Seit Juni 2019 läuft das Würzburger Müllheizkraftwerk nur mit gebremster Kraft. Das wird sich ändern, wenn die neue Ofenlinie in den nächsten Wochen erstmals unter Dampf gesetzt wird. 32 Millionen Euro hat der Zweckverband Abfallwirtschaft bis dahin im MHKW verbaut. Dass es gelungen ist, den Kostenrahmen und - trotz Corona - den Zeitplan einzuhalten, ist der intensiven Vorbereitung geschuldet, hat aber wohl auch mit Glück zu tun, wie der technische Leiter der Anlage, Werner Grüttner, sagt.
Es hätte in der Tat viel schief gehen können. Etwa beim Einbau des neuen Kessels. Mit einer Höhe von 33 Metern und einem Gewicht von 300 Tonnen ist er das Herzstück der Anlage. Zur Montage musste ein Autokran Bauteile mit einem Gewicht von bis zu 40 Tonnen zentimetergenau durchs offene Dach an ihren Platz bugsiert. Und das unter laufendem Betrieb der beiden anderen Verbrennungslinien. "Das waren schon aufregende Momente", erinnert sich Grüttner und staunt über das Können der Kranführer.
Abstand und Hygieneregeln
Bei 80 Mitarbeitern verschiedener Fachfirmen, die zeitweise auf der Baustelle tätig waren, hätte ein Corona-Ausbruch schnell zu einem Baustopp führen können. Durch feste Montageteams, versetzte Arbeits- und Pausenzeiten und Maskenpflicht, wo Abstand nicht möglich war, hatte man vorgebeugt. Der eigens beauftragte Sicherheits- und Gesundheitskoordinator habe gute Arbeit geleistet, sagt Werner Grüttner.
Nur ein Zwischenfall am vergangenen Dienstag trübt die Freude über den bis dahin unfallfreien Verlauf. Nach einem Ausfall des Leitsystems war zur Sicherheit Dampf abgelassen worden. Ein Mitarbeiter befand sich in der Nähe des Ventils und erlitt Verbrennungen im Gesicht. Der Unfall hat aber nichts mit den Montagearbeiten zu tun, teilt der stellvertretende Werkleiter Matthias Mohr mit. Der Mitarbeiter erlitt keine schweren Verletzungen.
Inzwischen verbirgt sich der neue Heizkessel hinter einer dicken, mit Blech verkleideten Schicht aus Isoliermaterial, umsponnen von einem Gewirr Rohrleitungen. 200 Tonnen Rohre mit einer Gesamtlänge von etwa 30 Kilometern wurden verbaut. Um sie aneinander zu fügen, waren rund 20 000 Schweißnähte nötig, die einem Prüfdruck von über 100 Bar standhalten müssen.
Im späteren Betrieb, wenn die Rohrleitungen in der Kesselwand und den Wärmetauschern mit rund 60 Kubikmetern Wasser gefüllt sind, wird der Kessel ein Gewicht von 650 Tonnen haben und sich aufgrund der Hitze in der Höhe um rund zehn Zentimeter ausdehnen, so Matthias Mohr.
Der Müll wird dann von einem Kran aus dem Müllbunker auf einen schrägen Rost aufgetragen und langsam in die Verbrennungszone befördert. Die unbrennbaren Bestandteile bleiben in der Ofenschlacke zurück. Die heißen Abgase steigen auf und erzeugen bis zu 400 Grad heißen Dampf, der die Turbinen zur Stromgewinnung antreibt. Die gewonnene Elektrizität wird ins öffentliche Netz eingespeist, die Abwärme in die Fernwärmeversorgung der Würzburger Stadtwerke.
Die Ausschreibung um den Generalunternehmerauftrag für die Erneuerung der Ofenlinie hatte im Herbst 2018 die Münchner Ingenieurgesellschaft Martin gewonnen, einer der in Europa führenden Konstrukteure von Müllverbrennungsanlagen, so Geschäftsleiter Alexander Kutscher. Um sich des aktuellen Stands der Technik zu versichern, habe man diese Ausschreibung bewusst technologieoffen formuliert. Am Ende kam dann doch die gleiche, seit langem erprobte Rostfeuerung zum Zug wie an der alten Anlage. "Wir haben das Rad nicht neu erfunden", sagt Werner Grüttner.
