Es ist der fünfte in Deutschland zugelassene Impfstoff gegen das Coronavirus. Und er funktioniert nach einem anderen Prinzip als die bisherigen. Deshalb ruht einige Hoffnung auf dem Vakzin Nuvaxovid des US-amerikanischen Pharmaunternehmens Novavax. Das Präparat könnte noch manche Impfzweifler überzeugen. Die wichtigsten Fragen zum neuen Impfstoff beantwortet Prof. Oliver Kurzai, 46, Inhaber des Lehrstuhls für Medizinische Mikrobiologie und Mykologie an der Uni Würzburg.
Was ist der wesentliche Unterschied zu den bekannten mRNA- und Vektorimpfstoffen?
Nuvaxovid enthält als wirksamen Bestandteil das fertige Spike-Protein von Sars-CoV-2, erklärt Prof. Kurzai. Dagegen ist bei den mRNA-Impfstoffen nur ein Bauplan dafür enthalten (mRNA), bei den Vektorimpfstoffen eine Vorlage für den Bauplan (DNA) – unsere Zellen bilden daraus dann selbstständig das Spike-Protein. Dieses wird bei Nuvaxovid von den Zellen aufgenommen und unserem Immunsystem "präsentiert", um die Abwehr zu trainieren. Damit das gut klappt, enthält Nuvaxovid ein sogenanntes Adjuvans (Wirkverstärker), das brauchen die mRNA- und Vektorimpfstoffe nicht. mRNA-Impfstoffe und Nuvaxovid enthalten als "Verpackung" für den eigentlichen Wirkstoff sogenannte Lipid-Nanopartikel. Bei den Vektorimpfstoffen dienen nicht vermehrungsfähige, nicht krankmachende Viren als Verpackung.
Handelt es sich bei Nuvaxovid um einen Totimpfstoff oder um einen Proteinimpfstoff?
Der Begriff "Totimpfstoff" bezeichnet (im Gegensatz zu Lebendimpfstoffen) normalerweise einen Impfstoff, in dem keine vermehrungsfähigen Erreger enthalten sind. "Nach dieser Definition sind alle aktuell verfügbaren Corona-Impfstoffe Totimpfstoffe", sagt Kurzai. Weil Nuvaxovid das Spike-Protein in einem Lipid-Nanopartikel enthält, ist es sowohl ein Proteinimpfstoff als auch ein Totimpfstoff. Heißt: Der Begriff "Totimpfstoff" wird in der allgemeinen Diskussion für den neuen Impfstoff schief verwendet und meint eigentlich: Das Spike-Protein muss nicht durch körpereigene Zellen gebildet werden.
Ist die Impfung vergleichbar mit jenen gegen Hepatitis B, Tetanus oder FSME?
Die Impfstoffe gegen Hepatitis B und Tetanus sind auch Proteinimpfstoffe und daher mit Nuvaxovid vergleichbar. Beim Tetanus-Impfstoff wird allerdings nur gegen ein Gift, das der Tetanuserreger bildet, geimpft. Daher verhindert die Tetanusimpfung zuverlässig die Erkrankung, aber nicht die Infektion. Der FSME-Impfstoff enthält inaktivierte Viren und ist damit eher mit den chinesischen Covid-Impfstoffen vergleichbar, die in Deutschland nicht zugelassen sind.
Wer kann sich mit dem Vakzin von Novavax impfen lassen?
Seit dem 20. Dezember ist der Impfstoff Nuvaxovid des Herstellers Novavax in der EU zugelassen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt den Impfstoff zur Grundimmunisierung von Personen ab 18 Jahren, weil auch die Zulassungsstudien nur mit Erwachsenen durchgeführt wurden.
Warum sind Schwangere und Stillende von der Impfempfehlung durch die Stiko ausgenommen?
Bei Empfehlungen für Schwangere und Stillende ist die Stiko besonders vorsichtig. "Da es mit Biontech einen Impfstoff gibt, der in Schwangerschaft und Stillzeit gut erprobt ist und exzellent wirkt, gibt es hier aktuell keine Empfehlung der Stiko für Nuvaxovid", erklärt der Mikrobiologe Kurzai. Wenn es in Zukunft mehr Daten gibt, könne sich diese Empfehlung auch ändern.
Wie gut ist die Schutzwirkung von Nuvaxovid?
In der Zulassungsstudie hat Nuvaxovid eine sehr gute Wirksamkeit gezeigt, vergleichbar mit den Studien zu den mRNA-Impfstoffen: Die Gesamtwirksamkeit betrug etwa 90 Prozent, gegen schwere Verläufe schützte die Impfung sogar zu 100 Prozent. Daten aus der breiten Anwendung fehlen allerdings noch. Die meisten Fälle innerhalb der Studie wurden noch durch die Alpha-Variante des Coronavirus verursacht.
Wirkt der Impfstoff überhaupt gegen die Omikron-Variante?
Tatsächlich ist darüber noch wenig bekannt, eben weil die Studien wesentlich mit der Alpha-Variante liefen. Oliver Kurzai erwartet, dass die Wirksamkeit – ähnlich wie bei den anderen Impfstoffen – etwas reduziert sein wird. "Ohne dass es dafür zum aktuellen Zeitpunkt gute wissenschaftliche Daten gibt, gehe ich persönlich davon aus, dass eine vollständige Impfung mit Nuvaxovid auch für die Omikron-Variante zuverlässig vor schweren Verläufen schützen wird", sagt der Experte.
Wie oft und in welchem Abstand muss geimpft werden?
Die Ständige Impfkommission empfiehlt für eine Grundimmunisierung zwei Dosen im Abstand von mindestens drei Wochen.
