Eltern, die ihr Kind aufgrund der Corona-Schließungen nicht in Krippe, Kindergarten oder Hort betreuen lassen konnten, sollen für April, Mai und Juni keine Gebühren bezahlen müssen; dies hatte die Bayerische Staatsregierung bereits am 28. April angekündigt. Einrichtungen, die auf die Elternbeiträge verzichten, sollen dafür pro Kind eine Pauschale vom Freistaat erhalten. Die Befreiung von den Gebühren gilt aber nur, wenn das Kind keinen einzigen Tag des Monats in der Notbetreuung war. Der Kindergartenverein Estenfeld findet diese Regelung zu pauschal und hat ein gestaffeltes Bezahlmodell entwickelt. Ein Einzelfall? Wir haben mit verschiedenen Einrichtungen im Landkreis gesprochen.
Seit 9. Juni liegen die offiziellen Informationen des Familienministeriums zum Thema Elternbeiträge und Beitragsentlastung vor. Die Pauschale für die Einrichtungen für April, Mai und Juni beträgt demnach pro Monat 300 Euro für ein Krippenkind, 150 Euro für ein Kindergartenkind und 100 Euro für ein Schulkind. Im Gegenzug dürfen die Einrichtungen keine Elternbeiträge erheben. Ob der jeweilige Träger der Kitas das Angebot der Staatsregierung annimmt, bleibt ihm selbst überlassen. Voraussetzung für den Erhalt der Pauschalen bleibt, dass die Kinder im jeweiligen Monat tatsächlich an keinem Tag betreut wurden.
"Tagesregelung" statt pauschaler Regelung
„Viele Eltern haben die Notbetreuung nur ein oder zwei Tage im Monat genutzt“, sagt Holger Hörmann, Verwaltungsleiter des Kindergartenvereins Estenfeld, der dem Caritasverband angehört. Eltern, die ansonsten den Corona-Alltag mit den Kindern gut improvisiert hätten, könnten sich „bestraft“ fühlen, so seine Befürchtung. „Uns erschien die Regelung als zu pauschal und nicht wirklich fair.“
Seine Vorstandskollegen und er haben sich daher eine „Tagesregelung“ ausgedacht: Eltern, die ihr Kind bis zu fünf Tage im Monat betreuen ließen, zahlen keinen Beitrag. Für sechs bis zehn Tage werden 50 Prozent des Monatsbeitrags fällig, ab elf Tagen der volle Beitrag. Für alle Kinder, die weniger als elf Tage im Monat die Notbetreuung genutzt haben, bekommt der Kindergarten-Verein Estenfeld also weder die Pauschale vom Freistaat, noch den (vollen) Elternbeitrag.
„Das Ganze kostet unseren Verein Geld – bis zu einem Drittel der Beiträge sind an Einbußen denkbar“, stellt Hörmann fest. Die finanzielle Entlastung für die Eltern ist auch durch die aktuelle wirtschaftliche Situation des Kindergartenvereins, möglich. „Da wir von drei auf vier Einrichtungen wachsen, haben wir Fördergeld-Nachzahlungen erhalten“, so Hörmann. Mit dem Überschuss aus dem vergangenen Jahr könne man die Kosten, die dem Verein nun entstehen, gerade decken.
Doch bei insgesamt 400 Kindern macht die individuelle Regelung viel Arbeit: Manuell muss in ein Programm eingegeben werden, welches Kind wann da war; etwa eine Woche plant Hörmann als Extra-Arbeit ein. Für den Verwaltungsleiter ist es die Arbeit wert: „Es ist auch ein Zeichen der Wertschätzung an die Eltern.“ Dass nicht jede Einrichtung einen solchen zusätzlichen Aufwand stemmen kann, ist ihm bewusst. „Wir haben den Luxus einer eigenen Verwaltung“, so Hörman; wer ausschließlich pädagogisches Personal habe, könne eine solche Zusatzarbeit kaum stemmen.
Angst vor Insolvenz des Kindergarten-Vereins
„Die Gekniffenen der Richtlinie der Bayerischen Staatsregierung sind die Eltern und die Träger der Kitas“, sagt Daniel Staffen-Quandt. Er ist Vereinsvorsitzender des Kindergartens St. Josef in Bütthard, in dem rund 100 Kinder betreut werden. Der Kindergarten ist ein eingetragener Verein; der von den Eltern gewählte Vorstand fungiert als Geschäftsführung. Die Arbeit der Vorstandsmitglieder, meist Eltern, ist ehrenamtlich.