Auch die Jahreskapazität ist mit 60 000 Tonnen identisch zur alten Ofenlinie. Der technische Fortschritt, der sich seit deren Bau in den 1980er Jahren vollzogen hat, spiegelt sich in den Details wider. So ist der Kessel einige Meter höher als der alte und verfügt über deutlich größere Wärmetauscher, um die Energie noch effizienter nutzen zu können. Um drei bis fünf Prozent soll die Energieausbeute deshalb steigen.
Altersschwäche und häufige Störungen
Aufgrund ihres Alters kam es an der Linie in den letzten Jahren gehäuft zu störungsbedingten Stillständen. Um die sichere Verbrennung von Schadstoffen zu gewährleisten, muss der Brennraum beim Wiederanfahren mit Hilfe von Heizöl auf 850 Grad vorgeheizt werden, bevor Müll zugeführt werden darf, so der technische Leiter. Auch vor diesem Hintergrund trage die Modernisierung zur Energieeinsparung bei.
Nach den Wärmetauschern durchlaufen die Abgase eine Kaskade verschiedener Reinigungsstufen. Durch eingedüstes Ammoniakwasser werden dort die Stickoxide in Stickstoff und Wasser umgewandelt. Aktivkohle und Kalk werden zugesetzt, um Säuren, organische Schadstoffe und Schwermetalle zu binden, und später in Gewebefiltern wieder abgeschieden. Die Filter der neuen Verbrennungslinie sind um 50 Prozent größer, so Werner Grüttner. Der Ausstoß von Schadstoffen, der bisher schon weit unter den strengen Grenzwerten liege, werde auf diese Weise weiter reduziert.
Erste heiße Bewährungsprobe
Nachdem bei der sogenannten kalten Inbetriebnahme derzeit das Zusammenspiel aller Steuerungssysteme getestet wird, muss sich die neue Ofenlinie im August erstmals unter Dampf bewähren. Zuvor wird der Dampfkessel mehrfach beaufschlagt und der Dampf später wieder ausgeblasen. Im Werkshof werde dazu ein mit Planen verkleideter Gerüstturm errichtet, so Geschäftsleiter Alexander Kutscher. Dennoch sei zwischen dem 6. und dem 21. August tagsüber mit erhöhten Lärmemissionen und Dampfaustritt zu rechnen.
Im anschließenden Probebetrieb wird die neue Ofenlinie zum ersten Mal mit Müll befeuert, bevor im November der Regelbetrieb beginnen soll. Sehr bald wird sich dann die Frage stellen, wie der Zweckverband Abfallwirtschaft mit den beiden anderen Ofenlinien verfährt. Linie 2 stammt ebenfalls von 1984, 1998 wurde das MKHW um die dritte und größte Ofenlinie erweitert. Nach dem Grundsatzbeschluss sollen alle drei Ofenlinien im Abstand von fünf Jahren erneuert werden.
Für Geschäftsleiter Kutscher besteht kein Grund für überstürzte Entscheidungen. Das kommende Jahr sei dafür da, die Anlage kennen zu lernen und eventuelle Kinderkrankheiten abzustellen, sagt er. "Die folgenden ein, zwei Jahre werden wir gründlich über die nächsten Schritte nachdenken, um die Anlage bedarfsgerecht zu erneuern", so Kutscher. Dabei spielen Veränderungen beim Müllaufkommen und beim Recyling eine Rolle, aber auch die bereits andiskutierte Verbrennung von Klärschlamm zur Rückgewinnung des darin enthaltenen Phosphats.
Auf die Müllgebühren der rund 900 000 angeschlossenen Bürger wird sich die investierte Summe von 32 Millionen Euro nicht auswirken, versichert Alexander Kutscher außerdem. Über Jahre hatte der Zweckverband Abfallwirtschaft den Betrag bereits angespart. Trotzdem wurde rund ein Drittel der Summe über Kredite finanziert, um die günstige Zinsphase auszunutzen und so die Rücklagen für die kommenden Sanierungsabschnitte zu schonen.