
Eigentlich war alles vorbereitet. Für die Schülerinnen und Schüler aus Israel sollte es am 8. Oktober 2023 nach Deutschland gehen, nach Würzburg, zum Schüleraustausch ans Friedrich-Koenig-Gymnasium (FKG). Dort wollten die Jugendlichen bei der Aktion "Schoolbikers" gemeinsam Fahrrad fahren. Doch es kam anders. Am Tag zuvor überfiel die radikal-islamistische Terrororganisation Hamas israelische Ortschaften, tötete nach israelischen Angaben mehr als 1100 Menschen und entführte 240 weitere.
An die Reise nach Deutschland war vorerst nicht zu denken. Und auch in Würzburg war die Weltpolitik plötzlich ganz nah. In der Rückschau schildert Semir Kamhawi, Lehrer und Mitorganisator des Austauschs am FGK, die Situation so: "Plötzlich war präsent, dass die kriegerischen Handlungen unser Leben doch beeinflussen."
Über ein dreiviertel Jahr später stehen die israelischen und deutschen Schülerinnen und Schüler im Wenzelsaal des Würzburger Rathauses, endlich kann der Schüleraustausch stattfinden. Der Krieg in Gaza ist nicht zu Ende, viele Geiseln sind noch verschleppt. Wie schätzen die Beteiligten des Treffens die Situation in Israel ein und was wünschen sie sich für die Zukunft?
Der Nahost-Krieg spiegele sich in Israel im Alltag kaum wieder
Julia Trukhlyev ist 14 Jahre alt und eine der israelischen Austauschschülerinnen. Ursprünglich kommt sie aus Afula, im Norden Israels. Dort sei es ruhig und man spüre nicht wirklich etwas vom Krieg. In Ramat Hadassah, wo sie und die anderen Schülerinnen und Schüler zur Schule gehen und leben, sei es ebenfalls so. Die Bevölkerung dort müsse keinen Schutz in Bunkern suchen oder Angst vor Luftangriffen haben. Das tägliche Leben sei nicht wirklich eingeschränkt. Auf die Frage der Redaktion, was sie sich für die Zukunft wünsche, antwortet sie: "Alles, was ich mir wünsche, ist, dass der Krieg endlich aufhört."

Rani Levi, einer der beiden Betreuer der israelischen Austauschschülerinnen und -schüler, blickt auf eine lange Zeit seines Lebens, geprägt durch Konflikte, zurück. "Vor 55 Jahren sagten meine Eltern, sie hoffen, ich muss nicht zum Militärdienst. Heute hoffe ich, dass meine Enkel nicht mehr zum Militärdienst müssen." Allgemein sei die Lage im Großteil Israels ruhig, man merke wenig vom Krieg und könne seinem Leben wie gewohnt nachgehen. "Aber wir stehen auch unter Stress. Jeder kennt irgendwen, der in irgendeiner Form vom Krieg betroffen ist." Danach gefragt, ob er hoffe, dass sich die Situation in seinem Land bessert, antwortet er: "Ich will daran glauben und wir müssen daran glauben."
So blicken Würzburger Bürger auf die Situation im Nahen Osten
Auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, ist zu der Begegnung im Würzburger Rathaus gekommen. Er habe Verständnis, wenn Leute Mitgefühl mit der Bevölkerung im Gazastreifen haben, sagt er, aber: "Ich habe kein Verständnis, wenn völlig ausgeblendet wird, wie es dazu gekommen ist. Damit meine ich, dass die Menschen im Gazastreifen von der Hamas als Schutzschild missbraucht werden und dadurch diese auch zu Schaden kommen." In großen Städten wie Haifa, Jerusalem oder Tel Aviv bekomme man von den kriegerischen Auseinandersetzungen wenig mit. Laut Schuster bleibe zu hoffen, dass es gelingt, Frieden in Israel herzustellen.
Der 17-jährige Manuel Sahlmüller ist Schüler am FKG und Teilnehmer des Jugendaustausches. Im Austausch mit einem der israelischen Lehrer spricht er auch darüber, wie es sich anfühlt, wenn die israelischen Schülerinnen und Schüler auch in Würzburg rund um die Uhr mit Personenschützern herumlaufen müssen. Und vor dem Hintergrund der gestiegenen Anzahl antisemitischer Äußerungen und Angriffe in Deutschland sieht der 17-Jährige auch ein "Gefahrenpotenzial", wenn man Symbole des Staates Israel zeigt – wie zum Beispiel die israelische Fahne auf den Jugendaustausch-T-Shirts der Schülerinnen und Schüler. Für die Zukunft wünsche er sich, dass der Krieg aufhört und sich nicht noch weiter ausbreitet.