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Würzburg
Körper tauschen mit Geflüchteten: Wie Yafa Shanneik in Würzburg Kunst und Wissenschaft neu definiert
Was die Religionswissenschaftlerin mit ihrer Ausstellung bewirken will, und warum der Geruch von Tee dabei hilft, in ein fremdes Leben einzutauchen.
Bei der Ausstellung 'Topographien von Flucht und Vertreibung' an der Zentralbibliothek der Würzburger Uni können Menschen den Weg  von Geflüchteten nacherleben. 
Foto: Fabian Gebert | Bei der Ausstellung "Topographien von Flucht und Vertreibung" an der Zentralbibliothek der Würzburger Uni können Menschen den Weg  von Geflüchteten nacherleben. 
Gina Thiel
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:45 Uhr

"Du kannst dir nicht vorstellen, wie sich das anfühlt!" So einen Satz hat wohl jeder schon mal gehört, oder? Und obwohl es immer klingt wie ein Vorwurf, stimmt es doch irgendwie. Uns Menschen fällt es manchmal schwer sich in Situationen hineinzuversetzen, ganz besonders dann, wenn man ähnliches noch nicht erlebt hat. So können es sich beispielsweise die wenigsten vorstellen, wie es ist durch einschlagende Bomben geweckt zu werden oder von heute auf morgen die Heimat zu verlassen.

Yafa Shanneik wollte das verstehen. Sie ist Professorin für Islamwissenschaften an der Universität Lund und forscht seit mehreren Jahren zum Thema Flüchtlinge und Migration. Damals selbst noch Studentin an der Universität Würzburg und heute Mitglied im Alumni-Verein, kehrt sie nun mit ihrer Ausstellung nach Würzburg zurück. Für ihr neustes Forschungsprojekt hat sie das Leben syrischer und irakischer Frauen auf der Flucht untersucht. Und weil Wissenschaft und Forschung, wie sie selbst sagt, oft sehr trocken und theoretisch sind, hat sie einen neuen Weg gesucht, um ihre Erkenntnisse mit der Welt zu teilen.

Körpertausch mit geflüchteten Frauen durch alle Sinne

Aus diesem Wunsch heraus ist ihre aktuelle Ausstellung "Topografien von Flucht und Vertreibung" an der Universität Würzburg entstanden. Dabei setzt sie auf Kunst und Virtual Reality, um ihre Forschungsergebnisse interessierten Menschen nah zubringen. Warum sollte man eine 63-seitige Abhandlung lesen, wenn man auch einfach für eine kurze Zeit selbst in das Leben dieser Frauen eintauchen und ihren Platz einnehmen kann? 

Mit der Virtual-Reality-Methode tauchen Besucherinnen und Besucher mit allen Sinnen in die Erlebniswelt der Geflüchteten ein.
Foto: Fabian Gebert | Mit der Virtual-Reality-Methode tauchen Besucherinnen und Besucher mit allen Sinnen in die Erlebniswelt der Geflüchteten ein.

Körpertausch nennt sich das, was Besucherinnen und Besucher auf der Ausstellung erleben können. Dank VR-Brille und Kopfhörern kann man in die Welt der geflüchteten Frauen eintauchen und bekommt dann zum Beispiel die Hände mit Henna bemalt und trinkt, auf dem Fußboden sitzend, mit einer syrischen Familie Tee. Doch Shanneik will noch einen Schritt weiter gehen: Sie fächert passende Gerüche zu und während man in der virtuellen Welt die Hände bemalt bekommt, streicht sie in der echten Welt mit einem Pinsel über die jeweiligen Stellen. Ihr Ziel: das Nachempfinden so realistisch wie möglich zu gestalten. Dazu gehöre es auch, alle Sinne mit einzubeziehen, erzählt sie.

Verbindung von Islam, Frauen und Körper soll Vorurteile beseitigen

Die Geschichten und Erlebnisse der geflüchteten Frauen stehen dabei immer im Vordergrund. Um dem gerecht zu werden, hat Shanneik eng mit der Londoner Künstlerin Rachel Gadsden zusammengearbeitet und eine Technik eingesetzt, die "body-mapping" heißt. "Das Schöne daran ist, dass Frauen sich auf die Leinwand legen und ihren eigenen Körper abzeichnen konnten, den sie dann ganz individuell gestalten", erklärt die Wissenschaftlerin. "Dort konnten sie alles ausdrücken, was in ihnen steckt, ob Wut, Liebe, Hass oder Mitgefühl".

Über einen QR-Code neben den Gemälden können Besucherinnen und Besucher in Würzburg die Ausstellung von Yafa Shanneik in die erweiterte Welt der Kunstwerke eintauchen.
Foto: Fabian Gebert | Über einen QR-Code neben den Gemälden können Besucherinnen und Besucher in Würzburg die Ausstellung von Yafa Shanneik in die erweiterte Welt der Kunstwerke eintauchen.

Ihr Projekt sei anfangs sehr kritisch betrachtet worden. "Islam, Frauen und Körper - das verbindet man nicht oft miteinander." Doch genau das wollte Shanneik tun. Die Frauen sollen im übertragenen Sinne die nackte Wahrheit an die Besucherinnen und Besucher weitergeben können. 

Erreichen möchte Shanneik mit dem Projekt vor allem eines: Verständnis. "Ich wollte Menschen, die interessiert an den Geschichten der Geflüchteten sind, diese Erlebnisse näherbringen." Dabei hilft einen QR-Code neben dem Kunstwerk, der die Besucherinnen und Besucher mittels Smartphone-App in die erweiterte Welt der Bilder eintauchen lääst. 

Ausstellung "Topografien von Flucht und Vertreibung"

Prof. Yafa Shanneik ist Dozentin für Isalmwissenschaft an der Universität Lund in Schweden und forscht seit 13 Jahren zu Menschen auf der Flucht. Bei ihrer Ausstellung verbindet sie wissenschaftliche Erkenntnisse mit Kunst.
Die Ausstellung läuft vom 29. September bis 30. November in der Zentralbibliothek der Uni am Hubland, Öffnungszeiten von Montag bis Freitag 8.30 bis 24 Uhr; Samstag und Sonntag von 9 bis 22 Uhr
Einzeltermine für das immersive VR-Erlebnis: 2. Oktober von 9 bis 16 Uhr und 30. November von 9 bis 18 Uhr. Terminvereinbarung über WhatsApp: 0046-707321980 oder E-Mail: yafa.shanneik@crt.lu.se
Die Ausstellung findet im Rahmen des zehnjährigen Vereinsjubiläums der Alumni Würzburg statt.
Quelle: Prof. Dr. Yafa Shanneik
 
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