
Als am 25. Juni die ersten Nachrichten über die Messerattacke am Würzburger Barbarossaplatz durch die sozialen Medien gehen, ist Anna Schärmann doppelt entsetzt: zum einen wegen der furchtbaren Tat, bei der ein 24-jähriger Somalier drei Frauen getötet und sieben weitere Menschen teils schwer verletzt hat, zum anderen aber auch wegen vieler rassistischer Kommentare im Netz. "Das alles hat mich schockiert und traurig gemacht", erzählt die 20-Jährige.
Und zugleich spürt sie Tage danach ein Gefühl der Ohnmacht. Mit der Frage, die sie sich stellt, dürfte sie nicht allein gewesen sein: Wie soll man mit solch einem Geschehen bloß umgehen? Zugleich lässt sie ein Gedanke nicht los: "Wie leichtfüßig man doch die ganze Zeit lebt! So etwas oder noch Schlimmeres, das kann ja überall passieren, auch in der Stadt, in der man jeden Tag unterwegs ist."

Anna Schärmann macht schon seit ein paar Jahren bei "pics4peace" mit, einer Würzburger Initiative, in der sich junge Menschen für Frieden und Demokratie engagieren. Dort erzählt sie, was sie nach der Messerattacke bewegt und auch davon, dass sie ihre Gedanken in einem Video verarbeiten will. Wie man Videos macht, damit hatte sie sich erst ein paar Monate zuvor beschäftigt: "Da habe ich gemerkt, dass man mit der Kombination aus Bildern, Worten und Musik viel rüberbringen kann." Aber ein Video drehen – nur für sich allein?
Idee: Mit dem Video etwas Nützliches tun
Sie berichtet Pia Beckmann von ihrer Idee. Die ehemalige Würzburger Oberbürgermeisterin ist Vorsitzende des pics4peace-Vereins. Gemeinsam entsteht die Idee, das Video mit einem Spendenaufruf zu kombinieren. "Wir haben uns überlegt, mit dem Video auch etwas Nützliches zu tun", sagt Anna Schärmann. "Das einzige, was gegen Hilflosigkeit hilft, ist, selber etwas zu unternehmen", sagt auch Pia Beckmann, die daraufhin Kontakt zum Verein "Würzburg zeigt Herz" aufnimmt, der Spenden für die Opfer der Messerattacke sammelt.
Währenddessen macht sich Anna Schärmann an die Produktion des zweieinhalb Minuten langen Videos. Das Drehbuch für den Clip schreibt sie selbst, als Darstellerin gewinnt sie ihre beste Freundin Liliane Gehret. Im Video geht es um das Gefühl, allein zu sein, und es geht darum, sich selbst aus dem lähmenden Gefühl der Ohnmacht zu befreien, selbst etwas zu tun. Und warum zum Beispiel nicht ein paar Euro vom Taschengeld abzweigen und damit die Opfer unterstützen?
Video soll in Schulen und Jugendzentren gezeigt werden
"Main Stückchen Herz für A.", lautet mit lokaler Anspielung der Titel des Videos. Darin wird zur Hilfe für das elfjährige Mädchen aufgerufen, das durch den Angriff seine Mutter verloren hat und selbst verletzt wurde. "Ich bin dabei" versichern am Schluss des Clips noch weitere junge Leute. Eingeblendet wird dazu das Spendenkonto von "Würzburg zeigt Herz".
Bei dem Verein ist man über die Initiative hocherfreut. "Von jungen Menschen für junge Menschen. Das finden wir gut!", wird Judith Jörg, 2. Vorsitzende von "Würzburg zeigt Herz", in einer Pressemitteilung von pics4peace zitiert. Wenn es nach Pia Beckmann geht, soll das Video, das auch auf YouTube hochgeladen ist, möglichst an vielen Stellen zu sehen sein, auch in Schulen, Jugendzentren oder öffentlichen Warteräumen. Es soll Anstoß zu weiteren Ideen geben: "Und wenn vielleicht nur irgendwo ein Sparschwein aufgestellt wird", sagt sie.
Die Autorin des Videos hat auf jeden Fall schon eine Erkenntnis gewonnen. "Es bringt nichts, jeden Tag mit Angst rauszugehen", sagt Anna Schärmann, wenn man sie fragt, was der Videodreh für sie selbst bewirkt hat. Und noch etwas ist ihr wichtig: "Auch wenn es vielleicht ein bisschen kitschig klingt: Man ist doch unheimlich dankbar dafür, dass man lebt, dass man am Ende des Tages friedlich im Bett liegen kann und eigentlich nur ein paar Alltagsprobleme hat."
Das Video ist im Internet abrufbar unter https://youtu.be/jIKyRUXgAX0