Die zwei Koffer, die auf einem Sockel am ehemaligen Bahnhof von Gaukönigshofen stehen, hat niemand hier vergessen – sie stehen hier gegen das Vergessen. Vielmehr sind die in ihrer Schlichtheit bestechenden, steinernen Gepäckstücke, die der Wolkshäuser Bildhauer Reinhard Kraft geschaffen hat, ein Denkmal für die jüdischen Mitbürger, die von hier aus während der Nazi-Diktatur ihre Reise ohne Wiederkehr angetreten haben.
In etlichen Gemeinden der Region sind in den vergangenen Jahren solche Denkorte entstanden, die an die Deportation jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in die Vernichtungslager des NS-Regimes erinnern. Sie stehen in Verbindung mit dem zentralen Denkort Deportation vor dem Würzburger Hauptbahnhof, wo auch des Gegenstück eines Koffers aus Gaukönigshofen seinen Platz gefunden hat.
Zu der durch Corona verzögerten, offiziellen Einweihung des Denkorts am alten Bahnhof hieß Bürgermeister Johannes Menth unter den rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch den Leiter des Würzburger Johanna-Stahl-Zentrums, Ricardo Altieri, und Michael Stolz, den Ehemann von Benita Stolz, der Vorsitzende des Vereins DenkOrt Deportationen, willkommen.
Gedenkstunde zum Jahrestag der Reichspogromnacht
Den musikalischen Auftakt der Veranstaltung bildeten Doris Sollner, Christine Schwab, Barbara Haaf und Bernhard Nagl, die unter der Leitung von Esther Pfeuffer Klezmer-Melodien intonierten. Auch die anschließende Gedenkstunde zum Jahrestag der Reichsprogromnacht in der inzwischen zur Landkreis-Gedenkstätte umgewidmeten ehemaligen Synagoge begleitete das Quartett mit zu Herzen gehenden jiddischen Weisen.
Nach den Worten von stellvertretendem Landrat Felix von Zobel ist es Aufgabe, die Verbrechen, die an der jüdischen Bevölkerung begangen wurden, nicht zu vergessen. Wie sehr Hetze und Verblendung in blanke Gewalt umschlagen können, sei, so von Zobel, sichtbar an den Gräueltaten, die heute noch in der Ukraine verübt werden.
Felix von Zobel führte aus, welche guten Beziehungen der Landkreis, auch vor dem Hintergrund der damaligen Ereignisse, seit 25 Jahren mit israelischen Landkreis Mateh Yehuda pflegt, und dankte den Verantwortlichen in Gaukönigshofen für den Einsatz, mit dem sie die Erinnerung bewahren, und so mit dafür sorgen, dass solche Verbrechen nie mehr geschehen.
Wie Altbürgermeister Bernhard Rhein ausführte, erhielten die letzten jüdischen Familien, die noch in Gaukönigshofen lebten, am 19. März 1942 die Nachricht, dass sie sich zwei Tage später am Bahnhof einzufinden hätten. Per Merkblatt wurde ihnen mitgeteilt, was sie mitführen durften. Der Empfehlung entsprechend, sollte ihr Gepäck neben dem Handgepäck aus einem Koffer oder einem ähnlichen Behältnis bestehen, das in einem Güterwaggon transportiert werden sollte.
Die genaue Auflistung, was mitgenommen werden durfte und welches Gewicht die letzte Habe der Menschen haben durfte, ruft Gänsehaut hervor. Tatsächlich wurden die Frauen, Männer und Kinder am 23. März 1942 in Kitzingen wie Vieh verladen und nach Izbica südlich von Lublin im Osten Polens gebracht und dort ermordet.
Seit 1542 lebten Juden in Gaukönigshofen
In Gaukönigshofen, wo sie seit 1542 mit den christlichen Dorfbewohnern in einer gut funktionierenden Gemeinschaft lebten, waren Juden im Gemeinderat, im Sportverein, im Kindergarten und auch in Führungspositionen tätig, erinnerte Rhein. Bis heute sichtbare Zeichen des Miteinanders sind die Synagoge, die am 10. November 1938 zwar geschändete, aber nicht zerstört wurde, die Mikwe, die Judenschule und die sogenannten Schutzjudenhäuser. Stolpersteine, die vor einigen Jahren bereits verlegt wurden, erinnern an deren einstige Bewohner.
Von Teilnehmenden der Gedenkstunde wurden in der Synagoge die Namen der 29 jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgerinnen verlesen, die durch die Verbrechen der Nationalsozialisten ihr Leben verloren haben.
Gertraud Renner, Organisatorin der Gedenkstunde, erinnerte an die insgesamt 208 Menschen aus Mainfranken, die in den Tod geschickt worden.