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Würzburg/Bad Königshofen/München
Kampf gegen Flutkatastrophen: Sind wir Wetterextremen im Klimawandel hilflos ausgeliefert, Professor Auerswald?
Überschwemmungen und auch Dürren sind vielerorts provoziert, sagt Bodenexperte Karl Auerswald. Im Interview erklärt der Agrarforscher, wie sich Kommunen wappnen können.
Sandsäcke gegen die Flut: Was kann man tun, damit es in Städten und Gemeinden bei Unwettern gar nicht zur Katastrophe kommt? Das Bild zeigt die Donau in der Regensburger Altstadt.
Foto: Sven Hoppe, dpa | Sandsäcke gegen die Flut: Was kann man tun, damit es in Städten und Gemeinden bei Unwettern gar nicht zur Katastrophe kommt? Das Bild zeigt die Donau in der Regensburger Altstadt.
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 15.06.2024 02:48 Uhr

Aschaffenburg soll zur Schwammstadt umgebaut werden. Die Stadt erhält vom Bund dafür 4,25 Millionen Euro. Auch die Stadt Würzburg bekommt aus dem Fördertopf "Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel" 1,25 Millionen Euro zur Rettung der Bäume im Ringpark. Denn Kommunen müssten städtebaulich angepasst werden, um bei Klimaextremen wie Hitze, Trockenheit oder Starkregenereignissen besser gerüstet zu sein.

Einer von zehn Staatspreisen in Bayern für "herausragende Anpassung an den Klimawandel- und Landschaftswasserhaushalt" geht heuer deshalb an das "boden:ständig-Projekt Haubach" im Landkreis Rhön-Grabfeld. Dort versuchen vier Kommunen, gemeinsam mit Landwirten und Behörden durch Blühflächen und natürliche Wasserfilterbecken die Trinkwasserbrunnen zu sichern, mehr Wasser versickern zu lassen und Nitrat zu reduzieren. 

Ist mehr Grün in den Gemeinden und Städten der richtige Weg, um Schäden bei Unwetter gering zu halten? Oder sind wir Starkregen oder Dürre hilflos ausgeliefert? Agrarwissenschaftler Prof. Karl Auerswald sagt, setze man allein auf Dämme, komme es irgendwann zur Katastrophe. Doch es gebe viele andere Möglichkeiten. Auerswald, der als Bodenforscher für die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft tätig ist, beschäftigt sich intensiv mit allen Facetten von Wasser in der Landschaft

Im Interview erklärt er, wie wir mit Wasser umgehen sollten, um mit Extremwetter klarzukommen. 

Experte für Wasser in der Landschaft: Agrarwissenschaftler Prof. Karl Auerswald ist als Bodenforscher für die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft tätig und hat an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf einen Lehrauftrag zum Thema Klimawandel-Management.
Foto: Jürgen Geist | Experte für Wasser in der Landschaft: Agrarwissenschaftler Prof. Karl Auerswald ist als Bodenforscher für die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft tätig und hat an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf einen ...
Frage: Kann eine Flutkatastrophe wie jetzt im Süden Deutschlands mit verheerenden Schäden und Toten überall passieren, also auch Orte in Unterfranken treffen?

Prof. Karl Auerswald: Ja, natürlich. Es ist nicht vorhersehbar, wann und wo intensive Regen fallen. Stark- und Dauerregen hat es schon immer gegeben. Aber die verheerenden Schäden, die sie anrichten, sind auch auf unsere heutige Art der Landnutzung zurückzuführen.

Sind wir solch extremen Regenfällen hilflos ausgeliefert?

Auerswald: Nein. Ein Beispiel: Während der Hochwasserwelle hat man aus dem Sylvensteinstausee im Isartal in Oberbayern Wasser abgelassen. Warum ist das nicht schon im Vorfeld passiert, um so das Speichervolumen zu erhöhen? Der Deutsche Wetterdienst hatte bereits Tage zuvor gewarnt. Wir hätten viele Möglichkeiten, um Wasser zu speichern. Doch wir nutzen sie nicht.

