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Würzburg
Rentenfalle Minijob: Wie geraten Frauen durch geringfügige Beschäftigungen in Altersarmut, Frau Brückner?
Im Schnitt arbeiten verheiratete Frauen acht Jahre in einem Minijob - und haben dann einen Rentenanspruch von gerade mal 42 Euro. Was tun? Das rät eine Würzburger Expertin.
Barbara Brückner ist Beauftragte für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt bei der Agentur für Arbeit in Würzburg.
Foto: Patty Varasano | Barbara Brückner ist Beauftragte für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt bei der Agentur für Arbeit in Würzburg.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 21.11.2024 16:30 Uhr

Sie putzen Büros, füllen Supermarktregale auf, kellnern in Restaurants - die Zahl der Menschen mit Minijobs steigt seit Jahren. In einigen Branchen werden inzwischen sogar reguläre Arbeitsplätze durch Minijobs ersetzt. Zum Jahresende 2022 waren laut Bundesagentur für Arbeit knapp 4,3 Millionen Menschen in einem Minijob tätig, rund 60 Prozent davon Frauen. Den größten Anteil machten die 25- bis 55-Jährigen mit etwa einem Drittel aus. 

Auch in Unterfranken arbeiten 61.378 Menschen in Minijobs, davon 33.171 Frauen (54 Prozent). Sie dürfen dabei nicht mehr als 538 Euro im Monat verdienen oder einen Arbeitseinsatz von maximal 70 Tagen im Jahr haben. 

Gerade verheiratete Frauen sind im Schnitt etwa acht Jahre im Minijob tätig, hat das Bundesfamilienministerium in einer Erhebung errechnet. Acht Jahre, in denen sie kaum Beiträge zur Rentenversicherung zahlen. Laut Berechnungen des Sozialverbands VdK erwirtschaften Frauen, selbst wenn sie 45 Jahre im Minijob arbeiten würden, gerade mal eine Rente von 200 Euro. 

Warum sind trotzdem so viele Frauen nur im Minijob tätig? Warum gibt es überhaupt Minijobs? Was tut die Arbeitsagentur für bessere Arbeitsverhältnisse? Antworten gibt Barbara Brückner, Beauftragte für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt bei der Agentur für Arbeit in Würzburg. 

Seit wann gibt es den Minijob und warum?

Barbara Brückner: Minijobs wurden im Jahr 2003 in Deutschland als flexibles Instrument der Arbeitsmarktpolitik eingeführt. Das Ziel der Politik war damals, Menschen die Möglichkeit zu geben, unkompliziert etwas Geld dazuzuverdienen. Außerdem sollen Minijobs Schwarzarbeit verhindern. Heutzutage nutzen Unternehmen diese Form der Beschäftigung unter anderem, um saisonale Beschäftigungsspitzen abzufangen, beispielsweise in der Gastronomie während der Weihnachtszeit  oder in der Erntezeit.

Warum ist der Minijob gerade für Frauen so attraktiv?

Brückner: Viele Frauen möchten etwas zum Familieneinkommen beitragen. Doch oft haben sie kaum zeitliche Kapazitäten, denn sie leisten meist immer noch den Hauptteil der Care-Arbeit, kümmern sich also um Haushalt und Kinder. Im Vergleich zu Angestellten sind Minijobber von der Sozialversicherung und der Einkommensteuer befreit. Ihr Brutto- ist auch ihr Nettolohn.

Laut einer Studie sind verheiratete Frauen oft bis zu acht Jahren im Minijob. Was ist die Gefahr dabei?

Brückner: Die Gefahr ist der sogenannte Klebeeffekt. Das heißt, der Minijob ist dann keine vorübergehende Lösung oder ein Sprungbrett in eine Festanstellung. Dauerhaft im geringfügigen Beschäftigungsverhältnis zu bleiben ist schlecht. Den Frauen droht die Altersarmut.

Sind Minijobs rentenversicherungspflichtig?

Brückner: Seit 2013 müssen Minijobs in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert werden. Die Arbeitgeber zahlen einen Pauschalbeitrag von 15 Prozent, die Minijobber müssen selbst einen Eigenbeitrag von 3,6 Prozent leisten. Es besteht jedoch die Möglichkeit, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen - eine Option, von der leider viele Frauen Gebrauch machen. Wir raten dringend davon ab, da man nur dann von den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung profitiert, wenn man Beiträge einzahlt.

