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Würzburg
Neue Stolpersteine: Zentralratspräsident Josef Schuster spricht von "einmaliger Art des Gedenkens"in Würzburg
Elf neue Stolpersteine an acht Standorten wurden in dieser Woche verlegt. Bei einer Begleitveranstaltung stand das Schicksal jüdischer Mediziner im Fokus.
Einer von elf neuen Stolpersteinen: Rund 40 Menschen nahmen an der Stolpersteinverlegung für  Johanette Frank (1858-1942), Frau des Würzburger Weinhändlers Otto Frank, in der Rottendorfer Straße 9 teil. Neben Oberbürgermeister Christian Schuchardt sprach mit Norma Moruzzi auch eine Nachfahrin aus den USA.
Foto: Patty Varasano | Einer von elf neuen Stolpersteinen: Rund 40 Menschen nahmen an der Stolpersteinverlegung für Johanette Frank (1858-1942), Frau des Würzburger Weinhändlers Otto Frank, in der Rottendorfer Straße 9 teil.
Patrick Wötzel
 |  aktualisiert: 22.04.2024 02:39 Uhr

707 der kleinen goldfarbenen Messingplatten sind es inzwischen, die in Würzburg vor den ehemaligen Wohnhäusern von Opfern des NS-Regimes in den Boden eingelassen wurden – elf neue Stolpersteine sind an diesem Mittwoch an acht Stationen dazu gekommen. Sie erinnern an Würzburgerinnen und Würzburger, die von den Nationalsozialisten in die Vernichtungslager verschleppt und dort ermordet wurden. Die meisten von ihnen waren Jüdinnen und Juden.

Es war die 34. Verlegung, seit der Stadtrat vor knapp zwanzig Jahren beschlossen hat, dass Würzburg sich an der Aktion des Berliner Künstlers Gunter Demnig beteiligt, der die Namen von Opfern der Nazi-Gräueltaten seit 1996 europaweit sichtbar macht. Würzburg hat in Bayern den größten Anteil an diesem dezentralen Mahnmal.

Neue Stolpersteine: Zentralratspräsident Josef Schuster spricht von 'einmaliger Art des Gedenkens'in Würzburg

Themenschwerpunkt: Schicksal jüdischer Ärzte in der NS-Zeit

"Die Art, wie das Gedenken und die Verlegung der Stolpersteine in Würzburg erfolgt, ist in Deutschland einmalig", sagte Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, am Mittwochabend vor über 400 Menschen, darunter viele Studierende, im voll besetzten Hörsaal des Rudolf-Virchow-Zentrums der Uni-Klinik. Einmalig deshalb, weil jede Stolperstein-Verlegung mit einer Abendveranstaltung mit unterschiedlichen Themenschwerpunkte ergänzt wird. Dieses Mal ging es um das Schicksal jüdischer Ärzte in der NS-Zeit.

Schuster hat in seiner Heimatstadt Würzburg Medizin studiert. Er könne sich keinen besseren Ort als einen Hörsaal des Uni-Klinikums für die Rückschau auf dieses dunkle Kapitel der Medizingeschichte vorstellen: "Junge Studierende von heute prägen die medizinethischen Standards von morgen", sagte der Zentralratspräsident. Von allen Akademikergruppen waren die Ärzte am häufigsten Mitglieder von NSDAP, SA oder SS und hatten einen großen Anteil daran, die Rassenlehre und den Antisemitismus gesellschaftlich zu legitimieren, so Schuster: "Arztpraxen wurden zum Schauplatz des nationalsozialistischen Rassenwahns."

Rund 40 Menschen besuchen die Stolpersteinverlegung für  Johanette Frank in der  Rottendorfer Straße 9 in Würzburg. 
Foto: Patty Varasano | Rund 40 Menschen besuchen die Stolpersteinverlegung für Johanette Frank in der  Rottendorfer Straße 9 in Würzburg. 

Auch in der heutigen Zeit würden Jüdinnen und Juden an deutschen Bildungseinrichtungen wieder zunehmend bedroht: "Die Verwissenschaftlichung von Menschenfeindlichkeit und Verbrechen hat an Universitäten in Deutschland leider eine weitreichende Tradition." Deswegen sei es wichtig, dass Studierenden im Fach Medizingeschichte auch das Wissen über das NS-Euthanasieprogramm, die Zwillings-Versuche von Josef Mengele und die medizinischen Experimente in den Konzentrationslagern vermittelt werde. Jüdinnen und Juden sollten im kollektiven Erinnern aber nicht ausschließlich als Opfer erscheinen, betonte Schuster: "Sie haben mit wissenschaftlichen Durchbrüchen die Medizingeschichte entscheidend mitgestaltet."

Stolperstein für Johanette Frank, die 1942 im hohen Alter in Theresienstadt ermordet wurde.
Foto: Patty Varasano | Stolperstein für Johanette Frank, die 1942 im hohen Alter in Theresienstadt ermordet wurde.

In Würzburg wird eine "Klara-Oppenheimer-Route" entwickelt

Im Mittelpunkt des Themenabends stand ein Vortrag der Historikerin Linda Damskis, die unter anderem aufzeigte, wie das NS-Regime jüdischen Medizinerinnen und Medizinern systematisch die berufliche, soziale und wirtschaftliche Existenz raubte. Viele von ihnen starben in den Vernichtungslagern, andere konnten rechtzeitig auswandern und mussten sich im Exil eine neue Existenz aufbauen.

