
Für die betroffenen Eltern ist die Ungewissheit quälend: Was wurde mit ihren Kindern in der Kita in Greußenheim (Lkr. Würzburg) gemacht? Eine 30-jährige Erzieherin ist angeklagt, dort 2021 in acht Fällen Kleinkinder vorsätzlich verletzt zu haben. Ihrer Vorgesetzten wird vorgeworfen, das nicht verhindert zu haben.
Zum Auftakt des Prozesses am Würzburger Landgericht sagte die 30-Jährige, sie habe die ihr anvertrauten Kleinkinder kräftiger angepackt als angemessen - aber nicht misshandelt. Die damalige Gruppenleiterin berichtete dagegen, die Kollegin habe die Kinder brutal auf den Boden gezerrt, gegen ihren Willen gefüttert und eingesperrt.
Um herauszufinden, was in der Kita wirklich vorgefallen ist, wurden an diesem Freitag am Landgericht Mitarbeiter der Kita und der Kommune, ein Rechtsmediziner und Eltern befragt.
Der heftigste Fall laut Anklage: Bei einem Sturz aus 1,20 Meter wurde ein anderthalb Jahre alter Junge am Kopf verletzt. Die 37-jährige Gruppenleiterin habe ihr damals beim Abholen des aufgelösten Kindes von "einem kleinen Unfall beim Stoß gegen eine Tischkante" erzählt, schildert die Mutter im Zeugenstand.
"Ich habe ihnen vertraut", sagt sie unter Tränen über die Erzieherinnen. Die "riesige Beule" ihres Sohnes habe sie daheim gekühlt. "Ich schäme mich und mache mir große Vorwürfe, dass ich nicht zum Arzt gegangen bin."
Dem rechtsmedizinischen Sachverständigen zufolge hätte der Sturz aus dem Bett zu einem lebensgefährlichen Schädel-Hirn-Trauma führen können. Keine Aussage könne er dazu machen, ob der Sturz ein Unfall war oder Absicht.
Die Eltern wissen nicht, ob ihr Kind noch mehr erlitten hat
Die Eltern fragen sich: Hat ihr kleiner Sohn noch mehr erlitten und könnten seine "massiven Essen- und Schlafprobleme" in dieser Zeit davon herrühren? "Wir machen uns Vorwürfe, dass wir nicht eingeschritten sind", sagt der Vater gegenüber der Redaktion. Der Junge sei eigentlich gerne in die Kita gegangen.
Für das Gericht ist es nicht einfach, die Wahrheit herauszufinden. Es analysiert die einzelnen Anklagepunkte genau und versucht, sich ein Bild von den Persönlichkeiten und Situation der beiden Angeklagten zu machen. Auch die Rolle der Kindergartenleitung sowie der Gemeinde als Trägerin bei der Aufklärung wird untersucht.
Kita-Leiterin wusste von privaten Spannungen zwischen den Angeklagten
"Strenger" sei der Erziehungsstil der 30-Jährigen gewesen, sagt die damalige Kita-Leiterin im Zeugenstand. "Aber Grenzüberschreitungen gab es dabei nicht." Von Spannungen zwischen den beiden Erzieherinnen habe sie im Vorfeld gehört - von möglichen Übergriffen aber nicht. Erst im September 2022 hätte ihr die Gruppenleiterin davon berichtet.
Die 30-Jährige habe alles abgestritten. Da die mutmaßlichen Vorfälle damals schon ein Jahr zurücklagen, sei das Aufklären schwierig gewesen: "Es stand Aussage gegen Aussage, wir hatten keine handfesten Beweise", sagte die ehemalige Leiterin. Man habe die beschuldigte Erzieherin in eine andere Gruppe versetzt und beobachtet.
Leitender Beamter: Gemeinde muss ihre Mitarbeiter vor Beschädigungen schützen
Ein leitender Beamter der Gemeinde war im Dezember 2022 am Versuch der Aufklärung beteiligt, nachdem sich Eltern mit Vorwürfen an die Kindergartenleitung gewandt hatten. Er moderierte er ein Gespräch mit betroffenen Eltern, suspendierte die Erzieherinnen und schaltete die Polizei ein.
"Den Eltern gegenüber haben wir alles transparent gemacht", sagt der Beamte. Klar sei aber auch, dass die Gemeinde als Arbeitgeber Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Falschaussagen schützen müsse: "Wir können nicht Dinge herausposaunen, die nicht bewiesen sind".
Die Verhandlung wird am 2. Mai fortgesetzt