Gewalt, Feindschaft, Ungerechtigkeit. Was das Publikum beim Kultursommer der Allianz Maindreieck am Freitag in Ochsenfurt zusehen bekam, wirkte in Teilen durchaus aktuell. "Man könnte fast meinen, es geht um das 21. Jahrhundert", stellte Bürgermeister Peter Juks mit Blick auf den Krieg in der Ukraine schon bei der Begrüßung des Publikums fest. Liegt die Uraufführung von Wolfgang Amadeus Mozarts Oper "Die Entführung aus dem Serail" auch schon einige hundert Jahre zurück, behandle sie trotzdem noch heute relevante Themen.
Die Geschichte eines Befreiungsversuchs
Gleichzeitig brachte das Kammerorchester Würzburg, unter der Leitung von Professor Wolfgang Kurz, gemeinsam mit fünf Solistinnen und Solisten gekonnt die westliche Faszination für den sogenannten Orient im 18. Jahrhundert ans Ochsenfurter Mainufer. Denn Mozarts erste deutsche Oper, die Kurz für die Inszenierung mit einem Kammerorchester bearbeitet hat, spielt auf einem Landgut an der türkischen Küste.
Dort sind die Spanierin Konstanze (Mio Nakamune, Sopran), ihre Zofe Blonde (Yutong Shen, Sopran) und deren Geliebter Pedrillo (Stefan Schneider, Tenor) Gefangene des Bassa Selim. Der hat die Drei auf dem Sklavenmarkt erstanden und in seinen Palast in der Türkei geschifft, tritt in der Oper allerdings nie persönlich auf. Er versucht erfolglos, Konstanze zu seiner Geliebten zu machen, während sich Osmin (Taehyeon Kim, Bass), ein Wächter des Landguts, schamlos an Blonde heranmacht. Belmonte (Yuli Zhang, Tenor), der Bräutigam Konstanzes, plant währenddessen, sie heimlich zu befreien. Zwar wird die nächtliche Aktion entdeckt, doch es kommt unerwartet zum Happy End.
260 Zuschauer vor der historischen Kulisse des frisch sanierten Spitals
Das Schauspielerische spielte an diesem Abend eine eher untergeordnete Rolle. Auf ein Bühnenbild musste das Publikum verzichten, die Requisiten waren auf ein Minimum reduziert. Dem Gesamteindruck schadete das allerdings nicht. Stattdessen fügte sich dieser Minimalismus gut in den Flair sommerlicher Abendunterhaltung ein.
Mal beschwingt und mal bedrückt, mal kräftig und mal dezent umrissen Orchester und Solisten die Geschichte um den Befreiungsversuch und sorgten damit für Begeisterung bei den etwa 260 Zuschauerinnen und Zuschauern – und sicher auch bei einigen Zaungästen.
Stimmgewaltig brachten die Solistinnen und Solisten große Gefühle und Dramatik auf die Bühne vor der historischen Kulisse des frisch sanierten Spitals. Etwa wenn Pedrillo aus Freude über die bevorstehende Rettung von "Freud und Wonne" singt. Oder wenn Belmonte im Angesicht der drohenden Hinrichtung klagt: "Konstanze, durch mich bist du verloren."
Wolfgang Kurz führte humorvoll und einordnend durch die Handlung
Wolfgang Kurz nahm dazu als Erzähler der Handlung den humorvollen und einordnenden Gegenpart ein. Er kommentierte etwa, wie Belmonte "ganz ohne Whatsapp und GPS" den Aufenthaltsort der Entführten ausfindig macht, und wie Bassa Konstanze mit der Aussicht auf eine "Flatrate zur Wellness-Oase de luxe" von Liebesbeziehung mit ihm überzeugen will.
Dazu gab es einige Informationen zum Hintergrund der Oper, die Wolfgang Kurz auch halb im Scherz als Plagiat bezeichnete. Denn die Ursprungsidee zu der Geschichte rund um Konstanze und Belmonte stamme eigentlich von dem Komponisten Johann André. Mozart habe sie allerdings stark umgearbeitet.
Insgesamt gestalteten Kurz und das Kammerorchester einen Abend, der sowohl für Kulturfans als auch Opern-Neulinge unterhaltsam und kurzweilig gewesen sein dürfte. "Es könnten natürlich immer noch ein bisschen mehr Zuschauer sein", sagte Allianzmanager Bastian Lange nach der Veranstaltung. Doch er sei zufrieden mit der Resonanz. Die Freiluft-Oper ist nur eine von 15 Veranstaltungen im Rahmen des Kultursommers, die noch bis zum 12. August in verschiedenen Orten in den Landkreisen Würzburg und Kitzingen stattfinden.
Darunter ist auch ein weiterer Auftritt des Kammerorchesters. Am 5. August spielt das Orchester in Sommerhausen beim Internationalen Gitarrenfestival.