Ein 520-Euro-Minijob wirkt sich auch auf die Rente aus - vor allem für verheiratete Frauen, die lange in der Gastronomie oder anderswo geringfügig beschäftigt sind, kann das negative Folgen haben. 
Foto: Sebastian Gollnow, dpa | Ein 520-Euro-Minijob wirkt sich auch auf die Rente aus - vor allem für verheiratete Frauen, die lange in der Gastronomie oder anderswo geringfügig beschäftigt sind, kann das negative Folgen haben. 

Welche Vorteile hat ein Minijobber, wenn er in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt?

Brückner: Minijobber, die in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, haben Anspruch auf alle Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. Wenn der Arbeitgeber eine betriebliche Altersvorsorge anbietet, steht auch Minijobbern dieses Recht zu. Zudem haben sie Anspruch auf Übergangsgeld während einer Rehamaßnahme und können staatliche Förderungen für die private Altersvorsorge wie die Riesterrente in Anspruch nehmen. Die Beitragszeiten werden noch dazu zur Anrechnung der Grundrentenzeit berücksichtigt, der Verdienst aus dem Minijob wird komplett auf die Rente angerechnet.

Welche Rechte haben Minijobber und Minijobberinnen?

Brückner: Als Minijobber haben Sie die gleichen Rechte wie Arbeitnehmer in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Das bedeutet, dass Sie Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben, wenn Sie aufgrund medizinischer Vorsorge oder einer Rehamaßnahme nicht arbeiten können. Sie haben auch Anspruch auf tarifvertraglichen Leistungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld. Als Minijobber haben Sie außerdem alle Rechte, die sich aus dem Mutterschutzgesetz ergeben, einschließlich besonderem Kündigungsschutz, Mutterschaftsgeld sowie Anspruch auf Elterngeld und Elternzeit. Sie sind auch bei einem Arbeitsunfall versichert und haben selbstverständlich Anspruch auf Mindest- oder Tariflohn.

Haben Minijobber auch Anspruch auf bezahlten Urlaub?

Brückner: Als Minijobberin oder Minijobber haben Sie Anspruch auf bezahlten Urlaub. Gemäß dem Bundesurlaubsgesetz steht Ihnen als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ein Mindesturlaub von vier Wochen oder 24 Werktagen pro Jahr zu. Die Anzahl Ihrer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitstage ist entscheidend für Ihren Urlaubsanspruch.

Sieht die Vorteile und die negativen Seiten der Minijobs: Barbara Brückner, Beauftragte für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt bei der Agentur für Arbeit in Würzburg.
Foto: Patty Varasano | Sieht die Vorteile und die negativen Seiten der Minijobs: Barbara Brückner, Beauftragte für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt bei der Agentur für Arbeit in Würzburg.

Bietet der Minijob also mehr Chancen - oder überwiegend Risiken?

Brückner: Minijobs können eine gute Möglichkeit sein, nach einer Familienphase wieder ins Berufsleben einzusteigen. Es ist jedoch nicht ratsam, dauerhaft in einem Minijob zu bleiben. Insbesondere für Frauen kann dies zu Altersarmut führen. Es ist auch zu beachten, dass Minijobberinnen und Minijobber im Falle von Arbeitslosigkeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, was ein soziales Risiko darstellt.

Online-Informationsveranstaltung zu Minijobs

Die Bundesagentur für Arbeit unterstützt bei der Suche nach festen Arbeitsverhältnissen und bietet auch Weiterbildungen, Qualifizierungen und Umschulungen an. 
In Online-Vorträgen und Seminaren findet man Rat und Informationen zu Themen rund um Arbeit, Ausbildung und Beruf. Zum Beispiel "Tipps für den Wiedereinstieg ins Berufsleben" oder "Richtig bewerben, aber wie?"
Fragen beantwortet auch die Minijob-­Zentrale der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft­Bahn­See unter der Telefonnummer (0355) 290 2­70 799 und im Internet unter www.minijob­zentrale.de
clk
 
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