
Seit 20 Jahren würdigen die Main-Post und das Lernwerk Volkersberg besondere Initiativen mit Blick auf das Gemeinwohl. Über 300 Projekte sind in den letzten 20 Jahren vorgestellt worden. In diesem Jahr ist Landtagspräsidentin Ilse Aigner die Patin. Ein Gespräch über endliche Ressourcen, Bürokratiehürden und sinnhafte Arbeit.
Ilse Aigner: Die Aktion Zeichen würdigt über einen langen Zeitraum schon das Ehrenamt regional und in seiner ganzen Vielfalt. Das ist aller Ehren wert, das möchte ich unterstützen. Denn für eine lebendige und funktionierende Zivilgesellschaft ist bürgerschaftliches Engagement unverzichtbar.
Ilse Aigner: Die Ressourcen sind irgendwann leider endlich. Aber solange ich mich erinnern kann, war ich immer irgendwo ehrenamtlich tätig. Das Engagement hat sich immer ein bisschen gewandelt, aber ich bin auch heute noch zum Beispiel Fördervereinsvorsitzende des Caritas-Kinderdorfs Irschenberg oder Vorsitzende von Donum Vitae Bayern. Dazu kommt noch, dass ich durch mein Amt oder meine Person als Schirmherrin für eine gute Sache stehe, auch das ist sehr vielfältig.
Ilse Aigner: Ehrenamt ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Da sind auch die Vorstandstätigkeiten wichtig. Und man braucht einfach immer Menschen, die mit anpacken. Derzeit setze ich mich politisch für das Ehrenamt ein und konkret in zwei Vorständen. Wenn ich irgendwann mal wieder mehr Zeit habe, will ich auch beim ein oder anderen Ehrenamt noch stärker mit angreifen.
Ilse Aigner: Mich für das Gemeinwesen einzusetzen war immer meins. Das gehört zu meinen Leben dazu. Ich finde es sehr einsam, wenn man nur für sich allein lebt und sich nicht einbringt in die Gesellschaft. Das ist auch nicht mein Verständnis von Bürgertum. Das Ehrenamt lebt aus einem Geist des Gebens und des Mitmachens - in der nächsten Umgebung, im Stadtviertel, in Vereinen, in Kirchengemeinden, beim Roten Kreuz, im Elternbeirat. Und am Ende macht das unsere Gesellschaft aus.
Ilse Aigner: Geld ist nicht alles. Das hat auch etwas mit einem Gemeinschaftswesen zu tun. Und ich habe immer die Erfahrung gemacht, dass ich bei einem Ehrenamt viel zurückbekomme. Erstens lerne ich etwas in der Thematik und außerdem lerne ich engagierte und tolle Menschen kennen, die auch meinen persönlichen Horizont und Freundeskreis erweitern. Es gehört aber auch zur Wahrheit dazu, dass ehrenamtliches Arbeiten zeitlich auf der Strecke bleibt, wenn ich in der Familienphase stecke oder beruflich sehr stark eingebunden bin. Manche haben auch finanzielle Sorgen, da kann dann die Energie fehlen, sich zu engagieren.
Ilse Aigner: Da hat sich dann jemand keine Gedanken darüber gemacht, was alles wegfallen würde. Man kann sich halt sich alles kaufen. Das fängt ja schon bei den Schulwegbegleitern an. Das machen alle ehrenamtlich. Oder die Feuerwehrleute.

Ilse Aigner: Und diesen Dienst kann kein Staat dieser Welt finanzieren. Würde es brennen, käme ohne Ehrenamt in vielen kleineren Orten wohl niemand zum Löschen. Was da allein an Stunden geleistet wird. Oder auch die Bergwacht’ler. Alles Hauptamtliche? Eben nicht - alles Ehrenamtliche. Die sind 365 Tage im Jahr 24 Stunden am Tag da. Der Staat kann nicht alles finanzieren. Millionen Freiwillige helfen mit, das Land zusammenzuhalten. Ohne Ehrenamt würde ganz viel wegbrechen. Die Seele des Landes würde fehlen.
