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Würzburg
MHKW: Der neuen Ofenlinie in Würzburg wird Dampf gemacht
Ein Jahr hat die Erneuerung einer Ofenlinie am Würzburger Müllheizkraftwerk gedauert. Wie ist die Sanierung gelaufen und warum dampft es demnächst kräftig?
Ein Blick in die Tiefen des Kesselhauses im Müllheizkraftwerk (MHKW) in Würzburg. 33 Meter ist der Kessel der neuen Ofenlinie hoch und wiegt im Betrieb 650 Tonnen. 
Foto: Patty Varasano | Ein Blick in die Tiefen des Kesselhauses im Müllheizkraftwerk (MHKW) in Würzburg. 33 Meter ist der Kessel der neuen Ofenlinie hoch und wiegt im Betrieb 650 Tonnen. 
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:53 Uhr

Seit Juni 2019 läuft das Würzburger Müllheizkraftwerk nur mit gebremster Kraft. Das wird sich ändern, wenn die neue Ofenlinie in den nächsten Wochen erstmals unter Dampf gesetzt wird. 32 Millionen Euro hat der Zweckverband Abfallwirtschaft bis dahin im MHKW verbaut. Dass es gelungen ist, den Kostenrahmen und - trotz Corona - den Zeitplan einzuhalten, ist der intensiven Vorbereitung geschuldet, hat aber wohl auch mit Glück zu tun, wie der technische Leiter der Anlage, Werner Grüttner, sagt. 

Auf den Zentimeter genau mussten bis zu 40 Tonnen schwere Bauteile durch die Dachkonstruktion hindurch an ihren Platz gehievt werden.
Foto: ZVAWS | Auf den Zentimeter genau mussten bis zu 40 Tonnen schwere Bauteile durch die Dachkonstruktion hindurch an ihren Platz gehievt werden.

Es hätte in der Tat viel schief gehen können. Etwa beim Einbau des neuen Kessels. Mit einer Höhe von 33 Metern und einem Gewicht von 300 Tonnen ist er das Herzstück der Anlage. Zur Montage musste ein Autokran Bauteile mit einem Gewicht von bis zu 40 Tonnen zentimetergenau durchs offene Dach an ihren Platz bugsiert. Und das unter laufendem Betrieb der beiden anderen Verbrennungslinien. "Das waren schon aufregende Momente", erinnert sich Grüttner und staunt über das Können der Kranführer. 

Abstand und Hygieneregeln

Bei 80 Mitarbeitern verschiedener Fachfirmen, die zeitweise auf der Baustelle tätig waren, hätte ein Corona-Ausbruch schnell zu einem Baustopp führen können. Durch feste Montageteams, versetzte Arbeits- und Pausenzeiten und Maskenpflicht, wo Abstand nicht möglich war, hatte man vorgebeugt. Der eigens beauftragte Sicherheits- und Gesundheitskoordinator habe gute Arbeit geleistet, sagt Werner Grüttner.

Fotoserie

Nur ein Zwischenfall am vergangenen Dienstag trübt die Freude über den bis dahin unfallfreien Verlauf. Nach einem Ausfall des Leitsystems war zur Sicherheit Dampf abgelassen worden. Ein Mitarbeiter befand sich in der Nähe des Ventils und erlitt Verbrennungen im Gesicht. Der Unfall hat aber nichts mit den Montagearbeiten zu tun, teilt der stellvertretende Werkleiter Matthias Mohr mit. Der Mitarbeiter erlitt keine schweren Verletzungen.

Inzwischen verbirgt sich der neue Heizkessel hinter einer dicken, mit Blech verkleideten Schicht aus Isoliermaterial, umsponnen von einem Gewirr Rohrleitungen. 200 Tonnen Rohre mit einer Gesamtlänge von etwa 30 Kilometern wurden verbaut. Um sie aneinander zu fügen, waren rund 20 000 Schweißnähte nötig, die einem Prüfdruck von über 100 Bar standhalten müssen. 

Bis zu zehn Zentimeter dehnt sich der Kessel unter der Hitze aus, erklärt der stellvertretende Werkleiter Matthias Mohr. Damit nichts schiefgeht, hängt er an Stahlträgern unter dem Dach und ist mit einer Übergangskonstruktion mit dem Feuerungsraum verbunden. 
Foto: Patty Varasano | Bis zu zehn Zentimeter dehnt sich der Kessel unter der Hitze aus, erklärt der stellvertretende Werkleiter Matthias Mohr.

Im späteren Betrieb, wenn die Rohrleitungen in der Kesselwand und den Wärmetauschern mit rund 60 Kubikmetern Wasser gefüllt sind, wird der Kessel ein Gewicht von 650 Tonnen haben und sich aufgrund der Hitze in der Höhe um rund zehn Zentimeter ausdehnen, so Matthias Mohr.

