Über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder und Jugendliche wird immer wieder diskutiert. Um Probleme im Schulumfeld angehen zu können und die Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule generell zu stärken, wurde nun an zahlreichen Grundschulen im Landkreis Würzburg der Einsatz von Jugendsozialarbeitern bewilligt. Was genau ist deren Aufgabe – und was erhofft man sich an den Schulen von den neuen Kolleginnen und Kollegen?
"Der Jugendhilfeausschuss des Landkreises hat sich bereits im März 2021 intensiv mit den Folgen der Pandemie für die Schülerinnen und Schüler beschäftigt und damit, wie Jugendhilfe Unterstützung leisten kann", sagt Bernd Adler, Leiter des Kreisjugendamtes Würzburg, auf Nachfrage dieser Redaktion. Nach einem Jahr Pandemie sei festzustellen gewesen, dass die negativen Auswirkungen bei den Grund- und Mittelschulen am deutlichsten sichtbar waren. Daher sei ein Grundsatzbeschluss zum weiteren Ausbau von Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) gefällt worden, der ein schnelleres und einfacheres Verfahren der Bedarfsprüfung von Neuanträgen vorsieht. Zudem seien 2021 die Fördermittel durch den Freistaat aufgestockt worden und Zugangshürden in den Förderrichtlinien weggefallen.
JaS-Stelle in Güntersleben wird aufgestockt
An vielen Schulen hätte man daraufhin die Chance ergriffen, Bedarf für JaS anzumelden – nicht nur wegen der Folgen der Pandemie: "Immer mehr Gemeinden beziehungsweise Schulaufwandsträger und Schulleitungen wünschen sich zusätzliche Unterstützung für den immer größeren Anteil von Schülerinnen und Schülern aus benachteiligten Familien, für Kinder, die verhaltensauffällig sind, oder deren Eltern aus verschiedenen Gründen die notwendige Unterstützung nicht leisten können", erklärt Adler.
An der Grundschule Ochsenfurt zum Beispiel, bei der die bereits bestehende JaS-Stelle nun auf 30 Wochenstunden aufgestockt wurde, sind die Schülerzahlen laut Adler generell gestiegen, gleichzeitig sei ein erhöhter Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund zu verzeichnen. Außerdem hätten die Einzelfälle in der Jugendsozialarbeit zugenommen.
Jugendsozialarbeiter als neutraler Ansprechpartner
An der Georg-Anton-Urlaub-Grundschule in Thüngersheim wurde eine neue 50-Prozent-Stelle für einen Jugendsozialarbeiter bewilligt: "Die Stelle wird sehr benötigt – wir freuen uns darauf", sagt Schulleiterin Gudrun Dausacker. Für sie bedeutet JaS in erster Linie "eine Unterstützung für Kinder und Eltern am Rande des schulischen Ablaufs. Der Jugendsozialarbeiter kann da rangehen, wo es unsere schulischen Möglichkeiten übersteigt; er ist Bindeglied zwischen Eltern und Schule und ein zusätzlicher, neutraler Ansprechpartner".
Dessen Einsatz sei gefragt, weil es in einigen Fällen zunehmend Probleme gebe, bei denen man direkt Kontakt zu den Eltern aufnehmen müsse. So habe zum Beispiel Corona verstärkt, dass Familien mit Migrationshintergrund oder sozial schwächere Familien viel zusätzliche Unterstützung bräuchten.
Außerdem zeigten sich nun die Auswirkungen der sozialen Isolation, die Corona mit sich gebracht habe: "Verhaltensauffälligkeiten von Kindern, die vielleicht vorher schon leichte Anzeichen hatten, verstärken sich. Der reduzierte Kontakt zu Gleichaltrigen hatte ganz klare Auswirkungen", ist Dausacker überzeugt. Kinder mit Migrationshintergrund seien zudem über eine lange Zeit von ihrer Umgebungssprache komplett abgekoppelt gewesen.
Dies alles aufzufangen, sprenge den Rahmen dessen, was eine Lehrkraft leisten könne, so Dausacker. Der Jugendsozialarbeiter übernehme keine unterrichtlichen Tätigkeiten, sei aber als zusätzlicher Ansprechpartner im Klassenzimmer, um ein Vertrauensverhältnis zu den Schülern aufbauen zu können.
