
Anastasiia Nesterenko ist mit ihrer Schwester und ihren Eltern vor dem Krieg in der Ukraine von Charkiw nach Polen geflohen - und landete schließlich in Kitzingen. Als Kunstlehrerin konnte die 35-Jährige in Unterfranken bislang nicht tätig sein, weil ihr Studium hier nicht anerkannt wird. Durch den "Job-Turbo" der Bundesregierung hat die Ukrainerin inzwischen immerhin Arbeit - in Teilzeit in einem Blumenladen.
Elektroingenieurin Marina Yertushenko, die in ihrer Heimat bei einem großen Energieversorger tätig war, fand mit Unterstützung der Agentur für Arbeit einen Praktikumsplatz bei den Licht-, Kraft- und Wasserwerken Kitzingen (LKW). "Es macht mir Spaß und alle sind nett und hilfsbereit", sagt die 45-jährige Mutter von zwei Kindern.
Gut ausgebildet, aber Sprach- und Betreuungsprobleme
Trotz ihrer guten Ausbildung haben viele ukrainische Frauen Schwierigkeiten, in Deutschland auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die Mehrheit der ukrainischen Geflüchteten bezieht Sozialleistungen. Im Januar 2024 erhielten laut Arbeitsagentur in Unterfranken 8227 Personen aus der Ukraine Grundsicherung, davon 5780 im erwerbsfähigen Alter. "Meist handelt es sich um Frauen mit Kindern, die nicht nur ein Sprach-, sondern auch ein Betreuungsproblem haben", sagt Barbara Brückner, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt bei der Arbeitsagentur in Würzburg.
Um ukrainische Flüchtlinge schneller im deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren, startete das Bundesarbeitsministerium im Oktober 2023 die Initiative "Job-Turbo" gestartet. Das sei, so SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil, für die Akzeptanz der Geflüchteten in der Bevölkerung wie für die Betroffenen selbst von großer Bedeutung.

Auch die Vermittlerinnen im Jobcenter Würzburg und Kitzingen setzen das Prinzip des "sanften Drucks" um. Sie laden die Ukrainerinnen häufiger ein und unterbreiten ihnen Jobangebote. "Der Besuch eines Deutschkurses ist kein Grund mehr, um verschont zu werden", sagt Sandra Brendler von der Agentur für Arbeit in Kitzingen. Wer Grundkenntnisse habe und einen Integrationskurs absolviert hat, soll nun "mit der Arbeit beginnen und gleichzeitig Deutsch berufsbegleitend weiterlernen".
Im Kurs "Fit für den Beruf" lernen die Frauen, Bewerbungen zu schreiben, sich auf deutsche Arbeitgeber einzustellen und sie können durch Praktika in verschiedenen Jobs hineinschnuppern. In Unterfranken haben bislang 2670 Flüchtlinge eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden, 828 sind Minijobber. "Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass der Job Turbo Fahrt aufgenommen hat und Wirkung zeigt", sagt Barbara Brückner.

"Unsere Zukunft in der Ukraine ist wegen des Krieges ungewiss, und daher denke ich an meine Kinder. Für sie ist es in Deutschland besser", sagt Elektroingenieurin Marina Yevtushenko, die sich mittlerweile gut auf Deutsch verständigen kann. Durch den Job-Turbo hat sie die Chance, einen ersten Einstieg ins Berufsleben zu finden. Derzeit ist sie in der Buchhaltung beim Energieversorger LKW tätig. "Auch bei der Arbeit lernt man die Sprache", sagt Brückner. Das Ziel sei eine langfristige Perspektive und der Zugang zum ersten Arbeitsmarkt.
Denn in vielen Branchen sind Fachkräfte knapp, Unternehmen stehen vor der Herausforderung, geeignete Mitarbeiter zu finden. Und das Problem verschärft sich, wenn die Babyboomer-Generation in den Ruhestand geht. "Geflüchteten fehlt aber oft die erforderliche Qualifikation, angefangen bei der Sprache", sagt Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.
Idee: Sprache durch Arbeit lernen, nicht erst im Kurs
In der Vergangenheit habe man versucht, das Problem der fehlenden Sprachkenntnisse durch Kurse zu lösen. Die Folge: Betroffene waren für längere Zeit vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen, ihre Chancen auf Integration sanken. "Mit dem Job-Turbo wird nun mehr Wert auf eine schnellere Arbeitsmarktintegration und berufsbegleitende Qualifikation gelegt", sagt Schäfer. Das sei der richtige Ansatz. "Unglücklicherweise fällt diese Kehrtwende in eine Phase, in der konjunkturbedingt die Arbeitskräftenachfrage der Betriebe zurückgeht."
Auch Anastasiia Nesterenko will in absehbarer Zeit nicht in die Ukraine zurück. "Ich möchte hier in Deutschland bleiben und arbeiten", sagt die 35-Jährige, die Flüchtlingskindern Kunstunterricht gibt und froh ist, im Blumenlädchen eine Tätigkeit gefunden zu haben.