Die Pandemie trifft die Familien: Homeschooling, Homeoffice, ein stark gestiegener Medienkonsum, wochen- und monatelange Kontaktbeschränkungen und Sorge um den Arbeitsplatz erhöhen den Stress - viele Eltern sind mit ihren Kräften am Ende. "Familien sind eine Gruppe der Verlierer in der Pandemie", sagt Manfred Köhler, Geschäftsführender Bildungsreferent beim Familienbund der Katholiken in Würzburg. Zuständig für Familienpolitik und Verbandsarbeit, fordert er Entlastung für Familien und verlässliche Rahmenbedingungen.
Manfred Köhler: Familien haben keine Lobby oder diese wird nicht wahrgenommen. Deutschland "gipfelt" vor sich hin, Fleisch-, Auto-, und Wirtschaftslobbyisten geben sich die Klinke in die Hand. Nicht dass ich etwa gegen die Rettung von Arbeitsplätzen wäre, auch das kommt Familien zu Gute. Aber ein Familiengipfel mit Experten - und damit meine ich vor allem die Kinder-, Jugend-, Eltern- Familien- und Sozialverbände - könnte doch die Realität von Familien besser abbilden und sogar echte Lösungsansätze einbringen. Ändern könnte man diese miserable Wahrnehmung von Familien sehr schnell: durch ein Familienwahlrecht ab 14 Jahren.
Köhler: Familien zu hören ist das eine. Aus deren Sorgen und Nöten Schlüsse zu ziehen und Entlastung zu schaffen ist das andere. Ich hatte den Eindruck, dass die Kanzlerin nicht wirklich wahrgenommen hat, wo der Schuh drückt. Und wenn doch, hat sie sich darauf beschränkt, Verständnis zu zeigen und die bereits erfolgten Maßnahmen als Lösung anzupreisen. Die helfen vielerorts aber nicht wirklich. Merkel sagte "Familien sind der Kern der Gesellschaft" und sie forderte, auch nach der Krise "Hochachtung für Familien" zu zeigen. Das ist zu wenig für den Kern der Gesellschaft, denn Familien können – wie Pflegekräfte auch – vom Klatschen kein Brot kaufen.
Köhler: Es war zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings frage ich mich: Warum Kinderkrankengeld? Das Kind ist nicht krank, es geht lediglich nicht in Schule oder Kita. Wenn wir nun zu rechnen beginnen, sind die ersten 20 Tage nach den Weihnachtsferien bereits seit 5. Februar durch. Nun sind nicht alle in der Lage, dass beide Elternteile die jeweils 20 Tage in Anspruch nehmen. Zudem wird nicht jeder Arbeitgeber diese Betreuungsmöglichkeit schätzen. Hier sind Alternativen gefragt. Beispielsweise eine Teilzeit bei vollem Lohnausgleich. Auch die Altersbegrenzung der Betreuungsmöglichkeit zu Hause greift hier viel zu kurz. Nicht alle Jugendlichen in der Pubertät werden wohl strukturiert und hochmotiviert ans Werk gehen. Auch Kinder über zwölf Jahren brauchen Unterstützung, Zuspruch, Halt, Strukturen und Motivation.
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Köhler: Nicht erst seit Dezember frage ich mich, was die Verantwortlichen im Kultusministerium eigentlich in den letzten Monaten gemacht haben. Die Entwicklung eines Plan B ist immer noch nicht erkennbar. Zwar betont Kultusminister Michael Piazolo unentwegt, dass die Bildungsqualität erhalten bleiben muss, die Rahmenbedingungen dafür zur Verfügung stellen kann er leider nicht. Aufgrund der Komplexität und Vielzahl der Tools sind Eltern durchgängig zur Unterstützung gefordert. Es sind kaum pädagogische und didaktische Konzepte erdacht und erkennbar. Die Methodik beschränkt sich zumeist – bei den höheren Klassen – auf Video-Frontalunterricht.
Köhler: Entscheidend ist die Frage, warum die Eltern die Notbetreuung scheuen. Das kann viele Gründe haben. Möchten sie die Ansteckungsgefahr minimieren, dann bleibt nur der Verzicht. Insgesamt sind die Vorgaben der Staatsregierung ohne klare Kriterien, das erschwert es Eltern und Einrichtungen. Warten wir mit der Notbetreuung bis es zu Hause eskaliert? Ab welchem Zeitpunkt ist es eine Not? Ich kann hier nur hoffen, dass Einrichtungen und Eltern in diesen Fragen einvernehmliche Lösungen finden, die dem Kind dienen, denn dieses steht an erster Stelle.
Köhler: Laut Bundesfamilienministerium "ist der Kinderbonus ein wichtiges Signal an die Familien und setzt einen Konjunkturimpuls". Für viele ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber auch schon der erste Kinderbonus im vergangenen Herbst ist zu hinterfragen. Die Verteilung erfolgt nach dem Gießkannenprinzip, jeder bekommt was ab. Ich selbst habe mich gefragt wofür ich diesen Bonus eigentlich bekomme. Ich habe weder Einkommensverluste, noch habe ich ein niedriges Einkommen. Kurzum: Das Geld kommt - auch - bei den Falschen an.