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Eisenheim/Würzburg
Kommentar zu Eisenheim-Prozess: Im Zweifel für den Gutachter?
Nur wenige Stunden nach dem Urteil legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Ein gutes Signal nach einer Entscheidung, die ungerecht wirkte.
Das Urteil im Eisenheim-Prozess sorgt für Diskussionen.
Foto: Oliver Berg, dpa | Das Urteil im Eisenheim-Prozess sorgt für Diskussionen.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 14.03.2024 08:16 Uhr

Gut, dass die Staatsanwaltschaft schnell Berufung gegen die milden Urteile im Eisenheim-Prozess eingelegt hat. Denn mit dem Ausgang fühlte sich außer den Verurteilten wohl niemand richtig wohl. Theresa Stahls Angehörige nicht, die Staatsanwaltschaft nicht, Prozessbeobachter nicht, selbst der Richter nicht. Warum? Weil sie als ungerecht empfunden wurden. Weil es die Öffentlichkeit empört, das – jedenfalls gefühlt – mit einer Geldstrafe und einem Fahrverbot ein ausgelöschtes Leben aufgewogen wird. Und weil sich für den juristischen Laien die Frage aufdrängt, ob ein Alkoholrausch ein Persilschein für alles sein kann.

In diesem Fall stellt sich allerdings noch eine weitere Frage: die nach der Macht der Gutachter. Der Angeklagte konnte für seine eigentliche Tat nur deshalb nicht bestraft werden, weil ein psychiatrisches Gutachten ihm zum Unfallzeitpunkt Schuldunfähigkeit bescheinigte. Ein Gutachten, das zwar Zweifel hervorrief, dem Staatsanwaltschaft und Gericht dennoch folgen mussten. Im Zweifel für den Gutachter?

Dass Gutachter Verfahren entscheiden ist keine Seltenheit. Erst kürzlich kam es im Schweineskandal von Gelchsheim auch wegen eines psychiatrischen Gutachtens nicht einmal zur Anklage. Auch hier war der Aufschrei in der Öffentlichkeit groß. Hans-Jochen Schrepfer, Verteidiger im Eisenheim-Prozess, ist es "völlig egal, was die Öffentlichkeit will". Für ihn zähle nur das Gesetz. Richtig. Doch ein gerechtes Urteil sollte auch das Vertrauen des Volkes, in dessen Namen Recht gesprochen wird, nicht untergraben.

Hinweis: Der Autor dieses Textes steht mit der Familie des Opfers in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis.

 
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  • A. H.
    Ich verstehe auch nicht, dass die Mitfahrer so gut davongekommen sind. Sie hätten die Trunkenheitsfahrt unterbinden können, oder waren sie auch Volltrunken? Ganz zu Schweigen von der unterlassenen Hilfeleistung.
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  • U. L.
    In der juristischen Fachliteratur wird nicht umsonst vom Sachverständigen als „heimlichen Richter“ gesprochen. Auch in vielen Zivilrechtsstreitigkeiten haben Gutachten einen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis des Rechtsstreits. Nicht wenige Sachverständige sind sich dieser Rolle bewusst und gerieren sich als „Halbgott“. Die Gerichte sind dazu aufzurufen, viel kritischer die Beweiserhebung mit Sachverständigen zu steuern und Gutachten viel kritischer zu lesen. Die dafür geltenden Regeln bleiben viel zu oft unbeachtet. Es macht viel weniger Arbeit, ein „Gutachten“ welches eigentlich ein „Schlechtachten“ ist, für ein Urteil einfach abzuschreiben, als es im Detail auseinanderzunehmen. Auch Richter sind eben nur Menschen.
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  • H. H.
    Mein Problem ist weniger die Empörung

    als vielmehr die verheerende "Vorbildwirkung":

    wer auch immer über diesen Prozess und das "Ergebnis" liest, kann zu dem Schluss gelangen, mit dem "richtigen" Anwalt bzw. Gutachter in der Hinterhand ist es kein Problem, selber Auto zu fahren, auch wenn man beabsichtigt Alkohol zu trinken und sich ggf. im volltrunkenen Zustand ans Steuer zu setzen - egal was dann passiert.

    Und das geht gar nicht, wenn wir anarchische Zustände im Straßenverkehr vermeiden wollen.

    Entweder ist es möglich, bei konsequenter Anwendung der bestehenden Gesetze zu einer angemessenen Ahndung zu gelangen, oder die Gesetzeslücke muss umgehend und "publikumswirksam" geschlossen werden, z. B. in der Art, dass die Anreise zum Genuss von Alkohol mit dem eigenen Auto schon als bedingter Vorsatz zu einer Straftat aufgefasst werden kann bzw. muss, so dass das Urteil ähnlich ausfällt als wäre die Tat im unberauschten Zustand begangen worden.
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  • G. B.
    Also erst mal verstehe ich den Frust und die Enttäuschung der Hinterbliebenen voll und ganz!
    Das "das Volk" sich empört ist für mich auch völlig verständlich.

    Aber ebenso verstehe ich den Richter, der nun mal nach Recht und Gesetz urteilen muss - und nicht nach dem Gefühl oder was Volkes Stimme schreit. Das ist zwar manchmal sehr unbefriedigend, aber Recht und Gesetz ist ein sehr wertvolles Gut. Schlimm wird´s in Ländern, bei denen die Justiz sich von verschiedenen Seiten beeinflussen lässt.

    Gut ist ja in Deutschland auch, dass man, wenn man Zweifel hat, in Berufung gehen kann. Und gut, dass das so auch geschehen ist - Danke an die Staatsanwältin (im Erlabrunn-Prozess war das anders, das hat nach einem schmutzigen Vergleich gerochen, dem die Staatsanwalt zugestimmt hat -aber das ist ein anderes Thema)

    Noch ein Letztes:
    Könnte man im Fall der Berufung nicht ein zweites Gutachten in Auftrag geben, wenn Zweifel am vorhandenen Gutachten bestehen
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  • H. B.
    Danke der Staatsanwaltschaft, dass Sie gleich in Berufung ging weil das Urteil im "Namen des Namen des Volkes" ein schlechter Witz ist. Wer besoffen als Alkoholabhängiger einen Unschuldigen zu Tode fährt gehört eingesperrt. Ausserdem hat er ja bewiesen, dass er nicht fähig ist ein Fahrzeug gewissenhaft zu führen, deshalb dürfte er niemals mehr eine Fahrerlaubnis bekommen. Ich finde er gehört als so genannter "Schuldunfähiger" erst für mindestens 3 Jahre ohne Bewährung in die JVA und danach in den Entzug auf eine unbestimmte Zeit in die geschlossene Psychatrie.
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    Abgesehen davon, dass die Aussage des Verteidigers zwar richtig sein mag, für ihn zähle nur das Gesetz so ist das dennoch einfach ein Schlag in's Gesicht aller Betroffen, insbesondere der Eltern. Es fehlen einem die Worte, wenn unser Gesetz ein solches Urteil zulässt. Man empfindet auch als Aussenstehender einfach nur Ohnmacht, Hilflosigkeit, Unverständnis, Zorn. Solche "Schwachstellen" im Gesetz sollten vom Gesetzgeber überarbeitet werden. Denn wenn ein Mensch sterben muss weil jemand ihn massiv alkoholisiert über den Haufen fährt, dann kann es nur eine Strafe geben und die lautet Freiheitsentzug in jedem Falle! Das Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen wird mit diesem Urteil extrem enttäuscht!
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  • R. B.
    Wir haben einen Hinweis zu Ihrem Kommentar. Bitte belegen Sie Ihre Aussage.
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