"Die folgenden ein, zwei Jahre werden wir gründlich über die nächsten Schritte nachdenken, um die Anlage bedarfsgerecht zu erneuern."
Alexander Kutscher, ZVAWS-Geschäftsleiter

Der Müll wird dann von einem Kran aus dem Müllbunker auf einen schrägen Rost aufgetragen und langsam in die Verbrennungszone befördert. Die unbrennbaren Bestandteile bleiben in der Ofenschlacke zurück. Die heißen Abgase steigen auf und erzeugen bis zu 400 Grad heißen Dampf, der die Turbinen zur Stromgewinnung antreibt. Die gewonnene Elektrizität wird ins öffentliche Netz eingespeist, die Abwärme in die Fernwärmeversorgung der Würzburger Stadtwerke.

Hinter Blech und dicken Isolierschichten sind die heißen Bauteile der neuen Ofenlinie inzwischen verschwunden. Im Bild von links der technische Leiter der Anlage Werner Grüttner, Geschäftsleiter Alexander Kutscher und der stellvertretende technische Leiter Matthias Mohr.
Foto: Patty Varasano | Hinter Blech und dicken Isolierschichten sind die heißen Bauteile der neuen Ofenlinie inzwischen verschwunden. Im Bild von links der technische Leiter der Anlage Werner Grüttner, Geschäftsleiter Alexander Kutscher ...

Die Ausschreibung um den Generalunternehmerauftrag für die Erneuerung der Ofenlinie hatte im Herbst 2018 die Münchner Ingenieurgesellschaft Martin gewonnen, einer der in Europa führenden Konstrukteure von Müllverbrennungsanlagen, so Geschäftsleiter Alexander Kutscher. Um sich des aktuellen Stands der Technik zu versichern, habe man diese Ausschreibung bewusst technologieoffen formuliert. Am Ende kam dann doch die gleiche, seit langem erprobte Rostfeuerung zum Zug wie an der alten Anlage. "Wir haben das Rad nicht neu erfunden", sagt Werner Grüttner.

Ein Blick in die Ofenlinie 2 während des Anfahrens. Erst wenn eine Temperatur von 850 Grad erreicht ist, darf Müll aufgegeben werden.
Foto: Patty Varasano | Ein Blick in die Ofenlinie 2 während des Anfahrens. Erst wenn eine Temperatur von 850 Grad erreicht ist, darf Müll aufgegeben werden.

Auch die Jahreskapazität ist mit 60 000 Tonnen identisch zur alten Ofenlinie. Der technische Fortschritt, der sich seit deren Bau in den 1980er Jahren vollzogen hat, spiegelt sich in den Details wider. So ist der Kessel einige Meter höher als der alte und verfügt über deutlich größere Wärmetauscher, um die Energie noch effizienter nutzen zu können. Um drei bis fünf Prozent soll die Energieausbeute deshalb steigen. 

Altersschwäche und häufige Störungen

Aufgrund ihres Alters kam es an der Linie in den letzten Jahren gehäuft zu störungsbedingten Stillständen. Um die sichere Verbrennung von Schadstoffen zu gewährleisten, muss der Brennraum beim Wiederanfahren mit Hilfe von Heizöl auf 850 Grad vorgeheizt werden, bevor Müll zugeführt werden darf, so der technische Leiter. Auch vor diesem Hintergrund trage die Modernisierung zur Energieeinsparung bei.

Ein kaum zu durchschauendes Netz aus Rohrleitungen umspinnt die neue Ofenlinie. Insgesamt wurden 30 Kilometer Rohre mit einem Gesamtgewicht von 200 Tonnen verbaut.
Foto: Patty Varasano | Ein kaum zu durchschauendes Netz aus Rohrleitungen umspinnt die neue Ofenlinie. Insgesamt wurden 30 Kilometer Rohre mit einem Gesamtgewicht von 200 Tonnen verbaut.

Nach den Wärmetauschern durchlaufen die Abgase eine Kaskade verschiedener Reinigungsstufen. Durch eingedüstes Ammoniakwasser werden dort die Stickoxide in Stickstoff und Wasser umgewandelt. Aktivkohle und Kalk werden zugesetzt, um Säuren, organische Schadstoffe und Schwermetalle zu binden, und später in Gewebefiltern wieder abgeschieden. Die Filter der neuen Verbrennungslinie sind um 50 Prozent größer, so Werner Grüttner. Der Ausstoß von Schadstoffen, der bisher schon weit unter den strengen Grenzwerten liege, werde auf diese Weise weiter reduziert.

