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Würzburg
Möglicher Mietbetrug in Würzburg: Stadt erwägt Schadenersatzansprüche gegen Vermieter
Hat ein Vermieter mit der Wohnungsnot in Würzburg lukrative Geschäfte in großem Stil gemacht? Die Stadt Würzburg lässt Mietverhältnisse jetzt "aufwändig prüfen".
Ein Würzburger Vermieter rechnet seit Jahren für Wohnungen in diesen Häusern in der Rottendorfer Straße falsche Quadratmeterzahlen ab. Die Stadt Würzburg prüft nun die Unterlagen, die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Foto: Daniel Peter | Ein Würzburger Vermieter rechnet seit Jahren für Wohnungen in diesen Häusern in der Rottendorfer Straße falsche Quadratmeterzahlen ab. Die Stadt Würzburg prüft nun die Unterlagen, die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Ruben Schaar
Ruben Schaar
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:31 Uhr

Eine Woche nachdem diese Redaktion über einen Würzburger Vermieter berichtet hat, der in einem Mehrfamilienhaus in der Ernst-Reuter-Straße und einem Wohnblock in der Rottendorfer Straße falsche Quadratmeterzahlen beim Jobcenter angegeben hatte, gibt die Stadt auf Anfrage dieser Redaktion nun weitere Details bekannt. Kurz nach Erscheinen der Recherche hatte Würzburgs Sozialreferentin Hülya Düber im Stadtrat öffentlich eingeräumt, dass der Stadt schon seit Ende 2021 ein Hinweis auf fehlerhafte Quadratmeterangaben des Vermieters vorliege.

In der neuen Stellungnahme der Stadt heißt es nun, ein anonymer Hinweis sei bereits im Herbst 2021 beim Jobcenter eingegangen. Dabei habe es sich um eine Mietbescheinigung gehandelt, deren Quadratmeterangaben von der zur gleichen Wohnung gehörenden Betriebskostenabrechnung abwich. Die Mietbescheinigung ist vermutlich ein vom Vermieter ausgefülltes und unterschriebenes Formular, bei dem diese Redaktion in mehreren Fällen belegen konnte, dass der besagte Vermieter dort doppelte und fast dreifache Quadratmeterangaben eingetragen hatte.

Wahrscheinlicher Schaden für den Steuerzahler von jährlich bis zu 100.000 Euro

Das Geschäft scheint lukrativ: Wie Recherchen dieser Redaktion belegten, wurden in Fällen, in denen das Jobcenter die Miete zahlt, falsche Quadratmeter an die Behörde übermittelt. Tatsächlich ist der Wohnraum deutlich kleiner. Das Jobcenter dürfte für Wohnungen bis 30 Quadratmeter eigentlich nur bis zu 13 Euro pro Quadratmeter zahlen. In Wirklichkeit zahlte das Jobcenter bis zu 25 Euro pro Quadratmeter an den Vermieter, ein Betrag, der nicht mal in Würzburgs Top-Lagen erhoben wird. Bei der Vielzahl der Wohnungen könnte der Schaden für den Steuerzahler nach Berechnungen dieser Redaktion jährlich bis zu 100.000 Euro betragen.

So oder so ähnlich könnte die Mietbescheinigung ausgesehen haben, in der dem Jobcenter erstmalig Diskrepanzen bei den Quadratmeterangaben auffielen. Hier wurden dem Jobcenter anstatt der tatsächlichen elf Quadratmeter 27 Quadratmeter für eine Wohnung gemeldet.
Foto: Repro: Ruben Schaar | So oder so ähnlich könnte die Mietbescheinigung ausgesehen haben, in der dem Jobcenter erstmalig Diskrepanzen bei den Quadratmeterangaben auffielen.

Hinweis wurde erst nach Anfrage dieser Redaktion verifiziert

Der anonyme Hinweis hätte, schreibt die Stadt nun, erst nach "längerer Recherche einem konkreten Fall zugeordnet" werden können und sei dann der Stadtverwaltung übergeben worden. Der Fall sei aber erst nach Anfrage dieser Redaktion vergangene Woche "verifiziert worden". Warum dies nicht schon früher geschehen war, ließ die Stadt offen.

"Aus sozialrechtlicher Sicht", so heißt es weiter in der Antwort der Stadt Würzburg, wäre zunächst ein sogenanntes Kostensenkungsverfahren in Betracht gekommen. Dabei wird die leistungsbeziehende Person, also Mieter oder Mieterin, aufgefordert, ihre zu hohen Mietkosten gegenüber dem Jobcenter zu erklären und sie dann zum Beispiel durch Klärung des Sachverhalts mit dem Vermieter zu senken. Pandemiebedingt sei vom Bund allerdings eine vollständige Mietkostenübernahme verordnet gewesen, weshalb das Rechtsamt der Stadt Würzburg um Prüfung weiterer rechtlicher Schritte gebeten worden sei.

Stadt will Unterlagen an die Staatsanwaltschaft Würzburg übergeben

"In der Zwischenzeit wurden und werden die in Frage kommenden Mietverhältnisse des betreffenden Vermieters aufwändig überprüft", so die Stadt weiter. "Die Ergebnisse dieser Prüfungen werden in den kommenden Tagen der Staatsanwaltschaft übergeben, die um strafrechtliche Beurteilung des Sachverhaltes gebeten wird." Je nach Ausgang der Prüfung und Bewertung durch die Justizbehörden kämen dann auch zu verfolgende deliktsrechtliche Ansprüche der Stadt Würzburg in Betracht, so die Stadt.