Ab wann nach der zweiten Impfung gelte ich als vollständig immunisiert?
Nach den aktuellen Vorgaben ist dies ab dem 15. Tag nach der zweiten Impfung der Fall – wie bei anderen Impfstoffen auch.
Wie lange hält eine Grundimmunisierung mit Novavax und wann ist eine Booster-Impfung notwendig?
Dazu gibt es noch keine Daten. Aktuell ist laut Oliver Kurzai am ehesten davon auszugehen, dass die Booster-Empfehlungen gelten wie bei anderen Impfstoffen auch – also am besten im Abstand von etwa sechs (mindestens jedoch drei) Monaten, abhängig von der persönlichen Situation.
Ich bin mit einem anderen Impfstoff grundimmunisiert. Kann ich mich mit Novavax boostern lassen?
Nuvaxovid ist laut Bayerischem Gesundheitsministerium aktuell nicht für das Boostern nach der Erstimpfung mit einem anderen Vakzin (Kreuzimpfung) zugelassen. Kurzai weiß aber zumindest von einer Studie, in der Booster-Impfungen mit Nuvaxovid mit anderen Impfstoffen verglichen wurden. "In dieser Studie hatten die mRNA-Impfstoffe einen höheren Booster-Effekt als Nuvaxovid." Welche Rolle Nuvaxovid bei Booster-Impfungen spielen kann, werde sich erst noch herausstellen.
Welche Impfreaktionen sind bei Nuvaxovid bekannt?
Impfreaktionen sind bei Nuvaxovid häufig und treten insbesondere nach Gabe der zweiten Dosis auf. Zu den am häufigsten beobachteten Impfreaktionen zählen Schmerzen an der Einstichstelle, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Übelkeit. Fieber trat sehr selten auf. "Die Impfreaktionen sind insgesamt in Art und Ausmaß sehr ähnlich wie bei den anderen Covid-Impfstoffen", sagt Kurzai.
Welche Nebenwirkungen sind bekannt?
Es gab in der Zulassungsstudie keine schweren Nebenwirkungen, die sicher auf den Impfstoff zurückgeführt werden konnten. Ähnlich wie bei den mRNA-Impfstoffen sind für sehr seltene Nebenwirkungen erst mit der breiten Verwendung von Nuvaxovid ausreichende Daten zu erwarten.
Wie bewerten Sie das Vakzin von Novavax im Vergleich zu den bisherigen Impfstoffen?
Die Einschätzung von Oliver Kurzai: "Mit Nuvaxovid steht ein weiterer hochwirksamer Sars-CoV-2-Impfstoff zur Verfügung. Durch die strengen Zulassungsverfahren in der EU ist es bisher gelungen, dass in Europa nur die besten und sichersten der weltweit entwickelten Covid-Impfstoffe zum Einsatz kommen." Aktuell gebe es allerdings für Nuvaxovid noch nicht so viele Daten wie für die bereits seit längerem eingesetzten mRNA- und Vektorimpfstoffe.
Warum warten bisher Ungeimpfte auf den "Totimpfstoff"? Können Sie das nachvollziehen?
In persönlichen Gesprächen erlebt Kurzai Ungeimpfte, die über ihre Angst vor "genbasierten Impfstoffen" sprechen und damit Vektorimpfstoffe oder mRNA-Impfstoffe meinen. "Aus wissenschaftlicher Sicht ist das unbegründet und aus medizinischer Sicht haben wir mittlerweile Erfahrungen aus mehreren Milliarden verabreichter Dosen. Daher kann ich diese Sorgen persönlich nicht nachvollziehen. Aber: Wenn sich jemand mit dem Proteinimpfstoff aus welchen Gründen auch immer sicherer fühlt, ist das jetzt eine gute Option für die Impfung."
Ab wann und wo kann ich mich mit Nuvaxovid impfen lassen?
1,4 Millionen Einzeldosen sollen in der Woche ab dem 21. Februar an Deutschland, gut 220 000 Dosen davon nach Bayern ausgeliefert werden. Weitere 2,6 Millionen Dosen (ca. 400 000 für Bayern) kommen in den drei Folgewochen. Von den Lieferungen müssen die Dosen für die Zweitimpfungen zurückgestellt werden. Zunächst ist laut Gesundheitsministerium nur die Auslieferung an die Impfzenten geplant. Von hier aus sei eine Weitergabe an Praxen, Kliniken und Betriebsärzte möglich. Hausärztinnen und Hausärzte müssen darauf warten, könnten aber bereits jetzt Listen mit Interessenten anlegen, sagt Christian Pfeiffer, Bezirksvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes. Nach Auskunft von Dr. Christoph Zander, leitender Impfarzt im Würzburger Impfzentrum, sollen für das Personal aus Gesundheitsberufen ab dem 17. Februar Termine für eine Impfung mit Nuvaxovid online über das Impfportal (Bayimco) zu buchen sein.
Warum wird der Impfstoff in Bayern zunächst dem Personal in Gesundheitsberufen vorbehalten?
Der Impfstoff ist noch knapp. Deshalb haben die Gesundheitsminister der Bundesländer beschlossen, Nuvaxovid zunächst bevorzugt Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich anzubieten, die unter die berufsbezogene Impfpflicht ab Mitte März fallen. Auch wenn diese nun in Bayern ausgesetzt wird: An der Priorisierung ändere dies nichts, so eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. Auch vulnerable Personen sollen berücksichtigt werden, wenn nach einer Erstimpfung mit bisherigen Präparaten ernste Nebenwirkungen aufgetreten sind. Wann der Impfstoff für die ganze Bevölkerung freigegeben wird, ist laut Gesundheitsministerium noch nicht klar. Voraussichtlich in einigen Wochen könnte es soweit sein.