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Würzburg
Kommentar: Josef Schuster ist mehr als ein Lobbyist fürs Judentum
Der Präsident des Zentralrats der Juden erhebt seine Stimme, wann immer Menschenrechte und Demokratie gefährdet sind. Wir sollten ihn weiterhin dazu ermuntern - und unterstützen.
Josef Schuster 2019 bei der Verlegung von Stolpersteinen zur Erinnerung an ermordete Jüdinnen und Juden in Würzburg.
Foto: Patty Varasano | Josef Schuster 2019 bei der Verlegung von Stolpersteinen zur Erinnerung an ermordete Jüdinnen und Juden in Würzburg.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:42 Uhr

Josef Schuster bleibt vier weitere Jahre Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Die Wiederwahl des 68-Jährigen sichert der politischen Debatte in Deutschland eine klare und besonnene Stimme gegen jede Form von Demokratie- und Menschenfeindlichkeit. Eine Stimme, wie wir sie heute mehr denn je brauchen.

Zuallererst ist der Arzt aus Würzburg ein selbstbewusster Lobbyist für die Interessen der rund 100.000 Jüdinnen und Juden in Deutschland, die über den Zentralrat organisiert sind. Dass diese ihren Alltag - inklusive ihres religiösen Brauchtums - ohne Angst leben können, ist acht Jahrzehnte nach der Shoah, der Ermordung von sechs Millionen Menschen jüdischer Herkunft in ganz Europa, leider keine Selbstverständlichkeit.

Statistik zeigt: Judenhass in Deutschland nimmt zu

Im Gegenteil: Judenhass nimmt zu. Das zeigt der Blick in die Kriminalstatistik: So erfasste die Polizei 2021 deutschlandweit 3027 antisemitische Delikte, darunter 64 Gewalttaten. Im Jahr zuvor wurden 2351 Vorfälle registriert, im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2020 lediglich 1600. 

Experten führen diesen Anstieg vor allem auf Straftaten im Umfeld der Corona-Proteste zurück. Absurde Verschwörungserzählungen wie das Gerede vom Weltjudentum, das die Vernichtung des Christentums plane, sind das eine. Zum anderen setzen immer wieder Demonstrantinnen und Demonstranten, die die demokratisch beschlossene Corona-Politik ablehnen, ihr Schicksal mit dem der in Nazi-Deutschland verfolgten Jüdinnen und Juden gleich. Trauriger Höhepunkt dabei ist die Verwendung von allerlei Varianten des gelben Sterns, den Jüdinnen und Juden während der NS-Zeit tragen mussten. 

Zunächst schien es so, als seien solche Geschmacklosigkeiten juristisch schwer zu greifen. Mittlerweile aber ändert sich die Rechtsprechung. Immer häufiger stellen Gerichte fest, dass so der Holocaust verharmlost wird und damit der Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt ist. Die Ermittlungen gestalten sich alles andere als einfach. Aber es ist gut zu wissen, dass die konsequente Verfolgung solcher Taten Konsens in den demokratischen Parteien und bei der Justiz ist. Josef Schuster hatte da zwischenzeitlich Zweifel angemeldet.

Josef Schuster und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 9. Oktober 2020 bei einer Kranzniederlegung vor der Synagoge in Halle zur Erinnerung an den Anschlag ein Jahr zuvor, bei dem ein Rechtsterrorist zwei Menschen ermordete.
Foto: Hendrik Schmidt, dpa | Josef Schuster und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 9. Oktober 2020 bei einer Kranzniederlegung vor der Synagoge in Halle zur Erinnerung an den Anschlag ein Jahr zuvor, bei dem ein Rechtsterrorist zwei ...

Aber dem Zentralratspräsidenten geht es längst nicht nur um die strafbaren Übergriffe. Stereotype und Vorurteile über Juden waren nie verschwunden. Die Bereitschaft, Menschen anderer kultureller und religiöser Herkunft zu Sündenböcken zu erklären, wächst bei vielen Menschen infolge wirtschaftlicher Sorgen. Ein Nährboden, von dem rechtsradikale Parteien wie die in weiten Teilen demokratiefeindliche AfD profitieren.

Regierungsbeteiligung der AfD wäre ein Anlass, über einen Wegzug nachzudenken

Josef Schuster hat mehrfach betont, dass er sich 2014 zu Beginn seiner ersten Amtszeit die Wahlerfolge der AfD nicht hätte vorstellen können. Von Demokratinnen und Demokraten erwartet er eine klare Abgrenzung, eine politische Zusammenarbeit mit der AfD dürfe es nicht geben. Unverändert gelte der Satz, so Schuster dieser Tage, dass die Beteiligung der AfD an einer Landesregierung auch für ihn Anlass wäre, darüber nachzudenken, aus Deutschland wegzuziehen.

Schusters Aussage ist ein Alarmzeichen. Man kann den Zentralratspräsidenten nur ermuntern, hier auch künftig den Finger in die Wunde zu legen. Als Lobbyist fürs Judentum - und darüber hinaus für Demokratie und Menschlichkeit.

Die Verantwortung, zu handeln, kann uns der Zentralratspräsident indes nicht abnehmen. Wann immer Minderheiten in Bedrängnis geraten oder verbal geschmäht werden, muss ein jeder seine Stimme erheben. Feinde der Demokratie sollten wir als solche benennen. Das stärkt nicht nur die jüdische Gemeinschaft, sondern die gesamte Gesellschaft.   

 
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Kommentare
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  • kafrumbi
    Bei zunehmenden Antisemitusmus sind die Aufgaben von Dr. Josef Schuster, nicht nur kompetent, mahnend sondern immer mehr aufklärend.....wer könnte diese momentan besser lösen...wenn ich dann lese, sollen mal jüngere ran...bei dieser Problematik sind andere Kompetenzen gefragt, nicht das Alter.
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