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Würzburg
Kinder vor Missbrauch schützen: Warum "Penis" und "Vulva" wichtige Worte sind und welche Grenzen selbst die Oma wahren muss
Meldungen über Fremde, die Kinder ansprechen, kursieren derzeit. Die Angst unter Eltern ist groß. Ein Pädagoge erklärt, mit welcher Erziehung man Kinder schützt.
Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, 'Nein' zu sagen: Auch das sind wirksame Fähigkeiten, die Kinder vor sexuellem Missbrauch schützen können. 
Foto: Christoph Weiss | Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, "Nein" zu sagen: Auch das sind wirksame Fähigkeiten, die Kinder vor sexuellem Missbrauch schützen können. 
Lara Meißner
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:30 Uhr

Es ist eines der größten Horrorszenarien, die Eltern vor Augen haben: Das eigene Kind wird auf der Straße von einem Fremden angesprochen und womöglich Opfer sexueller Gewalt. Mehrere Fälle versetzten Eltern in den vergangenen Wochen in Alarmbereitschaft: In Kürnach und Lengfeld (Lkr.  Würzburg) versuchte ein Mann, Kinder zum Mitgehen zu überreden, im Hassbergkreis hat laut Polizei ein Fremder versucht, Kinder in seinen weißen Transporter zu locken. Auch wenn es glücklicherweise zu keinem Übergriff kam, bleibt die Polizei wachsam. Die Angst unter den Eltern ist einmal mehr gewachsen und viele fragen sich: Wie schützt man Kinder bestmöglich davor, Opfer von sexuellem Missbrauch zu werden? Hans-Peter Breuner, Sexualpädagoge bei profamilia in Würzburg, erklärt, wie sinnvolle Prävention im Elternhaus aussehen kann. 

Frage: Herr Breuner, es ist einer dieser Sätze, den man seinen Kindern immer wieder eintrichtert: Geh nicht mit Fremden mit. Schützen wir so unsere Kinder sinnvoll?

Hans-Peter Breuner: Klar, das ist ein wichtiger Merksatz. Aber damit Kinder das Rüstzeug mitbekommen, mit dem sie nicht so leicht zum Opfer werden, brauchen sie mehr - auch weil Missbrauch meist im engen Umfeld von Kindern stattfindet.

Nämlich?

Breuner: Ein gutes Selbstbewusstsein, also das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Eine adäquate Sprache, um Dinge, die ihnen widerfahren sind, benennen zu können und eine Atmosphäre, in denen sie sich trauen, darüber zu sprechen und ihre Grenzen gewahrt wissen. Eine 100-prozentige Sicherheit vor sexuellen Übergriffen gibt es leider nie, aber die Kinder gehen dann gewappneter durchs Leben - nicht nur, wenn sie ein Fremder anspricht, sondern in allen Situationen, in denen jemand ihre Grenzen überschreitet. 

Sexualpädagoge Hans-Peter Breuner von profamilia Würzburg erklärt welches Rüstzeug Eltern ihren Kindern mitgeben können, damit sie sich gegen Missbrauch - aber auch in anderen Lebenslagen - gut wehren können.
Foto: Thomas Obermeier | Sexualpädagoge Hans-Peter Breuner von profamilia Würzburg erklärt welches Rüstzeug Eltern ihren Kindern mitgeben können, damit sie sich gegen Missbrauch - aber auch in anderen Lebenslagen - gut wehren können.
Hört sich logisch an. Bloß: Wie krieg ich es hin, dass meine Kinder eben diese Fähigkeiten entwickeln und diese Rahmenbedingungen erleben?

Breuner: Fangen wir beim Thema Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit an. Um das zu entwickeln, braucht das Kind Herausforderungen, die es meistern kann. Wenn wir es aus Angst, es könnte herunterfallen, erst gar nicht aufs Klettergerüst lassen, tun wir ihm damit keinen Gefallen. Denn nur wer spürt: "Ich kann über mich hinauswachsen und Dinge schaffen, die erst unerreichbar schienen", entwickelt Selbstwirksamkeit - das Gefühl, selbst etwas bewirken zu können. Auch wenn das nicht immer schützen kann, macht es Kinder stark und kann grundsätzlich helfen. Denn Täter wählen häufig Kinder aus, die bedürftig sind, vielleicht Ängste haben, sich weniger zutrauen und dadurch "leichter Opfer" werden können. Ein Kind, das seine Grenzen kennt und laut Nein sagen kann, könnte da einen Vorteil haben. 

Sollte ich das mit meinen Kindern also üben, das Nein-Sagen?

