"Du kannst dir nicht vorstellen, wie sich das anfühlt!" So einen Satz hat wohl jeder schon mal gehört, oder? Und obwohl es immer klingt wie ein Vorwurf, stimmt es doch irgendwie. Uns Menschen fällt es manchmal schwer sich in Situationen hineinzuversetzen, ganz besonders dann, wenn man ähnliches noch nicht erlebt hat. So können es sich beispielsweise die wenigsten vorstellen, wie es ist durch einschlagende Bomben geweckt zu werden oder von heute auf morgen die Heimat zu verlassen.
Yafa Shanneik wollte das verstehen. Sie ist Professorin für Islamwissenschaften an der Universität Lund und forscht seit mehreren Jahren zum Thema Flüchtlinge und Migration. Damals selbst noch Studentin an der Universität Würzburg und heute Mitglied im Alumni-Verein, kehrt sie nun mit ihrer Ausstellung nach Würzburg zurück. Für ihr neustes Forschungsprojekt hat sie das Leben syrischer und irakischer Frauen auf der Flucht untersucht. Und weil Wissenschaft und Forschung, wie sie selbst sagt, oft sehr trocken und theoretisch sind, hat sie einen neuen Weg gesucht, um ihre Erkenntnisse mit der Welt zu teilen.
Körpertausch mit geflüchteten Frauen durch alle Sinne
Aus diesem Wunsch heraus ist ihre aktuelle Ausstellung "Topografien von Flucht und Vertreibung" an der Universität Würzburg entstanden. Dabei setzt sie auf Kunst und Virtual Reality, um ihre Forschungsergebnisse interessierten Menschen nah zubringen. Warum sollte man eine 63-seitige Abhandlung lesen, wenn man auch einfach für eine kurze Zeit selbst in das Leben dieser Frauen eintauchen und ihren Platz einnehmen kann?
Körpertausch nennt sich das, was Besucherinnen und Besucher auf der Ausstellung erleben können. Dank VR-Brille und Kopfhörern kann man in die Welt der geflüchteten Frauen eintauchen und bekommt dann zum Beispiel die Hände mit Henna bemalt und trinkt, auf dem Fußboden sitzend, mit einer syrischen Familie Tee. Doch Shanneik will noch einen Schritt weiter gehen: Sie fächert passende Gerüche zu und während man in der virtuellen Welt die Hände bemalt bekommt, streicht sie in der echten Welt mit einem Pinsel über die jeweiligen Stellen. Ihr Ziel: das Nachempfinden so realistisch wie möglich zu gestalten. Dazu gehöre es auch, alle Sinne mit einzubeziehen, erzählt sie.
Verbindung von Islam, Frauen und Körper soll Vorurteile beseitigen
Die Geschichten und Erlebnisse der geflüchteten Frauen stehen dabei immer im Vordergrund. Um dem gerecht zu werden, hat Shanneik eng mit der Londoner Künstlerin Rachel Gadsden zusammengearbeitet und eine Technik eingesetzt, die "body-mapping" heißt. "Das Schöne daran ist, dass Frauen sich auf die Leinwand legen und ihren eigenen Körper abzeichnen konnten, den sie dann ganz individuell gestalten", erklärt die Wissenschaftlerin. "Dort konnten sie alles ausdrücken, was in ihnen steckt, ob Wut, Liebe, Hass oder Mitgefühl".
Ihr Projekt sei anfangs sehr kritisch betrachtet worden. "Islam, Frauen und Körper - das verbindet man nicht oft miteinander." Doch genau das wollte Shanneik tun. Die Frauen sollen im übertragenen Sinne die nackte Wahrheit an die Besucherinnen und Besucher weitergeben können.
Erreichen möchte Shanneik mit dem Projekt vor allem eines: Verständnis. "Ich wollte Menschen, die interessiert an den Geschichten der Geflüchteten sind, diese Erlebnisse näherbringen." Dabei hilft einen QR-Code neben dem Kunstwerk, der die Besucherinnen und Besucher mittels Smartphone-App in die erweiterte Welt der Bilder eintauchen lääst.