zurück
WÜRZBURG
Kickers-Stadion: Die Heimat der Rothosen wird 50
Kickers       -  Juli 1967: Am neuen Kickersplatz informierten sich der damalige OB Helmuth Zimmerer (Mitte) mit Verantwortlichen über den Stand der Bauarbeiten.
Foto: ArchivHans Heer | Juli 1967: Am neuen Kickersplatz informierten sich der damalige OB Helmuth Zimmerer (Mitte) mit Verantwortlichen über den Stand der Bauarbeiten.
Holger Welsch
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:25 Uhr

Dallenbergbewohner gegen Fußballplatz. Sie befürchten zu große Lärmbelästigung und Parkchaos. Protestschreiben an den Stadtrat.“ – Diese Schlagzeile klingt angesichts des Stadionzwistes zwischen den Würzburger Kickers und einigen Anwohnern hochaktuell. Dabei stand sie bereits 1965 in der Main-Post. Der Anlass: Die Stadt plante ein Stadion neben dem Dallenbergbad.

Die Proteste nutzten nichts, das Kickers-Stadion, das mittlerweile Flyeralarm Arena heißt, wird an diesem Dienstag 50 Jahre alt. Vor allem in den vergangenen drei Jahren erlebte die Arena spannende Spiele der Dritten und Zweiten Bundesliga mit bis zu 12 500 Zuschauern. Ihre künftige Nutzung ist allerdings ungewiss, nachdem die Kickers an anderer Stelle ein neues Stadion bauen wollen.

Zum Jubiläum eine Chronik

Im Gegensatz zum Eröffnungstag am 15. August 1967 mit dem Spiel gegen den FC Kaiserslautern halten sich die Feierlichkeiten zum 50. Geburtstag in Grenzen: Es gibt lediglich eine Chronik mit den wichtigsten Spielen und Ereignissen im Stadion, die Vereinschronist Rainer Adam zusammengestellt hat. „Das ist unsere Hommage an das Stadion“, sagt Kickers-Sprecher Fabian Frühwirth.

Die Vorstellung der Broschüre war für diesen Samstag beim DFB-Pokalspiel gegen Werder Bremen vorgesehen. Doch nachdem dies aus Lärmschutzgründen nach Offenbach verlegt werden musste, wird die gedruckte Stadiongeschichte erst beim Heimspiel gegen Hansa Rostock am 20. August präsentiert. Und eventuell gibt's zum Stadion-Geburtstag noch eine Überraschung. Mehr möchte Frühwirth nicht verraten.

Zum Umziehen ins Dallenbergbad

„Der erste Höhepunkt war gleich die Eröffnung“, erinnert sich Chronist Adam, damals einer von knapp 8000 Zuschauern. „Eine tolle Atmosphäre war das. Alles so weiträumig“, sagt er. Angesichts des neuen Stadiongefühls ließ sich auch die 0:1-Niederlage der Rothosen – damals Bayernligist– gegen den prominenten Gegner 1. FC Kaiserslautern verkraften.

Beim Bundesligisten aus der Pfalz spielte Otto Rehagel – späterer Meistertrainer des SV Werder Bremen – und hatte wie alle Akteure enorme Laufwege zu bewältigen: Zum Umziehen und in der Halbzeit mussten die Spieler hinunter ins benachbarte Dallenbergbad. Denn im Stadion gab's noch keine Umkleidekabinen und noch keine Gaststätte – ganz zu schweigen von einem VIP-Zelt, das erst zur Drittliga-Saison 2015 aufgestellt wurde.

Spieler bauten am Stadion mit

Solch ein Treffpunkt besonders zahlungskräftiger Zuschauer war in der sozialisierten Fußballszene der 60er Jahre, in denen Unternehmer noch neben Arbeitern auf dem Stehrang jubelten, unvorstellbar. Ebenso unvorstellbar ist es heute, dass Spieler der ersten Mannschaft am neuen Stadion mitbauen: „Arbeitseinsatz“ hießen im Frühjahr 1967 etliche Trainingseinheiten am Dallenberg. Das Fitnessgerät war kein Ball, sondern eine Schaufel.

Der Einsatz aller Kickers-Abteilungen sollte Geld sparen: 3,6 Millionen Mark musste der Verein fürs neue Stadion zahlen, allerdings gab's viele Zuschüsse, die Stadt steuerte über 1,2 Millionen Mark bei. Dennoch prägten finanzielle Probleme lange die Vereinsgeschichte: Nach dem ersten Zweitliga-Abstieg der Kickers 1978 wurde sogar über den Verkauf des Stadions an die Stadt nachgedacht.

Ein Spiel mit 32 Zuschauern

Trotz manch spannender Partien lief es auch auf dem Rasen nicht immer erfreulich. „Viele Jahre wurde nur Mittelmaß geboten“, erinnert sich Adam vor allem an die zahlreichen Saisons in der Bayern- und Landesliga. Besucher-Minusrekord war 1993 beim Freundschaftsspiel gegen Mauritius (2:5) mit nur 32 Zuschauern. Das erste Lokalderby im neuen Stadion gegen den Stadtrivalen FV 04 verloren die Kickers 1970 mit 1:2. 1977, als beide Zweite Liga spielten, gab's am Dallenberg ein 2:2. Kurz zuvor war den Kickers bei ihrem einjährigen erfolglosen Gastspiel in Liga zwei wenigstens ein sensationelles 3:0 gegen den „Club“ aus Nürnberg gelungen – mit dem legendären Lothar Emmerich im Sturm.