Breuner: Klar, das ist sogar sehr wichtig. Ein Kind muss das erlernen und sich auch selbst dabei wahrnehmen, wie es ist, laut zu werden. Man kann das ruhig auch einmal mit Spaß angehen und die Kinder richtig brüllen lassen: "Halt, Stopp, das mag ich nicht!" Darüber hinaus gibt es genug Situationen im Alltag, wo das Kind Nein-Sagen üben kann.

Zum Beispiel?

Breuner: Denken Sie an eine nahestehende Person aus der Familie - etwa an die Oma - die das Kind allzu herzlich abküsst oder knuddelt, und das dem Kind unangenehm ist. Hier lernt schon ein Kleinkind, das es Berührungen gibt, die sich gut anfühlen und welche, die das nicht tun. Das muss das Kind äußern dürfen. Es erkennt in dem Moment seine Grenzen - und sollte gehört werden. Andersrum ist es genauso wichtig, dass auch wir Erwachsene dem Kind zeigen, dass wir Grenzen haben, etwa wenn wir irgendwann sagen: "So, jetzt möchte ich nicht mehr, dass du mir immer aufs Klo folgst. Und wenn du das auch nicht willst, dann respektiere ich das natürlich."

Wie kann ich meinen Kindern beibringen, ihre eigenen Grenzen zu erkennen?

Breuner: Indem Sie sie wahren. Das fängt klein an: Wenn das Kind immer wieder sagt, dass sein Pulli juckt oder ihm ein gewisses Essen nicht schmeckt, sollten Sie das ernst nehmen und handeln. Denn wenn ein Kind immer wieder die Botschaft bekommt "Dein Gefühl ist nicht wichtig", ist das fatal. Dann kann es nicht das Körpergefühl entwickeln, das es später braucht, um zu entscheiden: Was gefällt mir und welche Berührung möchte ich nicht?

Sollte man mit Kindern vorsorglich über sexuellen Missbrauch sprechen? Oder schürt das nur Angst?

Breuner: Ich rate dazu, grundsätzlich immer im Gespräch zu bleiben. Auch Situationen wie die mit der Oma sollte man thematisieren, mit dem Kind Handlungsoptionen durchgehen. Denn nur so schafft man einen Kontext, in dem man mit dem Kind auch darüber sprechen kann, dass es Erwachsene und Jugendliche gibt, deren Verhalten über die Überschwänglichkeit der Oma hinaus gehen, die Kinderrechte nicht wahren. Wenn die Eltern vorher nie über Themen wie eigene Grenzen oder altersangemessen über Sexualität mit dem Kind gesprochen haben und dann das Thema sexueller Missbrauch auftaucht, ist es für das Kind überfordernd, gleich mit so einem Extrem konfrontiert zu werden.

Sie haben vorhin davon gesprochen, das Kinder eine adäquate Sprache brauchen. Was meinen Sie damit?

Breuner: Es ist eine Grundvoraussetzung, dass Kinder sprachfähig gemacht werden. Sie brauchen Worte, die sie ohne Scham nutzen können. Viele Betroffene von sexuellem Missbrauch schweigen Jahre und leiden massiv darunter. Wenn ein Kind die Erfahrung gemacht hat, mit den Eltern auch über Sexualität sprechen zu können, kann es auch benennen, wenn ihm etwas Schlimmes passiert ist und sich so Hilfe holen.

Wie sieht diese Sprache aus? Wie sollte ich mit meinen Kindern sprechen?

Breuner: Das fängt schon auf dem Wickeltisch an. Man benennt vielleicht spielerisch beim Waschen die Stirn, den Bauch, die Füße. Aber den Penis oder die Vulva lässt man aus. Dabei ist es so wichtig, dass Kinder von klein auf die Worte lernen, um auch diese Körperteile benennen zu können. Neben den vielleicht gebräuchlichen familiären kindlichen Ausdrücken für die Geschlechtsorgane sollte das Kind immer auch die hochsprachlichen Worte kennenlernen, wie wir dies auch bei anderen Körperteilen tun. Später wird es wichtig, dem Kind zu zeigen, dass es selbst über seinen Körper bestimmen darf, etwa in dem man fragt: Darf ich dir den Popo waschen? Und wenn die Kinder noch älter werden und jede Menge Fragen auch zum Thema Sexualität stellen, sollte man ihnen sachlich und wenig dramatisch Auskunft geben. Wenn man sensibel ist für solche Momente, kann man sie nutzen, um dem Kind wichtige präventive Botschaften näherzubringen, die schützen.

Aber manchmal fehlt es auch einem Erwachsenen an Sprache. Wir sind ja selbst nicht ohne Scham und es gibt Dinge, bei denen Erklärungen schwer fallen. Haben Sie einen Tipp?