Ilse Aigner: Da habe ich keinerlei Verständnis. Null. Käme ich in eine Situation, in der ich das mitbekäme, würde ich das sehr deutlich ansprechen. Die Leute müssen wissen, dass sich hier Menschen in ihrer Freizeit ohne Vergütung engagieren und freiwillig für andere da sind. Hier geht es nicht zuletzt um eine Frage des Respekts. Unsere Strukturen sind ehrenamtlich geprägt. Manche wissen das womöglich gar nicht. Deshalb muss man das immer wieder gebetsmühlenartig sagen.
Ilse Aigner: Bürokratie ist ein ständiges Thema. Ein Beitrag der Wertschätzung der Ehrenamtsarbeit ist zum Beispiel die Bayerische Ehrenamtsversicherung. Mit der stellt der Freistaat Bayern sicher, dass Ehrenamtliche bei ihrem Engagement keine Nachteile haben, wenn sie selbst keinen entsprechenden Versicherungsschutz haben. Es kann ja immer mal etwas passieren.
Ilse Aigner: Wer öffentlich Musik spielt, muss den Urhebern dafür eine Gebühr zahlen - über die Gema. Das gilt auch für Vereine. Hier übernimmt das Land Bayern einige dieser Gebühren. Das sind 1,5 Millionen Euro im Jahr.
Ilse Aigner: Die Bereitschaft, sich dauerhaft zu verpflichten, ist zurückgegangen. Die Bereitschaft, sich zu engagieren, ist aber nach wie vor ungebrochen - nur Ämter zu übernehmen, ist schwieriger geworden. Aber auch hier sollte man nicht nur auf die Herausforderungen eines Amtes schauen, sondern auch über die Befriedigung und das Positive reden.

Ilse Aigner: Das würde ich unterstreichen. Es ist erfüllend und sinnstiftend, etwas für die Gemeinschaft zu machen und gemeinsam etwas zu bewegen, was einem wichtig ist.
Ilse Aigner: Da fällt mir spontan der Nachtexpress im Landkreis Rosenheim ein, als ich noch im Kreistag und im Gemeinderat war.
Ilse Aigner: Die Zahl der Discounfälle stieg damals, das musste ich leider auch im Bekanntenkreis miterleben. Viele Ältere haben gezetert: "Die sollen doch daheim bleiben." Das war eine der größten Aufgaben, weil ich bei Null angefangen habe. Damals musste man jeden Gemeinderat davon überzeugen, dass er auch Geld dafür hergibt. Da gab es extrem viele Widerstände. Diese Erfahrung, dass ich das hingekriegt habe – damals eben noch als ehrenamtliche Kommunalpolitikerin - war schon sehr prägend.
Ilse Aigner: Man könnte auch sagen, ich bin ein Sturschädel. Wenn es um eine Herzensangelegenheit geht, habe ich schon Durchhaltevermögen.
Ilse Aigner: Auch deshalb ist es ist wichtig, dass wir alle den Wert des Ehrenamts immer wieder hervorheben. Hinschauen! Und dazu gehört auch die ganze Kommunalpolitik. Die liegt mir sehr am Herzen, da habe ich meinen Beginn gehabt. Ich weiß, dass die Stärke unseres Landes auch daher kommt, weil wir in den Kommunen so stark sind. Die Gemeinderatsmitglieder oder Kreistagsmitglieder verpflichten sich für mehrere Jahre und kümmern sich um die Allgemeinheit. Hier ist nicht das Ich, sondern das Wir entscheidend. Das ist eine Form des bürgerschaftlichen Engagements, die für unsere Demokratie so wichtig ist. Und da gehören auch die Parteien und Organisationen dazu, bei denen sich viele jahrelang engagieren eben ohne ein bezahltes Amt oder Mandat. Das dürfen wir alle nicht vergessen.