jahr waren die Neustadter "Helfer vor Ort" schneller als der Rettungsdienst. Hier erzählen die Helfer und Helferinnen, warum sie sich für dieses Ehrenamt entschieden haben.
1. Rita Morgenroth (49): "In der Nachbarschaft gibt es viele ältere Mitmenschen. Was tun, wenn jemandem etwas passiert?"

"In der Nachbarschaft gibt es viele ältere Mitmenschen", sagt Rita Morgenroth. Ungefähr jeder vierte Einwohner und jede vierte Einwohnerin von Neustadt und dem Ortsteil Erlach ist über 65 Jahre alt. Das hat Morgenroth nachdenklich gemacht: Was tun, wenn jemandem etwas passiert? "Ich wüßt' vielleicht gar nicht, was ich machen muss", gestand sie sich selbst ein.
Die 49-Jährige ist gelernte Bankkauffrau und Mutter von drei Kindern. Sie hat sich, um in Notfällen nicht unverhofft hilflos dazustehen, in 200 Stunden ehrenamtlich zu einer "Helferin vor Ort" ausbilden lassen.
2. Gruppenleiter Stephan Ebert (41): Es macht Spaß, anderen zu helfen - auch wenn man ein bisschen Freiheiten und Spontanität einbüßt.

Vor einem Jahr lud Stephan Ebert zum Infoabend "Lebensretter gesucht" ein, weil Neustadt bislang "ein weißer Fleck" auf der "Helfer vor Ort"-Karte war. Der 41-Jährige ist seit einem Sanitätslehrgang vor 17 Jahren mit dem Bayerischen Roten Kreuz (BRK) verbunden. "Es macht Spaß, anderen zu helfen", sagt er. Deshalb hat er sich auch berufsbegleitend zum Rettungsassistenten weitergebildet. Zwei Jahre lang leitete der Online-Werbeexperte sogar die Kreisbereitschaft.
Als "Helfer vor Ort" büße man "ein bisschen Freiheiten und Spontanität ein", gibt Ebert zu. "Man schränkt sich ein." Und wenn es nur "a Bierle" ist, auf das man verzichtet, wenn man einsatzbereit sein will. Doch das sei es allemal wert, wenn man helfen kann.
3. Felix Frank (35): "Es ist ganz gut, helfen zu können, wenn mal was los ist"

Bei Bosch in Stuttgart ließ sich Felix Frank zum Ersthelfer schulen. "Da durfte' ich nicht einmal Pflaster kleben", blickt der Ingenieur zurück. Alle zwei Jahre eine Auffrischung, "das war mir zu wenig", gesteht er. Nach einem Umzug nach Erlach macht er die Ausbildung zum "Helfer vor Ort", die er als "weitere persönliche Qualifikation" sieht. Das "Repertoire war deutlich umfangreicher und viel Neues dabei", sagt Frank.
Bisher war Frank bei fast allen Einsätzen dabei. "Es ist ganz gut, helfen zu können, wenn mal was los ist", so der 35-Jährige. Im April sah man ihn in Helfermontur von Erlach über die Brücke nach Neustadt zu einem Unfall rennen – und er war immer noch schneller am Unfallort als der Rettungswagen, der aus Marktheidenfeld angefordert worden war.
4. Jeannette Fischer (44): "Ich finde die Idee der Helfer vor Ort ganz toll"

Jeannette Fischer ist gewissermaßen vom Fach: Die zweifache Mutter arbeitet als medizinische Fachangestellte im Bezirkskrankenhaus. Die Idee der Helfer vor Ort findet die 44-Jährige "grundsätzlich ganz toll". Man gerate immer wieder in Situationen, in denen Hilfe gefragt sei.
Darüber hinaus meldet sich Fischer einmal im Monat als Beifahrerin im Rettungswagen: "Um drin zu bleiben in der Sache und eine gewisse Routine zu entwickeln."
5. Rainer Heller (63): "Anderen helfen, ist für mich eine Selbstverständlichkeit"

14 Alarmmeldungen bekam Rainer Heller per Handy bisher. Im Einsatz war er allerdings erst ein einziges Mal. Denn ansonsten war der 63-Jährige bislang immer, wenn es piepste, als Krankenpfleger im Dienst.
Heller hat von allen fünf die meiste Erfahrung im Gesundheitsbereich: Als Krankenpfleger "im 46. Dienstjahr" ist er in der Geriatrie des Bezirkskrankenhauses Lohr tätig, wo zumindest Grundkenntnisse ständig gefragt sind. Anderen zu helfen, ist für ihn "eine Selbstverständlichkeit".