Breuner: Gehen Sie in die Büchereien, schauen Sie sich Aufklärungsbücher an und spüren Sie in sich rein, mit welchen Formulierungen Sie gut leben können. Wichtig ist, dass Sexualerziehung in der Familie mit Leichtigkeit angegangen wird und die Eltern nicht selbst voller Scham sind.

Meinen Sie das mit der eingangs erwähnten Atmosphäre, die ein Kind braucht?

Breuner: Auch. Aber da geht es auch darum, dass Kinder wissen, dass sie mit jedem Thema zu ihren Eltern kommen können. Kinder, die von sexuellem Missbrauch betroffen sind, entwickeln oft das Gefühl von Scham und einer Mitschuld. Ob ein Kind dann trotzdem damit zu seinen Eltern geht, hängt davon ab, welche Grunderfahrungen es vorher gemacht hat: Wenn es gelernt hat, dass es bei einem Fehler - etwa wenn es was kaputt gemacht hat, das es eigentlich nicht anfassen durfte - ausgeschimpft wird, vielleicht noch verhöhnt wird mit "Das hab ich dir doch gleich gesagt", dann wird es sich schwer tun, sich den Eltern anzuvertrauen. Es geht nicht darum, dem Kind alles durchgehen zu lassen. Es geht um die Erfahrung: Meine Eltern helfen mir am Ende immer. Denn nur so werden Kinder so stark, dass sie sich trauen, Hilfe zu holen, wenn es drauf ankommt. Und wir als Erwachsene haben dann die Verantwortung, das Kind zu schützen.

 
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  • Oreus
    Also ich bin 1962 geboren, und hatte auch so eine über-griffige Oma mit Riesen-Brüsten, in die sie mich als Kind zur Begrüßung immer reingedrückt hat! Sie hat sich sicherlich nichts dabei gedacht, aber mein Gott, wie habe ich das gehasst!!!
    Ich hatte später, als ich mich für dann mal selbst für Frauen interessiert habe, sogar eine regelrechte Abneigung gegen solche mit größeren Brüsten...
    Aber das hat nur eine meiner Omas gemacht. Der anderen wäre sowas niemals in den Sinn gekommen! Und genauso wird es heute vielleicht immer noch sein: Es gibt solche, und solche.
    Ich fand es jetzt gerade nur witzig, dass das hier thematisiert wurde, denn das war für mich lange Jahre ein echtes Trauma.
    Das mit der Benennung der Geschlechtsteile kann schon im Kindergarten im alltäglichen Umgang erlernt werden, wenn die Eltern das selbst nicht hinbekommen. In der Schule, mit einsetzender Pubertät, ist das auf jeden Fall viel zu spät...
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  • Albatros
    Hallo Oreus, wer hatte keine Oma oder irgend welche Tanten welche meinten, sie müssten unser Gesicht mit ihrem Schlabber überziehen. Na ja, es war nicht böse gemeint, und wir Kinder haben es über uns ergehen lassen. Ich selbst habe jetzt kein Busen-Trauma oder ähnliches erlebt, aber manche Omas und Tanten konten schon sehr penetrant sein. Die eigenen Eltern schienen ihre Freude daran zu haben wie sehr die Kinder "gemocht" wurden, und keines von uns Kindern wäre auf die Idee gekommen zu sagen: "Mama, ich möchte nicht von Oma so gedrückt werden". Na ja, überlebt haben wir es alle, dass hier jetzt wieder einer der "Experten" ein Faß aufmacht ist wohl dem Zeitgeist geschuldet. Dieses Land scheint ohnehin nur noch aus Experten zu bestehen.
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  • Albatros
    Notwendiges Selbstbewusstsein zu entwickeln wird schwierig werden mit einer Generation von Kindern, welchen nicht einmal zugetraut wird, den Schulweg alleine zu meistern.
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  • Margarete-wuestner@web.de
    ... und ich Herr Breuner möchte nicht, dass Sie, so wie im Bericht steht, die Oma's als Beispiel nehmen, die unsensiebel und übergriffig die Enkelkinder abküssen und knuddeln. Das liest sich abwertend und verletzend. Wir sind gestandene Frauen, die sich zu benehmen wissen.
    Falls Sie andere Erfahrungen gemacht haben, dann bitte nicht verallgemeinern!
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  • Gregorino
    Und gestandene Frauen (was auch immer da bedeuten soll) verhalten sich Gottgegeben immer richtig und müssen ihr Verhalten nie reflektieren? Wie wunderbar!
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  • Albatros
    @Gregorino, schade dass Sie nicht wissen was eine gestandene Frau ist, da könnten Sie bestimmt noch das eine oder andere lernen.
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