Nach Veröffentlichung der Recherchen dieser Redaktion hat die Staatsanwaltschaft Würzburg ihrerseits bereits Ermittlungen aufgenommen. Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach hatte mitgeteilt, man habe "von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betruges gegen Unbekannt eingeleitet".

Das Deliktsrecht kommt hauptsächlich bei der Begründung von Schadensersatzansprüchen zum Tragen, wenn zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis besteht. Die Stadt scheint ihre rechtliche Einschätzung der Situation nun an einem wichtigen Punkt geändert zu haben: Wie zuvor berichtet, hatte die Stadt bisher angegeben, die auf falschen Quadratmeterangaben beruhenden Mietverhältnisse bestünden zwischen den mietenden Personen und dem Vermieter. Das Jobcenter sei kein Vertragspartner des Vermieters und hätte deshalb auch keine rechtliche Handhabe.

In einem ähnlichen Fall in Hamburg wurden mehr als 650.000 Euro zurückgefordert

Das könnte sich nun ändern, denn mit Hilfe des Deliktsrechts könnte die Stadt Würzburg Schadensersatzansprüche gegenüber dem Vermieter geltend machen. In einem ähnlichen, von der Hamburger Straßenzeitung "Hinz&Kuntz" bereits vor Jahren öffentlich gemachten Fall von Quadratmeterbetrug, hatte dieses Vorgehen bereits Erfolg: Dem Vermieter konnte in mehreren Fällen nachgewiesen werden, dass er beim Jobcenter überhöhte Quadratmeterangaben abgerechnet hatte. Die Stadt Hamburg forderte damals mehr als 650.000 Euro von dem Vermieter zurück.

Die Stadt Würzburg könne zum weiteren Fortgang eines etwaigen Verfahrens aktuell keine belastbare Aussage treffen. Im Vorfeld sei die Sach- wie auch die Rechtslage detailliert zu begutachten. Man gehe "allen eingehenden Hinweisen nach". Die Stadt mahnt außerdem, nicht "jeden Vermieter unter Generalverdacht" zu stellen.

Ein Sozialstaat sei auch immer auf die "Ehrlichkeit und Gründlichkeit seiner Bürgerinnen und Bürger angewiesen", so die Stadt, "wenn man jedoch systematisch mit der Not der wohnungssuchenden Menschen versucht, sich einen eigenen Vorteil zu verschaffen, ist dies klar zu verurteilen und sind alle zur Verfügung stehenden Mittel dagegen zu ergreifen".

 
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  • F. S.
    Ob Frau Dyber die Verantwortung für das Wegsehen ihrer Behörde übernehmen wird?
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  • P. K.
    Mir scheint, dass die Sozialreferentin Düber ein wenig arg träge ist. Sie sollte dem Jobcenter zur Vermittlung übermittelt werden.
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  • R. R.
    Da muss die Stadt aber auch wegen Mitwisserschaft ermittelt werden
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  • W. V.
    Und wieviel Quadratmeter haben die Wohnungen dann tatsächlich? Sind das Miniwohnungen von zwölf bis 15 Quadratmeter?
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  • P. K.
    So berichtete die Mainpost
    https://www.mainpost.de/specials/story/das-geschaeft-mit-der-wuerzburger-wohnungsnot-jobcenter-bezahlt-wohnraum-den-es-nicht-gibt-art-10762352
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  • R. H.
    Vorsätzliche Betrug
    Warum hat wohl der Vermieter in offenbar mehreren Fällen zu viel Wohnfläche bescheinigt?
    Um seine Wuchermiete zu verschleiern! Warum haben die Juristen da nicht sofort alle in Frage kommenden Fälle aufgegriffen? War wohl juristisch etwas schwieriger, nicht Routine. Na ja, ist ja nur Steuergeld, das auch schon bezahlt war. Wenn ich zu lange parke, wird das gnadenlos verfolgt, notfalls gepfändet (auch wegen 20 Euro).
    Mietkosten sind hohe und vor allem langfristige Ausgaben, da muss man ganz genau prüfen und tätig werden und nicht nur an seine Karriere denken.
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  • M. Z.
    Die Folgen muß die Staatsanwaltschaft / Stadt regeln. Das ist deren Aufgabe. Was mich vielmehr wundert, ist die Tatsache wieso überhaupt das Jobcenter so teure Wohnungsmieten (in guten Wohnlagen) übernimmt. Selbst EUR 13,00 / m2 ist noch viel Geld. Das zahlen wir aus unseren Steuergeldern. Weshalb ist es den Sozialleistungsempfänger nicht zuzumuten, in ländlichen Regionen wie Maidbronn, Mädelhofen oder Winterhausen zu wohnen ? Das dortige Mietniveau ist um einiges geringer. Und wenn es keine passende Wohnungsgrößen gibt, gibt es sicherlich eine Lösung, mit wenig Aufwand aus einer Wohneinheit mit 80 m2 eine mit 2 Wohneinheiten zu je 40 m2 machen und der Mieter kann trotzdem ein würdiges Leben führen. Dem deutschen Staat gehts anscheinend noch zu gut und meint anscheinend, dass jeder ein Luxusleben führen kann / muß. (Vorsicht. Artikel kann eine Spur Ironie enthalten)
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  • M. D.
    Bitte geben Sie eine verlässliche Quelle für Ihre Informationen an.
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