
Rottershausen im Landkreis Bad Kissingen: 900 Einwohnerinnen und Einwohner, ein Dorf umgeben von Feldern, Wiesen und Wäldern, ein Dorf mit einem Sportverein, einem Obst- und Gartenbauverein, viel Ruhe.
Oder aber Rottershausen im Landkreis Bad Kissingen: 12.000 teils skurril erscheinende Gäste an einem Wochenende, krachende Musik, ein prallgefüllter Campingplatz und Bands von Weltformat, denen ein tanzender und singender Mob zujubelt. Dieses Rottershausen gibt es einmal im Jahr, wenn meist Ende Juni das Festival "Ab geht die Lutzi" steigt.
Margarete Müller gibt auch mit 74 Jahren noch gerne das Festival-Maskottchen
Im Kern ist das Musik-Festival noch immer das, als was es 2010 seinen Anfang genommen hat: Ein Vereinsfest, wenn auch ein sehr großes. Getragen wird es von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Mehr noch: Das Lutzi-Festival prägt das Zusammenleben der Menschen in Rottershausen seit Jahren weit über die Veranstaltungstage hinaus.

Eine, die es wissen muss, ist die Lutzi selbst. Wobei: Die Lutzi ist sie nur einmal im Jahr. "Ich bin die Müller Margarete", stellt die 74-Jährige sich freundlich vor. Margerete Müller ist im Dorf engagiert, spielt unter anderem auch in der Theatergruppe.
Und sie war offen, als vor vielen Jahren eine Handvoll junger Männer vor ihrer Türe stand und sie eben zur Lutzi machen wollte, zum Maskottchen des Festivals. Bis heute ist Margarete Müller dabei geblieben. Sie verkörpert damit wie vielleicht keine Zweite, wie das Festival in Rottershausen Jung und Alt zusammenbringt.
Rund 500 Helferinnen und Helfer engagieren sich rund um das "Ab geht die Lutzi"-Festival
Margarete Müller ist eine von inzwischen rund 500 Ehrenamtlichen, die das Festival Jahr für Jahr auf die Beine stellen. Geld verdient dabei niemand, ausgenommen externe Dienstleister, wie Christian Stahl erklärt. Der 38-Jährige aus Rottershausen ist einer der Gründer des Festivals und bis heute Hauptverantwortlicher.
Auch er persönlich verdient nichts am Lutzi-Festival. "Was hängen bleibt, wird in die nächste Auflage und ins Helferfest gesteckt, einen Teil spenden wir für soziale Zwecke oder für andere Vereine im Dorf und der Rest bleibt im Verein", erläutert er. "Das gibt dem Verein eine gewisse Sicherheit", sagt Stahl, der inzwischen auch im Vorstand des FC Rottershausen sitzt.
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Jenes Vereins also, der sich durch das Festival enorm entwickelt hat. "Vor der Lutzi war hier Fußball sehr dominant, dazu Leichtathletik und ein bisschen Fasching", sagt Stahl. Viele Leute, auch er selbst, die das Festival mitbegründet haben, hatten mit dem FC wenig am Hut.
Durch die Zusammenarbeit bei der Premiere 2010 hat sich das geändert. Inzwischen hat der Verein sogar die Satzung geändert und ist ein Verein zur Förderung von Sport und Kultur.

Kneipenabende im Sportheim bringen verschiedenste Menschen in Rottershausen zusammen
Neben dem Festival finden weitere Events statt, bunte Abende, Ausflüge, Skiurlaube - angetrieben unter anderem von den Menschen, die erst durch die Lutzi zum Verein gefunden haben.
"Wir haben während Corona zum Beispiel das Sportheim renoviert und haben es seitdem donnerstags als Kneipe geöffnet", so Stahl. "Ich behaupte mal, dass viele der Menschen, die heute komplett im Verein integriert sind, ohne die Lutzi wahrscheinlich nicht hier wären."
Nur wenige Menschen in Rottershausen fahren am Lutzi-Wochenende lieber in Urlaub
Einer davon könnte Philipp Hein sein. Der 28-Jährige kommt aus Münnerstadt, lebt seit drei Jahren in Rottershausen und ist im Organisationsteam für das Festival sehr aktiv. Er koordiniert unter anderem die Helferinnen und Helfer.
"Du kommst durch die Lutzi und durch die Kneipenabende im Sportheim mit Leuten zusammen, mit denen du sonst nie Kontakt gehabt hättest. Da kommt ja fast jeder. Wenn du Bock darauf hast und mit anpackst, hast du auf einmal mit dem halben Dorf zu tun", sagt Hein.

Auswärtige und Einheimische, verschiedene Generationen: Sie alle führt das Festival im Ort zusammen, weiß auch Luca Wilm - ein waschechter Rottershäuser, der mit der Lutzi groß geworden ist, wie der 24-Jährige erzählt.
"So hatte ich schon mit 14, 15 mit den Älteren zu tun. Neulich waren wir mit einer Gruppe zwischen 17 und 38 Jahren auf einem Festival, weil man sich durch die Lutzi kennt. Das gäbe es so sonst bestimmt nicht", sagt Wilm.

Wilms Freundin Hannah Werthmann nickt zustimmend. Sie lebt nebenan in Poppenlauer - und war bei der jüngsten Lutzi drei Tage im Dauereinsatz. "Man kann und will sich nicht entziehen", sagt die 21-Jährige und lächelt.
Wobei ihr Partner schmunzelnd widerspricht: "Es gibt auch Leute im Ort, die fahren über das Lutzi-Wochenende in den Urlaub." Ausnahmen bestätigen eben die Regel - auch in Rottershausen.