In Krisenzeiten siegt oftmals der Egoismus über das Allgemeinwohl. Die leeren Supermarktregale zeigen es: War es zu Beginn der Corona-Pandemie das Klopapier, schnappen sich Kundinnen und Kunden jetzt vor allem Speiseöl und Mehl. Hintergrund: der Krieg in der Ukraine mit seinen Folgen. In einigen Supermärkten in der Region werden deshalb teilweise nur noch haushaltsübliche Mengen verkauft.
Dr. Robert Wirth ist Psychologe und forscht an der Universität Würzburg über Kognition und Verhalten. Im Gespräch erklärt der 32-Jährige, warum der Mensch in Krisenzeiten hamstert, welche Angst dahinter steckt - und ob es sich dabei um ein deutsches Phänomen handelt.
Dr. Robert Wirth: Dafür gibt es sicher mehr als einen Grund – und auch oft sehr individuelle Beweggründe. Die meisten von uns sind in der privilegierten Situation aufgewachsen, dass wir vor Corona nie eine Pandemie durchleben mussten, und die Kriegsgeschehen der vergangenen Jahrzehnte immer "weit weg" wirkten, ohne dass wir die Konsequenzen direkt miterleben mussten. Die aktuelle Situation macht vielen Leuten Angst.
Wirth: Es ist die Angst vor einer unbekannten und unkontrollierbaren Situation. Ich denke, es hat viel damit zu tun, dass wir gerade einen kollektiven Kontrollverlust erleben. Unser Alltag wird – und wurde in den vergangenen Jahren – sehr stark von äußeren Einflüssen geprägt und eingeschränkt, gegen die wir nichts tun können. Keiner von uns ist in der Lage, den Ukraine-Krieg zu beeinflussen, so wie auch die wenigsten dazu im Stande waren, einen Impfstoff in der Corona-Pandemie zu entwickeln. Wenn wir uns machtlos fühlen, dann suchen wir Situationen auf, in denen wir Kontrolle ausüben können – oder zumindest das Gefühl von Kontrolle wiedererlangen können. Hamsterkäufe sind daher ein Sicherheitsverhalten, das uns das Gefühl gibt, zumindest irgendetwas gegen unkontrollierbare äußere Umstände zu tun. Und auch gleichzeitig ein Versuch, die Konsequenzen dieser Umstände zu mindern.
Wirth: Neben den genannten Gründen, die das Individuum betreffen, kommen gruppendynamische Prozesse hinzu. Wenn alle auf einem Schiff zu den Rettungsbooten rennen, dann rennen Sie mit, ganz egal ob das Schiff gerade sinkt oder nicht. Wir glauben oft, dass eine Gruppe von Menschen weniger fehleranfällig ist als ein Einzelner, daher richten wir unser Verhalten oft an dem der Gruppe aus – auch wenn wir es eigentlich besser wissen. Das Phänomen verstärkt sich also leider häufig selbst. Wir bemerken, dass andere Leute Hamsterkäufe tätigen - und machen mit, weil wir nicht die einzigen sein wollen, die auf einen möglichen Ernstfall nicht vorbereitet sind. Dadurch tragen wir aber nur noch mehr zum Problem bei, weil wir die wenigen verfügbaren Ressourcen noch mehr verknappen und dadurch noch mehr Leute auf die Idee kommen, sie müssten Hamsterkäufe tätigen.
Wirth: Auf keinen Fall. Wir sehen, dass Menschen weltweit auf diese Situationen, die mit viel Unsicherheit einhergehen, sehr ähnlich reagieren. Es scheint sich also nicht um ein kulturelles Phänomen zu handeln.
Wirth: Dazu gibt es tatsächlich einiges an Forschung, die zeigt, dass vor allem finanziell besser gestellte Menschen hamstern, was nicht sonderlich überraschend ist. Immerhin benötigen Hamsterkäufe Geld und auch Lagerraum. Außerdem sind es Menschen, die die momentane Situation als besonders bedrohlich und unsicher empfinden, so dass die Hamsterkäufe diesen Menschen ein Gefühl von Kontrolle wiedergeben. Interessanterweise zeigen sich keine Zusammenhänge mit dem Alter oder Geschlecht.
Wirth: Diese Frage impliziert, dass das Hamstern ein völlig irrationales Verhalten sei, fast wie eine Übersprunghandlung. Das ist nicht zwingend der Fall. Wir sehen ja, dass nur Produkte, die aufgrund von Lieferschwierigkeiten knapp sind, auf Vorrat gekauft werden. Insofern unterscheidet sich das momentan beobachtbare Verhalten schon mal von dem in den frühen Phasen der Corona-Pandemie, in der recht pauschal alle möglichen Produkte mit langem Mindesthaltbarkeitsdatum gehamstert wurden. Wir müssen also erst einmal feststellen, dass das Kaufen auf Vorrat von Alltagsprodukten im Kontext der entsprechenden Situation ein ganz rationales Verhalten war. Wir können regelmäßig etwas ähnliches beobachten, wenn zum Beispiel vor Feiertagen die Supermärkte fast leergekauft werden, weil man absehbar für ein paar Tage nichts einkaufen kann. Auch hier kaufen viele deutlich mehr ein, als sie absehbar für die Feiertage brauchen. Momentan ist nicht klar, wie lange die Engpässe anhalten – und ohne Ende in Sicht werden oft auch Vorräte ohne Ende angelegt.
Wirth: Hamstern ist eine ganz natürliche Antwort auf eine Stresssituation. Und wie gesagt, es ist auch kein völlig irrationales Verhalten. Es kann aber durchaus eher emotional motivierte Anteile haben. Stellen Sie sich vor, Sie lesen in den Nachrichten, dass Sonnenblumenöl und Mehl knapp sind. Sie haben also nicht mehr wie sonst die Freiheit, zu jedem Zeitpunkt einfach ein Päckchen Mehl im Supermarkt mitzunehmen. Sie fühlen sich eingeschränkt, und solche Einschränkungen gehen oft mit Überkompensation einher. In der Psychologie nennen wir das Reaktanz, im allgemeinen Sprachgebrauch könnte man es schon fast mit "Trotz" umschreiben. Wenn Sie also das nächste Mal im Supermarkt Mehl auf Vorrat sehen, dann packen Sie nicht nur das eine Päckchen ein, das Sie vielleicht brauchen, sondern gleich mehrere, weil Sie es ja jetzt können. Wer weiß, wann sich das nächste Mal diese Situation ergibt? Fragen Sie sich also jedes Mal: Kaufe ich diese Menge gerade, weil ich sie brauche - oder einfach, weil ich es kann?
Wirth: Nein.
Da frag ich nun mal alle in diesem Forum: Wer war der Hamsterer von den Palettennägeln und dem Palettenholz, den es können wegen euch aktuell keine Paletten gebaut werden! Oder wer von euch war vor ein paar Wochen der Hamsterer die vielen Papiertüten gehamstert hat, den die Bäcker konnten keine Papiertüten mehr ordern! Frei raus und ganz ehrlich, wer hier im Forum war das nun wieder?????? (Von den fehlenden Autochips mal ganz zu schweigen)
Seht es doch ein Leute, wir in Deutschland können keine Flughäfen mehr bauen und wir können nichts mehr allein produzieren und zeitgerecht dem Markt zur Verfügung stellen. Kein Händler hat mehr ein Lager! In besonderen Situationen funktioniert das Lager "Europäische Autobahn" einfach nicht mehr! Ganz einfach!
Daß aber mittlerweile viele Menschen sich auf das Niveau durchaus putziger Nagetiere begeben, darüber kann man durchaus kritisch nachdenken.
Für so was hat der sicher keine Zeit, der muss schließlich hamstern, um zu überleben....
Wer 14 Tage vor leere Regalen stand nimmt ganz logischer Weise dann gleich zwei Flaschen Öl wenn es endlich wieder was gibt. Das hat nicht mit hamsten zu tun und da braucht es auch keine psychologische Beratung fürs dumme Volk!
Und das die Regale überhaupt leer waren liegt daran, das keine Händler und Zwischenhändler mehr ein Lager haben. Das haben die Beraten ihnen ausgeredet!
Und in besonderen Situationen funktioniert das Lager "Autobahn" einfach nicht mehr! Ganz einfach!
Aber jetzt im ernst: Mir wird angesichts des irrationalen und asozialen Verhaltens dieser Hamsterinnen Angst und bange, wenn aus welchem Grund auch immer Mal was wirklich wichtiges knapp werden sollte. Um mich nicht falsch zu verstehen: Mehl und Öl sind natürlich wichtig, aber nicht in dem Umfang, in dem sie von einigen jetzt gehortet (und dann u.U weg geschmissen) werden LP
Übrigens, eine Anmerkung zu den immer wieder angeführten Behauptungen, dass "einige Märkte verkaufen nur noch in begrenzter Menge": äh, ich habe seit Wochen in keinem Markt überhaupt noch Mehl oder Öl gesehen. Die verkaufen alle also genau genommen gar nichts. 😁
2. Über die möglicherweise örtlich-soziologischen Unterschiede beim Hamstern könnte ja "unser" Psychologe mal ne Untersuchung anstellen und was wirklich Neues zum Thema Hamstern beitragen
Und ja, ich könnte mir vorstellen, dass das Hamstern eine soziale und auch eine Generationen-Komponente hat.
Übrigens gibt es noch Schlimmeres als Hamstern. Ich habe schon von mehreren Personen mitgekriegt, dass sie über die Anschaffung einer Waffe zumindest nachdenken, um dann im Ernstfall ihr Gehamstertes gegen Nicht-Hamsterer verteidigen zu können. Die Grenze der Zivilisation zum Archaischen wird dünn...