Sozialtraining für Konfliktsituationen
Die Kontaktaufnahme zwischen Jugendsozialarbeiter und Eltern kann von beiden Seiten ausgehen: Zum einen sei jeder Jugendsozialarbeiter in einem eigenen Büro im Schulhaus anzutreffen, zum anderen könnte auch er selbst die Eltern anrufen und fragen, ob sie Unterstützung bräuchten. "Es geht darum, dass eine zusätzliche Person die Eltern bei bestimmten Themen mit ins Boot holen und zum Beispiel für sie einen Kontakt zur Erziehungsberatungsstelle herstellen kann", so Dausacker.
In der Schule selbst könnte der Jugendsozialarbeiter unter anderem eine Art Sozialtraining für eine Gruppe von Kindern anbieten, in dem thematisiert wird, wie man sich in bestimmten Konfliktsituationen verhält.
"Jugendsozialarbeit ist immer ein Gewinn für die Schule", ist auch Stefan Dusolt, Leiter der Grundschule Veitshöchheim, überzeugt. Dort wurde ebenfalls eine halbe Stelle für einen Jugendsozialarbeiter bewilligt. Dusolt plant, gemeinsam mit dem Jugendamt die Stelle auszuschreiben und hofft, dass sie zum neuen Schuljahr im Herbst angetreten werden kann.
Den Wunsch nach JaS habe man an der Grundschule Veitshöchheim schon seit einigen Jahren: "Der Ort gehört nicht zu den Problemgemeinden, ist aber eine typische Stadtrandgemeinde, wo man alle Arten von Bevölkerung, und damit auch alle Arten von Problemen findet", sagt Dusolt. "Bei 10 000 Einwohnern ist genug Stoff für Jugendsozialarbeit da."
Schüler als Streitschlichter und Pausenhelfer
Bisher habe man versucht, Schwierigkeiten anderweitig aufzufangen. Zum einen durch eine Beratungslehrerin, die Eltern beispielsweise an eine Erziehungsberatungsstelle weitergeleitet habe, zum anderen durch Arbeit mit den Kindern selbst: Ab der dritten Klasse können sich die Schülerinnen und Schüler zu Streitschlichtern und Pausenhelfern ausbilden lassen.
Bei der Tätigkeit eines Jugensozialarbeiters stünden Erziehung und Soziales im Mittelpunkt, so Dusolt – bei der Lehrkraft dagegen das Unterrichten. "Mit dem Jugendsozialarbeiter haben wir jemanden vor Ort, der mit Kindern einzeln oder in kleinen Gruppen arbeitet", erklärt Dusolt. Ziel sei stets, die Situation des Kindes zu verbessern. Eine weitere Säule der Jugendsozialarbeit sei Elternarbeit, etwa in Form von Fortbildungen für Eltern, zum Beispiel zu Themen wie Gesundheit, Mobbing und Gewaltprävention.
Manche Schüler haben seit der Pandemie ein aggressiveres Grundverhalten
Generell gebe es zahlreiche verschiedene Bereiche, in denen ein Jugendsozialarbeiter tätig wird: bei familiären, erzieherischen oder psycho-sozialen Problemen. Gerade letztere seien durch Corona verstärkt worden, da durch die Pandemie zeitweise keine Treffen mit Freunden möglich gewesen und der Medienkonsum zum Teil sehr gestiegen sei, hat auch Dusolt beobachtet. Andere Themen können Mobbing sein – etwa ab der vierten Klasse machen laut Dusolt Kinder oft erste Erfahrungen mit Social Media –, psychische Probleme in der Familie oder die Scheidung der Eltern.
"Der Corona-Aspekt war 2021 größer als jetzt, weil da die Kinder länger zuhause waren", sagt Dusolt. Inzwischen gebe es wieder sozialen Kontakt in der Schule. Aber: "Bei manchen Schülern fällt ein aggressiveres Grundverhalten als vor der Pandemie auf."