Rund sechs Wochen nach seinem überraschenden Ausstieg bei Twitter hat Chan-jo Jun, Würzburger IT-Fachanwalt und Kämpfer gegen Hassrede im Internet, seine Rückkehr auf der Plattform bekannt gegeben. "Ich habe Twitter verlassen, weil ich der Meinung war, dass wir eine vergiftete Atmosphäre haben", sagt Jun in einem aktuellen YouTube-Video. Nun habe er jedoch einen Plan entworfen.
Jun, der sich mit juristischen Analysen von Hassrede auf Twitter einen Namen gemacht hat, hatte Anfang August nach dem Suizid einer österreichischen Impfärztin seinen Rückzug vom Kurznachrichten-Dienst bekannt gegeben. Er sehe keine Möglichkeit, den "vergifteten" Diskurs zu verbessern, hatte Jun argumentiert und dann seinen Account mit rund 70.000 Followern deaktiviert. Immer wieder war Jun selbst an Debatten auf der Plattform beteiligt gewesen. Der oftmals feindseligen Dynamik habe er sich dabei, so seine Aussage, nicht immer entziehen können.
Würzburger Anwalt Jun will Initiative HateAid unterstützen
Geplant gewesen sei die Rückkehr zu Twitter nicht. "Wie müsste die Welt sein, damit ich mich wieder mehr in die Diskussion einbringen würde", habe er sich nach dem Rückzug gefragt, erklärt Jun in seinem YouTube-Video. "Ich habe Twitter verlassen, weil ich dachte, das bringt nichts", sagt er jetzt auf Nachfrage. An der Debattenkultur auf der Plattform habe sich zwar in der Zwischenzeit nichts geändert. Aber, so der Anwalt: "Es wird sich auch nichts verändern, es sei denn, man arbeitet daran."
Hier wolle er jetzt ansetzen: Ihm gehe es darum, sich stärker den Strukturen zu widmen und rechtlichen Druck aufzubauen, damit Twitter Hassrede schneller lösche. Besonders beschäftige ihn, dass die Plattform trotz "systematischer" Verstöße gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz nie mit Bußgeldern belegt worden sei, sagt Jun.
Der "Blind Spot", also die rechtliche Schwäche, von Twitter seien falsche Tatsachenbehauptungen und Verleumdungen, die durch User veröffentlicht und dann vom Betreiber nicht verfolgt würden. "Da möchte ich in den nächsten Wochen mehr Verfahren vor Gericht bringen."
Einen aktuellen Anlass für sein Comeback nennt Jun in einer Art Manifest, das er bei seiner Rückkehr auf Twitter veröffentlichte: Von der Stadt Potsdam wurde der Würzburger gerade mit dem Max-Dortu-Preis "für Zivilcourage und gelebte Demokratie" ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Grünen-Politikerin Renate Künast, die als Opfer von Hassrede selbst schon von Jun gegen die Plattform Facebook vertreten worden war. Dotiert ist der Preis mit 5000 Euro. Er wolle sie der gemeinnützigen Initiative "HateAid" spenden, sagt Jun.
So können sich User am Kampf gegen Online-Hassrede beteiligen
In seinem "Manifest" kündigt der Würzburger Anwalt auch an, sich stärker zivilgesellschaftlich gegen Hasskriminalität einsetzen zu wollen. Neben der juristischen Verfolgung mutmaßlicher Straftaten auf Twitter wolle er Opfern von Hasskriminalität durch die Unterstützung von "HateAid" bestehen. Zusammen mit HateAid werde er Handreichungen und Maßnahmenkataloge für die Politik entwerfen.
Allen Nutzerinnen und Nutzern, die aktiv gegen Hassrede werden wollen, gibt Jun auf Twitter eine Anleitung mit auf den Weg: Sie sollten Screenshots sichern und die mutmaßlich rechtswidrigen Inhalte dann an Twitter melden. Darüber hinaus brauche es die Bereitschaft, Rechtsansprüche zur weiteren Verfolgung an ihn abzutreten oder gegebenenfalls gemeinsam durch mehrere Instanzen durchzuklagen, sagt der Anwalt: "Ich will diese Fälle vor Gericht bringen."