Erste heiße Bewährungsprobe

Nachdem bei der sogenannten kalten Inbetriebnahme derzeit das Zusammenspiel aller Steuerungssysteme getestet wird, muss sich die neue Ofenlinie im August erstmals unter Dampf bewähren. Zuvor wird der Dampfkessel mehrfach beaufschlagt und der Dampf später wieder ausgeblasen. Im Werkshof werde dazu ein mit Planen verkleideter Gerüstturm errichtet, so Geschäftsleiter Alexander Kutscher. Dennoch sei zwischen dem 6. und dem 21. August tagsüber mit erhöhten Lärmemissionen und Dampfaustritt zu rechnen.

Der Dampfkessel der neuen Verbrennungslinie besteht aus zehn Zentimeter dickem Stahl und muss dem mehr als hundertfachen Atmosphärendruck standhalten. 
Foto: Patty Varasano | Der Dampfkessel der neuen Verbrennungslinie besteht aus zehn Zentimeter dickem Stahl und muss dem mehr als hundertfachen Atmosphärendruck standhalten. 

Im anschließenden Probebetrieb wird die neue Ofenlinie zum ersten Mal mit Müll befeuert, bevor im November der Regelbetrieb beginnen soll. Sehr bald wird sich dann die Frage stellen, wie der Zweckverband Abfallwirtschaft mit den beiden anderen Ofenlinien verfährt. Linie 2 stammt ebenfalls von 1984, 1998 wurde das MKHW um die dritte und größte Ofenlinie erweitert. Nach dem Grundsatzbeschluss sollen alle drei Ofenlinien im Abstand von fünf Jahren erneuert werden.

1984 ging das Müllheizkraftwerk Würzburg in Betrieb.
Foto: Thomas Obermeier | 1984 ging das Müllheizkraftwerk Würzburg in Betrieb.

Für Geschäftsleiter Kutscher besteht kein Grund für überstürzte Entscheidungen. Das kommende Jahr sei dafür da, die Anlage kennen zu lernen und eventuelle Kinderkrankheiten abzustellen, sagt er. "Die folgenden ein, zwei Jahre werden wir gründlich über die nächsten Schritte nachdenken, um die Anlage bedarfsgerecht zu erneuern", so Kutscher. Dabei spielen Veränderungen beim Müllaufkommen und beim Recyling eine Rolle, aber auch die bereits andiskutierte Verbrennung von Klärschlamm zur Rückgewinnung des darin enthaltenen Phosphats.

Auf die Müllgebühren der rund 900 000 angeschlossenen Bürger wird sich die investierte Summe von 32 Millionen Euro nicht auswirken, versichert Alexander Kutscher außerdem. Über Jahre hatte der Zweckverband Abfallwirtschaft den Betrag bereits angespart. Trotzdem wurde rund ein Drittel der Summe über Kredite finanziert, um die günstige Zinsphase auszunutzen und so die Rücklagen für die kommenden Sanierungsabschnitte zu schonen.

Müllheizkraftwerk Würzburg

Betreiber des Müllheizkraftwerks (MHKW) ist der Zweckverband Abfallwirtschaft Raum Würzburg (ZVAWS), dem neben der Stadt Würzburg die Landkreise Würzburg und Kitzingen angehören. Neben dem Verbandsgebiet wird auch der Hausmüll aus den Landkreisen Ansbach, Neustadt/Aisch-Bad Windsheim, Weißenburg-Gunzenhausen, Bad Kissingen sowie aus dem schwäbischen Ostalbkreis im Würzburger MHKW beseitigt. 
Zusammen mit der thermischen Verwertung von Gewerbeabfällen betrug der Gesamt-Input vor Beginn der Generalsanierung 215 000 Tonnen Müll jährlich. Der durchschnittliche Heizwert von 10,4 Megajoule pro Kilogramm liegt beinahe so hoch wie der von Braunkohle. Übrig blieben davon 58 000 Tonnen Schlacke, die im Deponie- und Straßenbau eingesetzt werden, sowie 10 000 Tonnen Asche und Filterstaub, die zum Sichern alter Bergwerksstollen verwendet werden.
Durch die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Heizenergie, die sogenannte Kraft-Wärme-Kopplung, arbeitet das MHKW besonders energieeffizient. Die Effizienz-Kennzahl 0,77 sagt aus, dass 77 Prozent der im Müll enthaltenen Energie genutzt und damit andere Energieträger eingespart werden.
Mit einer jährlichen Wärmeerzeugung von rund 60 Millionen Kilowattstunden deckt das MHKW rund ein Fünftel des Bedarfs der Würzburger Fernwärmeversorgung. Die Stromerzeugung von 90 Millionen Kilowattstunden entspricht dem Jahresverbrauch einer Stadt von der Größe Kitzingens.
Quelle: ZVAWS
 
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