Oberbürgermeister Christian Schuchardt sprach während der Stolperstein-Verlegung in der Rottendorfer Straße.
Foto: Patty Varasano | Oberbürgermeister Christian Schuchardt sprach während der Stolperstein-Verlegung in der Rottendorfer Straße.

Eine von ihnen war die Würzburger Kinderärztin Klara Oppenheimer, die im September 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde, wo sie im Mai 1943 starb. Die nach ihr benannte städtische Berufsschule hat zusammen mit dem Arbeitskreis Stolpersteine und dem Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken eine "Klara-Oppenheimer-Route" vom Wohnhaus der Familie in der Sanderau durch die Innenstadt bis zum DenkOrt Deportationen am Hauptbahnhof entwickelt.

Die Route führt zu verschiedenen Lebensstationen von Klara Oppenheimer, wird am 17. Mai eröffnet und soll "vor allem junge Menschen ansprechen und den historischen Kontext der Zeit des Nationalsozialismus vermitteln", erläuterte Christoph Zobel, Lehrer an der Klara-Oppenheimer-Schule.

Ausführliche Infos zu den Biografien aller Opfer unter www.stolpersteine-wuerzburg.de.

 
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  • Heribert Mennig
    "Biblisch ist das Gedenken nicht..." Es hat nie jemand behauptet, dass das Gedenken biblisch sein soll. Die Nazis hatten mit der Bibel auch nix am Hut. Die haben einfach Leute vernichtet, die ihnen nicht passten. Die jüdische Bevölkerung wurde vernichtet, weil die Nazis der Meinung waren, dass diese an allem Möglichen "schuld" waren. Ihnen wurde abgesprochen überhaupt Menschen zu sein. Außer der jüdischen Bevölkerung wurden auch Sinti, Roma und nicht "linientreue Deutsche" in die Vernichtungslager geschickt. Nicht zu vergessen die geistig und körperlich Behinderten. Das alles hat nichts biblisches oder religiöses als Ursache gehabt. Aus meiner Sicht litten die Nazis an kollektivem Schwachsinn. Nur so lässt sich die grauenhafte Menschenverachtung überhaupt erklären. Die Stolpersteine sollen an diese Unmenschlichkeit erinnern. An all das denke ich, wenn ich an den Steinen vorbei komme. Dabei wird mir Angst und Bange, weil dieser kollektive Schwachsinn heute wieder um sich greift!
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  • Martin Deeg
    Ja, die Menschen und die Charaktere haben sich ja nicht geändert, nur die strukturellen Rahmenbedingungen, inwieweit sich Menschenverachtung Bahn brechen kann.

    Und nicht zu vergessen, auch die zahllosen Wegschauer und Passiven, die diese Taten damals erst ermöglichten, indem sie nichts taten, nichts „wussten“….
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  • Norbert Meyer
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  • Hans-Georg Heim
    Mich führen meine Gedanken einen Moment lang in diese Zeit, wenn ich so einen Stein auf meinem Weg überquere und ich überlege, ob mir der jeweilige Name etwas sagt und wer diese Menschen wohl waren. Bei mir erfüllen die Gedenksteine ihren Zweck und ich denke, so wie mir wird es auch vielen anderen gehen, also gute Aktion.
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  • Martin Dobat
    Ich glaube nicht, dass die Stolpersteine dazu beitragen, nachdenklich zu werden. Für Angehörige mag es eine nette Geste sein. Biblisch ist das Gedenken nicht, für mich persönlich ist es der falsche Weg!
    Lieber Gruß
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  • Dietmar Eberth
    Was ist ihr Weg?
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  • Gregor Ziems
    Würde mich auch mal interessieren wie ein richtiger, biblischer(was auch immer das bedeuten soll, vielleicht wie bei Williamson? ) Weg aussehen soll?
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  • Martin Dobat
    Hallo, das würde ich Ihnen sehr gerne erklären, denke, dass das hier im Forum nicht möglich ist. Nehmen Sie gerne Kontakt mit mir auf, oder werfen einen Blick auf meine Homepage (cafe-milchladen).
    Lieber Gruß
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  • Dietmar Eberth
    Hat sich an ihren Aussagen etwas geändert?

    „Die Juden müssen erkennen, dass sie über die Jahrhunderte schuldig geworden sind“
    „Es wird Zeit, dass Menschen aufstehen und die Juden mit der biblischen Wahrheit konfrontieren“
    „Gott hat keine Wahl, als die Juden noch tiefer und intensiver zu bestrafen, als das im Holocaust der Fall war“
    https://www.wuerzburgerleben.de/2013/08/09/der-holocaust-als-strafe-fuer-die-juden-religioese-hetze-im-milchladen/
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  • Heribert Mennig
    Doppel-Post
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  • Klaus B. Fiederling
    finde ich sehr gut, diese "Stolpersteine" zum Gedenken an NS-Opfer und andere Unglücke.
    Weiter so.
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  • Klaus Krug
    Was meinen Sie bitte mit Unglücke? Das waren Verbrechen der schlimmsten Art.
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