Viel Aufsehen um diesen Ehrentag will Josef Schuster nicht machen: Seinen 70. Geburtstag an diesem Mittwoch, 20. März, begeht der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland in kleinem, familiären Kreis. Ende November folgt ja schon das nächste Jubiläum: Zehn Jahre steht der Arzt aus Würzburg dann an der Spitze der Vertretung von rund 100.000 Jüdinnen und Juden in Deutschland. Groß nach öffentlichen Feiern ist der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland dieser Tage aber nicht zumute. Wer die Hoffnung hatte, die bundesrepublikanische Gesellschaft habe – als Lehre aus der Shoah, der industriellen Vernichtung von über sechs Millionen Jüdinnen und Juden – ihren Antisemitismus zumindest öffentlich tabuisiert, sieht sich ernüchtert: Seit dem Hamas-Überfall auf Israel und dem Beginn des Gaza-Krieges sind Menschen jüdischer Herkunft hierzulande vielerorts unverhohlen Hass und Übergriffen ausgesetzt. Im öffentlichen Leben, besonders eklatant in Universitäten und im Kulturbetrieb.
Josef Schuster ist als Lobbyist des Judentums, mehr aber noch als Mahner gefragt – und geachtet. Er hat Einfluss auf die gesellschaftliche Debatte, weil er seit jeher glaubwürdig das Wort erhebt, wenn Minderheiten bedroht werden, wenn sich gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit breitmacht. Und wenn es Menschenrechte und Demokratie zu verteidigen gilt.
Schuster: Antisemitismus ist ein Seismograf für die Brüchigkeit des zivilen Miteinanders
Der Zentralratspräsident ist überzeugt: Antisemitismus ist ein Seismograf für die Brüchigkeit des zivilen Miteinanders. Wo Jüdinnen und Juden angegriffen werden, sind Attacken gegen Muslime, gegen Geflüchtete, gegen queere oder politisch unbequeme Menschen nicht fern.
Josef Schuster wurde das gesellschaftliche Engagement bereits in die Wiege gelegt. Geboren 1954 im israelischen Haifa, kam er als Zweijähriger mit den Eltern nach Würzburg. Unterfranken ist seit Jahrhunderten die Heimat der Schusters. Aus Bad Brückenau im Kreis Bad Kissingen, wo die Familie ein koscheres Hotel betrieben hatte, konnten Vater David und die Großeltern 1938 gerade noch rechtzeitig vor den Nationalsozialisten flüchten.
David Schuster machte es sich zur Aufgabe, die jüdische Gemeinde in Würzburg und Unterfranken nach dem Holocaust wieder zum Leben zu erwecken, den Täterinnen und Tätern reichte er die Hand zur Versöhnung. In diesem Geiste wuchs Sohn Josef auf, wissend um die furchtbare deutsch-jüdische Geschichte, aber eben auch gut integriert in das katholisch geprägte Umfeld.
Gesellschaftliches Engagement wurde Schuster in die Wiege gelegt
David Schuster führte die Gemeinde von 1958 bis 1996, auf ihn geht unter anderem der Bau einer Synagoge zurück. 1998 folgte der Arzt Josef Schuster, der in Würzburg bis 2020 eine internistische Praxis führte, seinem Vater im Amt. 2002 wurde er zum Präsidenten des bayerischen Landesverbandes der israelitischen Kultusgemeinden, 2010 dann zum Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland gewählt. Nach dem Rücktritt von Dieter Graumann folgte 2014 die Wahl zum Zentralratspräsidenten. Auf internationaler Ebene ist Josef Schuster Vizepräsident des World Jewish Congress und des European Jewish Congress. Der zweifache Vater und vierfache Großvater ist Ehrenbürger von Würzburg.
Josef Schuster ist politisch gut vernetzt, bei den Repräsentanten des Staates, allen voran Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, ist sein Wort gefragt. In einem Interview ließ er gerade erstmals durchblicken, sich nach der aktuellen Wahlperiode bis 2026 weitere vier Jahre als Zentralratspräsident vorstellen zu können.