Wenn die Presse sachlicher berichten würde wäre viel Dampf, sehr viel Dampf aus dem Kessel.
Verstehe im übrigen nicht, warum die MP in zwei großen Berichten darüber berichtet, dass ein Nutzer von Twitter fortan darauf verzichtet und dann medienwirksam wieder nicht.
Ich glaube, in China ist gerade ein Sack Reis umgefallen.
Ich jedenfalls bin froh, mein Abo bei der MP zum kommenden Januar gekündigt zu haben. Bin es leid, solche Berichte mit meinen Abogebühren zu bezahlen.
Herr Jun ist ein bundesweit viel gefragter Experte zum Thema Hasskriminalität im Internet, der mit zahlreichen öffentlichkeitswirksamen Prozessen auf sich aufmerksam gemacht hat.
Viele Leserinnen und Leser interessieren sich für dieses Thema, aus diesem Grund berichtet die Redaktion, wenn wir einen Anlass von öffentlichem Interesse sehen.
Mit freundlichen Grüßen,
Aaron Niemeyer (Redaktion)
Nun, wenn ich die Kommentare hier so lese, scheinen aber nicht so viele ihrer Meinung zu sein.
Ich bin mir übrigens sehr sicher, dass einige der Kommentatoren hier im Forum auf ihre Beiträge verzichten würden müssten sie denn mit Klarnamen zeichnen...
Wieder rein in Twitter ergibt Bericht in der MP
Nette kostenlose Werbung für den Herrn
über den Twitter-Ausstieg von Herr Jun hatten wir berichtet, weil er in Fachkreisen bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt hatte.
Mit freundlichen Grüßen,
Aaron Niemeyer (Redaktion)
orschläge oder gar Lösungen in unserer freiheitlichen Demokratie, in welcher jeder Autor auch stets die Verantwortung für seine Aussage zu übernehmen hat.
Sie haben ja überhaupt keine Ahnung. Ich bin auch nicht auf Facebook oder Twitter aber ich schaue regelmäßig auf YouTube, aber selbst da gibt es soviel Hetze und Propaganda gegen Regierungen usw. das sollte man nicht einfach so weiterlaufen lassen.
Zur Sache: es geht nicht darum "Hetze und Propaganda" zu ignorieren oder "einfach so weiterlaufen" zu lassen - es geht darum, Maß und Mitte zu finden.
Wenn ein cleverer Anwalt sich berufen fühlt, mittels "Manifest" gegen etwas vorzugehen, dann muss auch die andere Seite betrachtet werden: wir haben in diesem Land MEINUNGSFREIHEIT, d.h. auch, dass nicht jeder, der deutlich und klar Kritik und Meinung äußert, nach Belieben kriminalisiert und als "Hetzer" stigmatisiert werden darf.
Gerade rechtskonservative Parteien wie die CSU oder neuerdings offenbar "Die Grünen" (!) sind da gerne dabei, sich aus Schriftsätzen und Pamphleten mit größtmöglicher Dramatik und "Empörung" ein "Schlagwort" oder eine Passage zu selektieren, um Kritik zu unterbinden.
Ich weiß, wovon ich rede...
In der Sache dieses Beitrags bin ich wohl ganz bei @winnem: Das Rein-/Raus-Spiel von Herrn Jun würde ich jetzt allerdings auch eher als kalkulierte, durchsichtige PR-Maßnahme werten. (Und die MP wird bereitwillig zum Wasserträger.)
Oder aber Herr Jun hat diese SoMe-Sucht und kommst schlichtweg noch davon los. Ich bin froh mich von dem Kram nicht (mehr) einlullen zu lassen. Es ist ein sehr viel angenehmeres Leben ohne diesen Müll.