Wie können wir kurzfristig so große Niederschlagsmengen speichern?

Auerswald: Selbst bei den kleinsten Flüssen in Bayern wird das Wasser alle paar Kilometer aufgestaut. Viele dieser Staustufen sind steuerbar. Wenn der Wetterdienst drei Tage im Vorfeld vor extremen Regenfällen warnt, könnte man sofort Speicherplatz schaffen, indem man Wasser aus den Staustufen ablässt. Auch viele kleine Speicher wie Zisternen könnte man vorher leeren.

In Unterfranken ist der Main unterbrochen von etwa 30 Staustufen. Was wäre die langfristige Lösung?

Auerswald: Der größte und effizienteste Speicher, den wir haben, ist unser Boden. Das Wasser muss in den Boden.

Aus Politik und Medien heißt es, die Böden seien durch die langen Regenphasen der vergangenen Monate zu nass und hätten kaum mehr Wasser aufnehmen können. Stimmt das?

Auerswald: Nein, das ist falsch. Der Boden hat die höchste Wasserleitfähigkeit, wenn er nass ist und eine 100.000-fach geringere, wenn er trocken ist. Der Boden kann umso besser Wasser ins Grundwasser leiten, wenn er nass ist. In der gleichen Sekunde, in der dann oben ein Regentropfen auf die Erde trifft, gelangt unten ein Tropfen ins Grundwasser.

"Das Wasser muss in den Boden."
Prof. Karl Auerswald, Agrarwissenschaftler und Klimawandel-Experte
Der Boden kann also unbegrenzt viel Wasser aufnehmen?

Auerswald: Nein, unbegrenzt natürlich nicht. Das hängt von der Regenintensität ab. Doch in den meisten Fällen entstehen Hochwasserschäden, weil Drainagen in der Landschaft das Wasser ableiten. Und bei Starkregen geschieht das dann in sehr kurzer Zeit. Die meisten Menschen stellen sich den Boden wie einen Eimer vor, der irgendwann überläuft. Doch es ist eher ein Eimer mit Löchern, durch die das Wasser nach unten weglaufen kann. Unsere Böden können auch intensivere Regen aufnehmen - wenn wir sie nur ließen.

Blick auf den  Ringpark in Würzburg: Millionen Liter Quellwasser fließen täglich vom Hauptbahnhof aus ungenutzt in den Main. Künftig wird damit gegossen. Der Bund gibt 1,25 Millionen Euro für das Projekt.
Foto: Patty Varasano | Blick auf den  Ringpark in Würzburg: Millionen Liter Quellwasser fließen täglich vom Hauptbahnhof aus ungenutzt in den Main. Künftig wird damit gegossen. Der Bund gibt 1,25 Millionen Euro für das Projekt.
Was meinen Sie damit?

Auerswald: Wir versiegeln zu viel. Etwa fünf Prozent der Landesfläche in Bayern sind komplett versiegelt. Zudem verdichten wir unsere Böden - durch schwere landwirtschaftliche Maschinen auf den Äckern, durch Harvester im Wald und durch schwere Baumaschinen in den Siedlungen. Sind die Böden nach unten verdichtet, können die Niederschläge nicht mehr so einfach bis ins Grundwasser versickern. Und zu allem Überfluss haben wir unsere Kulturlandschaft vollständig mit Abwasserkanälen, Drainagen, Straßengräben durchzogen. Wenn irgendwo Wasser steht, wird es sofort weggeleitet, bevor "ein Schaden" entsteht. 

Was sollten wir tun, um Wasser in unserer Landschaft zu halten?

