
Zwischen 1945 und 2019 sind im Bistum Würzburg mindestens 226 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht worden. Das ist ein Ergebnis des lange erwarteten Gutachtens, das die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Würzburg (UKAM) an diesem Dienstag Bischof Franz Jung überreicht hat.
Die Studie identifizierte 51 Beschuldigte, für die ein plausibler Tatverdacht besteht. Davon waren 50 Männer, 43 von ihnen Kleriker. Damit liegt die Täterquote - also der Anteil der Kleriker im Bistum, die mutmaßliche zu Tätern geworden sind - bei 1,1 Prozent.
Frühere Studie der Deutschen Bischofskonferenz führte mehr Täter auf
Diese Zahlen fielen überraschend niedrig aus: So zählte im Jahr 2018 die sogenannte MHG-Studie, eine von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebene bundesweite Untersuchung zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche, 62 beschuldigte Kleriker aus dem Bistum Würzburg. Die Täterquote gab die MHG-Studie mit 4,4 Prozent an.

Der Wiesbadener Gutachter Hendrik Schneider erklärte diese Diskrepanz bei der Pressekonferenz in Würzburg mit einem engeren Tatbegriff. So habe die UKAM Vorgaben gemacht, wonach etwa einige Grenzüberschreitungen wie "Berührungen oberhalb der Kleidung" nicht als Missbrauch gewertet wurden.
Gutachter spricht von "Verzögerungstaktik der Kirche"
Die Zahlen erschüttern dennoch. Die Studie spricht von 449 Taten. Ziehe man Schätzwerte aufgrund ungenauer Angaben in Akten heran, käme man auf 3053 Taten für denselben Personenkreis, heißt es in dem Gutachten. Das Durchschnittsalter der Betroffenen beim ersten Missbrauch lag laut Studie bei 9,8 Jahren, im Schnitt wurden sie knapp eineinhalb Jahre immer wieder missbraucht.
Im Fall von 18 Beschuldigten sieht das Gutachten Hinweise auf ein Einwirken durch den Beschuldigten oder Bistumsangehörige auf Betroffene mit dem Ziel, die Taten zu verschleiern. Gutachter Schneider spricht von "Verzögerungstaktik der Kirche", die auf eine strafrechtliche Verjährung der Taten abgezielt habe. Betroffenen habe man "suggeriert, dass man sich kümmert". Erst ab dem Jahr 2000 sei hier im Bistum eine "Kultur des Hinschauens" entstanden, allerdings habe es auch dabei in Würzburg anfangs "ganz massiv geknirscht", so Schneider.
Jahrzehntelang hätten sich auch Staatsanwaltschaften zurückgehalten. Je höher der Rang des Klerikers, desto demütiger seien die Strafverfolgungsbehörden bei den Ermittlungen aufgetreten. Eine Betroffene brachte es während der Pressekonferenz auf den Nenner: "Staatsanwälte und Therapeuten kuschten vor den Bischöfen."
Bischof Jung spricht von "schwerem Versagen"
Marcel Romanos, Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Würzburg, wurde deutlich: "Wir sprechen über Machtmissbrauch, fehlende Prävention und Meldewege. Opfer wurden marginalisiert, Täter geschützt." Romanos formulierte für das Bistum Handlungsempfehlungen. Unter anderem forderte er, Schutzkonzepte auch gegen existierende Widerstände in den Gemeinden zu etablieren und die personellen Kapazitäten für Prävention und Intervention deutlich auszuweiten.
Bischof Franz Jung will sich erst kommende Woche inhaltlich zur Studie äußern. Er sprach am Dienstag von einem "schmerzlichen Tag". Er wolle sich "ungeschönt unserer Vergangenheit stellen" und kündigte "notwendige Konsequenzen" an. Jung räumte ein "schweres Versagen" der Kirche ein und entschuldigte sich für die "Schuld, die Kirche und Verantwortungsträger auf sich geladen haben".
Beendet scheint das Thema Missbrauch nicht: Alexander Schraml, externer Ansprechpartner für Betroffene sexuellen Missbrauchs im Bistum, sagte, bei ihm seien im ersten Quartal 2025 bereits mehr Vorwürfe eingegangen als im ganzen Jahr 2024.
Und welche wirkungsvollen Lösungsmöglichkeiten sieht er denn?
Als Teil des autoritären Regimes „Kirche“, wird er grundlegende Reformen weit von sich weisen.
mMn gut, dass die Menschen offenbar angefangen haben sich darüber klar zu werden und als zumindest fragwürdig erkannten/ "aus der Zeit gefallenen" Machtstrukturen den Rücken kehren.
Das setzt leider allerdings auch einen Teufelskreis in Gang, in dessen Folge sich "Kirche" fortwährend immer weniger um soziale Belange (w.z.B. Kindergärten) kümmern kann, wodurch sich die "Menschenferne" weiter verstärkt. Wenn sich da nichts ändert, ist in sagen wir 50 Jahren von unserer viel beschworenen "christlichen Tradition" nicht mehr viel übrig.
Ich denke, Kirche braucht - im Sinne Jesu Christi - mehr Solidarität und Mitmenschlichkeit statt Machtstrukturen und Machtmissbrauch, denn sonst brauchen Menschen keine Kirche!
Man müsste mal in den Familien, Sportvereinen oder sonstigen Einrichtungen zwecks Missbrauchsfälle aufklären. Da würden uns die Augen aufgehn.
…”Generalvikar Hillenbrand händigte hinter dem Rücken des Missbrauchsbeauftragten dessen vertraulichen Bericht einem befreundeten Richter am Oberlandesgericht Bamberg aus. Er bat diesen ehemaligen Diözeseanratsvorsitzenden um Tipps, was gegen die Frau und für den beschuldigten Klerikerfreund sprechen könne”…
Auch bei der Mainpost berichtete man, 14.10.02, Kritik Fehlanzeige:
"würzburg/schweinfurt (MP) Norbert Baumann ist als Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Würzburg bestätigt worden. Bei der konstituierenden Vollversammlung des Diözesanrats am Freitag und Samstag wählten die Delegierten den 54-jährigen Schweinfurter Richter für weitere vier Jahre an die Spitze des Laiengremiums, teilte der Pressedienst des Bischöflichen Ordinariats mit."....