„Am Anfang des Lockdowns hatten wir Angst, dass unser Verein in die Insolvenz rutscht“, sagt Staffen-Quandt. Lange sei nicht klar gewesen, ob es für Kitas eine Entlastung von Seiten des Staats geben werde – klar sei dagegen, dass man für eine Leistung, die man nicht abrufen kann, nicht bezahlen muss. „Dazu gibt es höchstrichterliche Urteile“, so der Vereinsvorsitzende. Doch wenn man als Träger einer Einrichtung keine Beiträge erheben kann, und die Mitarbeiter nicht in Kurzarbeit geschickt werden können, wird das Geld schnell knapp – schließlich dürfe man als gemeinnütziger Träger maximal Rücklagen in Höhe von drei Brutto-Monatslöhnen für die Mitarbeiter bilden, so Staffen-Quandt.
Trotzdem hat man auch in Bütthard eine Regelung gefunden, wie man den Eltern entgegenkommen kann: Vorschulkinder, die erst in der letzten Maiwoche wieder den Kindergarten besuchen durften, zahlen im Mai nur ein Viertel des Monatsbeitrags. Für diese Kinder erhält der Kindergarten im Mai dementsprechend keine Pauschale vom Staat. Auch Kinder, die erst ab Mitte Juni wiederkommen durften, zahlen nur anteilig. Wer dagegen Anspruch auf Notbetreuung hatte und sie mindestens einen Tag im Monat genutzt hat, zahlt den vollen Beitrag.
Viele Eltern sehen Kindergarten als Dienstleister
Es gebe Eltern, die sich darüber beschwerten, so Staffen-Quandt. „Ich verstehe sie – doch wenn es den Kindergarten vor Ort noch nach Corona geben soll, muss man diese Kröte schlucken.“ Man gebe sich höchste Mühe, dass alles im Sinn der Kinder und Eltern laufe, sagt der Vereinsvorsitzende. „Wir wollen und dürfen keinen Gewinn erwirtschaften.“
Er beobachtet, dass Eltern den Kindergarten immer mehr als Dienstleister betrachten. „Wer zahlt, erwartet dafür eine Leistung“, sagt Staffen-Quandt. Dass Kindergärten auf dem Land meist von Vereinen betrieben würden, die sich aus Ehrenamtlichen zusammensetzen, die die Arbeiten in ihrer Freizeit erledigen, würde oft nicht gesehen. „Da muss sich der Kassier abends hinsetzen und 120 Buchungen zurückzahlen“, so Staffen-Quandt. Sein Fazit: „Wir kommen mit einem blauen Auge davon – andere Einrichtungen nicht.“
Gut gemeinte Regelung, die viel Arbeit macht
Im Kindergarten St. Thekla in Ochsenfurt, dessen Träger die Katholische Kirchenstiftung St. Thekla ist, hält man sich ohne Ausnahme an die Vorgaben der Staatsregierung: „Wenn ein Kind einmal da war, zahlen die Eltern den vollen Monatsbeitrag“, so Andreas Czotscher, Mitglied der Kirchenverwaltung und zuständig für den Kindergarten.
Während der Monate April, Mai und Juni habe man keine Beiträge eingezogen, da man nicht wusste, welche Kinder kommen würden, sagt Czotscher. In den ersten Wochen des Lockdowns sei keines der rund 50 Kinder in der Notbetreuung gewesen, ab Ende April sei die Nachfrage gestiegen.
Da die Elternbeiträge relativ gering sind – eine Vollbuchung kostet monatlich 107 Euro – habe man auf eine Sonderregelung für einzelne Gruppen von Kindern verzichtet, sagt Czotscher. „Der Verwaltungsaufwand wegen der Aussetzung der Beiträge ist sowieso hoch – die Regelung der Bayerischen Staatsregierung ist gut gemeint, macht aber viel Arbeit“, meint Czotscher.
Jede Einrichtung entscheidet selbst
Fazit: Wie die einzelnen Einrichtungen mit der Regelung umgehen, bleibt ihnen selbst überlassen. "Der Beitragsersatz ist ein Angebot des Freistaats Bayern an die Träger der Kindertagesbetreuung", heißt es in einem Newsletter des Familienministeriums. Und weiter: "Wie sich die teilweise Inanspruchnahme der Notbetreuung auf die Elternbeiträge auswirkt, richtet sich nach dem jeweiligen Betreuungsvertrag."
Im Vergleich zu anderen Regionen in Bayern kommen die Träger von Kitas in Unterfranken dennoch relativ gut davon. In München etwa decken die Pauschalen der Regierung die Kosten eines Kitaplatzes bei weitem nicht. „Für München sind die Pauschalen zu wenig“, so Hörmann, „für unsere Region ersetzen sie den Trägern in etwa den Ausfall.“