Auerswald: Es gibt sehr viele Möglichkeiten. Und wir müssen sie alle nutzen. Regenfälle, die heute zu Katastrophenalarm führen, könnte man vielerorts bereits mit Gründächern in Schach halten. Gemeinden könnten den Bau von Zisternen finanziell fördern. Landwirte können ihre Ackerböden mit Stroh oder Pflanzenresten bedecken, mit kleineren Maschinen fahren oder Hecken pflanzen. Waldbesitzer können ihre Wälder zu Mischwäldern umbauen. Denn auch Fichtenmonokulturen verdichten den Unterboden im Wald, weil die Wurzelteller der Fichten bei Wind auf und ab wiegen und den Boden "stampfen". Bei Baumarten, die tiefer wurzeln, kann das Wasser den Boden besser infiltrieren.

Gerade ist überall von "Schwammstadt" die Rede. Was versteht man darunter?

Auerswald: Eine Schwammstadt oder auch Schwammregion ist ein politisches Schlagwort. Gemeint sind alle Maßnahmen, die helfen, das Wasser in einer Stadt oder in einer Landschaft zu halten. Vorzeigebeispiele für solche Maßnahmen gibt es bereits: Das Wasserwirtschaftsamt in Ansbach legt zum Beispiel "Grüne Gräben" an. Dadurch verlangsamt sich der Wasserfluss, das Regenwasser wird zwischengespeichert.

Mehr Grün hilft mehr? Lösen wir dadurch auch das Problem Wassermangel?

Auerswald: Ganz genau. Je mehr Wasser wir in der Fläche halten, desto weniger Probleme haben wir in Zeiten von Dürre und Wassermangel. Je mehr Grün wir in der Landschaft haben, desto mehr fördern wir Artenvielfalt und Biodiversität. Und desto besser kühlen wir an heißen Tagen die Umgebungstemperatur herunter. Und wir verbessern die Grundwasserqualität. Setzen wir dagegen allein auf Dämme, fehlen uns diese Leistungen und es kommt irgendwann zur Katastrophe.

 
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  • Georg Schulz-Hertlein
    In seinen Vorträgen sagt Dr. Auerswald allerdings auch, dass die Folgen des sog. CO2 getriebenen Klimawandels in Zukunft noch "oben drauf kämen". Wir hätten daher nur noch relativ wenig Zeit, um unsere gesamte Landnutzung anzupassen. Um in Richtung Klimaressilliente Landschaften zu kommen. Die sog. Klimahysterie scheint dass Lieblingsthema des Herrn Bojanowski zu sein...wir brauchen weder Hysterie noch Leugnung oder beschwichtigende Relativierungen, sondern endlich verantwortungsvolle Zusammenarbeit und klare Unterstützung der Politik (insbesondere der Landes- und lokalpolitik). Ihre Fachbehörden wissen in der Regel was zu tun wäre. Aufgehts! anpacken, ausprobieren...machen.
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  • Werner Kohl
    "Sind wir Wetterextremen im Klimawandel hilflos ausgeliefert?"
    Sehr gute Ausführungen durch Prof. Auerswald. Die passen aber nicht zur Überschrift. Es wird in da suggeriert, dass wir mit mehr Extremwetter infolge der Klimaerwärmung rechnen müssen. Gewiss hört man dies von allen möglichen Medien - passt es doch wunderbar zum derzeitigen Narrativ.
    Nur gibt das die Faktenlage überhaupt nicht her. Auch das IPCC bestätigt dies.
    Vor ein paar Tagen gab es einen Artikel von Axel Bojanowski in der Welt (leider hinter einer Paywall), in dem dies klargestellt wurde:
    "HOCHWASSER IN BAYERN - Das problematische Klimawandel-Argument"

    https://www.welt.de/wissenschaft/plus251919868/Hochwasser-in-Bayern-Das-problematische-Klimawandel-Argument.html

    Hier wird - u.a. unter Bezugnahme auf den IPCC - in mehreren Grafiken gezeigt, dass es keinen Trend zu mehr Extremwetter gibt.

    Die Versiegelung der Böden und die Besiedlung von früheren Überflutungsgebieten sind das eigentliche Problem.
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