Als die Würzburger Grünen vor fünf Jahren im Vorfeld der letzten Europawahl zu ihrem Neujahrsempfang luden, war die Welt noch eine andere. Vor dem Ukraine-Krieg und dem Rechtsruck in Deutschland ging es 2019 vor allem um das Kernthema Klimaschutz, mit dem sie in Würzburg rund 31 Prozent der Stimmen holten und sogar die CSU knapp hinter sich ließen.
Inzwischen verteidigt sich die Ukraine seit über zwei Jahren gegen den russischen Angriff, der Nahost-Krieg ist nach den Terror-Attacken der Hamas auf Israel neu aufgeflammt, und in Deutschland erreicht die AfD zweistellige Umfragewerte. Aus dem grünen Neujahrsempfang ist inzwischen ein Frühjahrsempfang geworden, und das Thema Klimaschutz und Energiewende stand auf dem Empfang der Grünen am Sonntag hinter dem Schutz der Demokratie nur noch an zweiter Stelle.
Würzburger Grüne erschüttert von Attacke auf Politiker in Sachsen
Auch bei den Würzburger Grünen haben die jüngsten Angriffe auf Europa-Wahlkämpfer wie den sächsischen SPD-Spitzenkandidaten und EU-Parlamentarier Matthias Ecke für Erschütterung gesorgt. "Das sind Angriffe auf das Herz unserer Demokratie", betonten die Kreisvorsitzende Simone Artz und die Stadtrats-Fraktionsvorsitzende Sandra Vorlova bei ihrer Begrüßung von knapp hundert Gästen im jüdischen Gemeindezentrum Shalom Europa: "Alle, denen unsere Demokratie am Herz liegt, müssen dagegen aufstehen und die immer noch Blauäugigen wachrütteln."
Für Lisa Badum, grüne Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Bamberg, kommt die Entwicklung nicht überraschend. Bei den Bauernprotesten Anfang des Jahres, konkret bei einer Veranstaltung vor der Bamberger Brose Arena, habe sie zum ersten Mal in ihrer politischen Laufbahn Angst bekommen, berichtete sie: "Da herrschte eine richtige Putschstimmung, es war gruselig."
Jüdischer Grünen-Abgeordneter hat über eigene Sicherheit nachgedacht
Einen Wahlkampf-Zwischenstopp beim Frühjahrsempfang machte Sergey Lagodinsky, seit 2019 Europa-Abgeordneter und grüner Spitzenkandidat bei der Europawahl am 9. Juni. "Auch ich habe mir Gedanken gemacht, weil ich ohne Schutz unterwegs bin", sagte er: "Es muss möglich sein, sich hart politisch auseinander zu setzen und sich gleichzeitig auf der Straße sicher zu fühlen."
Lagodinsky ist in der laufenden Legislaturperiode der einzige jüdische EU-Parlamentarier aus Deutschland. Gefährdet seien auf den Straßen nicht nur Politikerinnen und Politiker, sondern auch "Menschen, die anders aussehen, anders denken und sich anders kleiden", betonte er. Anders als 2019, als die Klimaziele im Mittelpunkt des grünen Europa-Wahlkampfs standen, gehe es in diesem Jahr darum, für den Zusammenhalt, die Freiheit und den Frieden in Europa zu kämpfen. "Mit nationalen Egoismen und Luftschlössern (…) werden wir in einer Welt voller Rivalitäten, Kriege und Wettbewerbsdruck nicht vorankommen."
"Ohne Demokratie entfällt der Grund, warum wir für den Klimaschutz kämpfen"
Bei der Europawahl dürfen in diesem Jahr zum ersten Mal auch 16- und 17-jährige Menschen ihre Stimme abgeben. Nachdem rechte Parteien vor allem bei jungen Menschen an Zustimmung gewonnen haben, müssten die jungen Erstwähler im Wahlkampf gezielt angesprochen und für die Themen der Grünen begeistert werden, forderte Mathilda Öchslein, Vorstandsmitglied der Grünen Jugend Würzburg.
Für den thematischen Schwenk zurück zum grünen Kernthema sorgten Klima-Bürgermeister Martin Heilig, der über die kommunale Wärmeplanung in Würzburg sprach, und Lisa Badum. Der Kampf gegen den Klimawandel sei in einer Demokratie, in der sich alle politischen Parteien profilieren müssen, langwierig und zäh, sagte die Bundestagsabgeordnete: "Ohne Demokratie entfällt aber der Grund, warum wir überhaupt für den Klimaschutz kämpfen. Wir machen das, um die Freiheit der künftigen Generationen zu schützen (…) und damit weiter die Parlamente entscheiden und nicht der Katastrophenschutz."