Nicht nur Fußball wurde damals im Stadium gespielt: 12 000 Zuschauer kamen 1974 zur ARD-Fernsehlotterie-Show „Ein Platz an der Sonne“. Acht Jahre später rockten 20 000 Fans das Stadion beim Open-Air-Festival „A day in the Green“ mit ZZ Top als Headliner. Und 1989 begeisterte Paul Simon 11 000 Besucher des Stadions.

Sommermärchen mit den „Black Stars“

Dieses rückte erst wieder 2006 in den Blickpunkt, als bei der Sommermärchen-WM die Nationalmannschaft von Ghana, die „Black Stars“ am Dallenberg, trainierten. Bei der WM 2010 war großes Public-Viewing im Stadion angesagt. Doch erst 2014 begann die „Neuzeit“ im Stadion: zuerst mit der Flutlichtanlage, vor allem aber am 31. Mai 2015, als ein 6:5-Sieg nach Elfmeterschießen gegen Saarbrücken den Aufstieg in die Dritte Liga brachte. Ein Jahr später ging's noch eine Liga höher.

Der sportliche Höhenflug erforderte einen umfangreichen Um- und Ausbau des Stadions– zum Missfallen einiger Anwohner. Noch heute beschäftigen deren Klagen vor allem wegen Lärmbelästigung die Gerichte.

Die Pläne der Stadt nach dem Zweitliga-Aufstieg, das Stadion in die Hände einer Stadiongesellschaft mit städtischer Beteiligung zu geben, erübrigten sich in diesem Frühjahr: Da entschieden sich die Kickers, aus wirtschaftlichen Gründen und wegen der vielen Auflagen, auf einen weiteren Stadionausbau zu verzichten und stattdessen an anderer Stelle ein neues zu bauen. Derzeit läuft die Standortsuche.

Wegzug aus der Heimat geplant

Dazu sagt Kickers-Chef Daniel Sauer: „Der Dallenberg ist zur Heimat der Rothosen geworden und war in den vergangenen 50 Jahren Schauplatz ganz vieler emotionaler Geschichten, die heute noch erzählt werden.“ Schweren Herzens habe man die Entscheidung treffen müssen, nach einem neuen Standort für ein Stadion zu suchen, das infrastrukturell den gewachsenen Ansprüchen des Profifußballs gerecht werde.

Zuvor sind die Kickers dem Stadion allerdings noch ein Jubiläumsgeschenk schuldig: den ersten Pflichtspielsieg am Dallenberg in diesem Jahr.

Wichtige Spiele im Stadion

15. August 1967: FC Würzburger Kickers (FWK) – 1. FC Kaiserslautern 0:1

(Stadioneinweihung)

23. 10. 1977: FWK – 1. FC Nürnberg 3:0 (Zweite Bundesliga)

27. 07. 1982: FWK – Bayern München 0:4 (Freundschaftsspiel)

26. 04. 2006: Ghana – VfB Stuttgart 1:1

(Testspiel)

24. 10. 2014: FWK – SpVgg Bayreuth 4:1

(Flutlichtpremiere)

31. 05. 2015: FWK – FC Saarbrücken &:5 n.E. (Aufstiegsspiel zur Dritten Liga

20. 05. 2016: FWK – MSV Duisburg 2:0 (Relegation zur Zweiten Liga)

18. 12. 2106: FWK – VfB Stuttgart 3:0

(Zweite Liga, bislang letzter Pflichtspielsieg im Stadion)

Würzburger Kickers       -  Seit den Zweit- und Drittliga-Zeiten zieht die „Flyeralarm Arena“ tausendfach Fußballfans an den Würzburger Dallenberg.
Foto: Nicolas Armer, Dpa | Seit den Zweit- und Drittliga-Zeiten zieht die „Flyeralarm Arena“ tausendfach Fußballfans an den Würzburger Dallenberg.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Holger Welsch
1. FC Kaiserslautern
1. FC Nürnberg
1. FC Saarbrücken
Dallenbergbad
Daniel Sauer
Emotion und Gefühl
FC Bayern München
FC Hansa Rostock
FC Würzburger Kickers
MSV Duisburg
Paul Simon
SpVgg Oberfranken Bayreuth
Sportstadien
Stars
VfB Stuttgart
Werder Bremen
ZZ Top
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • car.tor@me.com
    Schade, es wäre ein schönes Spiel zum Jubiläum gewesen ...
    nun spielen wir heute "AUSWÄRTS DAHEIM" gegen Werder Bremen im DfB-Pokal.
    Ein angemessenes Geschenk der "netten Anwohner" zu diesem Jubiläum wäre ein Verzicht bzw. der Rückzug der Klage gewesen. Schade drum ..
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • reutjo
    das ist ja entsetzllich....

    dieser Mann in der Bildmitte hat also vor 50 Jahren beim Bau des heutigen Bundes-
    liga-Stadion "mitgeholfen".
    Seinen Strassen-Namen hat man getilgt.... und jetzt .... sollte man auch das Stadion nicht mehr besuchen; nachdem dieser Umstand publik wird. 50 Jahre danach.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten