Von seinem Balkon in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) hat Rudolf Gabler einen herrlichen Blick auf das Maintal. Täglich schaut er mehrmals auf die Eisenbahnbrücke und beobachtet wie auf der ICE-Trasse Würzburg-Hannover die schnellen Züge im Tunnel verschwinden. Mit der Schnellfahrstrecke verbindet ihn viel. Er hat die Stromversorgung der Trasse geplant und war mit dabei als ein ICE-Versuchsszug 1988 bei Gemünden die Rekordgeschwindigkeit von 406,9 km/h erreicht hat. "Wir hätten noch viel schneller fahren können, aber das war politisch nicht gewollt", sagt Rudolf Gabler.
Stolz erzählt der 76-Jährige von damals und zeigt an seinem Esstisch Muster von Stromleitungen, die er sich aufgehoben hat. Von einst ganz dick bis heute ganz zart haben sich die Oberleitungen an Eisenbahnstrecken verändert. Bis 1990 war Rudolf Gabler bei der Bahn beschäftigt. Seine Karriere ging bis zum Bundesbahndirektor, dann hat der gelernte Ingenieur für Energiewirtschaft und Kraftwerkstechnik gekündigt und wechselte zu einem lokalen Stromversorger.
Seit Juni ist die Schnellfahrstrecke Würzburg-Fulda wegen Bauarbeiten gesperrt
Seit über 30 Jahren ist die Schnellfahrstrecke, die gut zwei Kilometer Luftlinie von Gablers Wohnung in Veitshöchheim entfernt ist, im Dauerbetrieb. Tagsüber fahren die schnellen Züge und nachts gehören die Schienen dem Güterverkehr. Seit Mitte Juni ist es still auf der Strecke. Rudolf Gabler sieht höchstens mal einen Bautrupp, der neue Gleise verlegt oder Schotter aufbringt.
Der Abschnitt bis Fulda ist gerade gesperrt und das letzte Teilstück zwischen Würzburg und Hannover, das in diesem Jahr modernisiert wird. Der Abschnitt zwischen Kassel und Fulda folgt 2023. Insgesamt investierte der Bund rund 215 Millionen Euro in 165 Kilometer neue Gleise, 72 Weichen sowie die Technik. Gleichzeitig werden laut Bahnangaben auf der Strecke 128.000 Tonnen Schotter ausgetauscht.
Ist es überhaupt nötig, die ICE-Strecke zu sperren?
Dass Streckenabschnitte für Bauarbeiten komplett gesperrt werden müssen, versteht der Bahnexperte nicht. "Die Schnellfahrstrecke ist für einen eingleisigen Betrieb mit einer Kurvengeschwindigkeit von gut 100 Stundenkilometer ausgelegt", sagt er und verweist auf die vielen Überleitstellen, Betriebsbahnhöfe und Arbeitszuggleise, die extra für einen eingleisigen Betrieb gebaut worden sind. "Die Weichen- und Signalvorrichtung ist vorhanden. Das ist absolut sicher", sagt Gabler. Dass gerade jetzt, wo Hauptverkehrsachsen auf der Schiene heillos überlastet sind, die Bahn eine ihrer wichtigsten Verbindungen sperrt, will ihm nicht in den Kopf.
Gut fünf Stunden dauert die Fahrt im Moment von Würzburg nach Hamburg - normalerweise sind es fast vier Stunden. Umgeleitet Werden die Züge über Gemünden - Eine sowieso schon viel befahrene Strecke. „Die längere Fahrzeit und die zusätzliche Belastung auf der Maintalstrecke wären nicht nötig, weil auf der Schnellfahrstrecke beides möglich ist: Bauarbeiten und Zugverkehr“, sagt Gabler.
Deutsche Bahn: "Sperrzeit würde sich mit eingleisigen Sperrungen teilweise vervierfachen"
Bei der Deutschen Bahn wird das nicht so gesehen. "Da die Strecke rund um die Uhr in Betrieb ist, würde sich beispielsweise die Sperrzeit mit eingleisigen Sperrungen teilweise vervierfachen", schreibt eine Bahnsprecherin. Und dazu komme nocht, dass bei eingleisigen Sperrpausen im Gegengleis Langsamfahrstellen eingerichtet werden müssten, um den Arbeitsschutz zu gewährleisten.
"Auf der Strecke gibt es dazu ein Begegnungsverbot zwischen Personen- und Güterverkehr, was keine eingleisigen Sperrpausen ermöglicht." Die Totalsperrung sei die beste Variante, weil sie ein Kompromiss aus den Ansprüchen der Transportunternehmen und der technischen Realisierbarkeit der Bauuverfahren ist, so die Bahnsprecherin.
Rudolf Gabler hat noch einen Kritikpunkt. Er passt zur aktuellen Diskussion über die marode und altersschwache Infrastruktur der Deutschen Bahn, zu Zugausfällen, Verspätungen, zu all den Schwierigkeiten, die Reisende täglich irgendwo in Deutschland immer wieder bei Bahnfahrten erleben. "Bahnchef Mehdorn wollte auf Teufel komm raus das Unternehmen im Jahr 2008 an die Börse bringen - und deswegen wurde überall auf Verschleiß gefahren", ist der ehemalige Bundesbahndirektor überzeugt.
Hat die Bahn bei der Instandhaltung der Schnellfahrstrecke gespart?
Gabler kennt Dienstellen, die personell so ausgedünnt worden sind, dass sie die laufende Instandhaltung nicht mehr durchführen konnten. Gerade in seinem Bereich, dem Unterhalt der Fahrleitungen, sei massiv eingespart worden, sagt er. "Die laufende Instandhaltung wurde nicht durchgeführt", ärgert sich der ehemalige Bundesbahndirektor.
Auch, dass die Modernisierung der ICE-Strecke Würzburg-Hannover nun als Ersatzinvestition in die Schienenwege angesehen wird, kann Rudolf Gabler nicht nachvollziehen. Denn Ersatzinvestitionen müssen laut Gesetz vom Bund, also von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern finanziert werden. Während die Kosten für Unterhalt und Instandsetzung die Bahn selber bezahlen muss.
Bahnsprecherin: Die reine Instandhaltung reicht nicht mehr aus
Die Bahnsprecherin wehrt ab: "Seit Inbetriebnahme der Schnellfahrstrecke vor über 30 Jahren haben wir selbstverständlich immer wieder regelmäßige Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt. Diese folgen vorgegebenen Fristen und werden von unserer Aufsichtsbehörde streng überwacht", teilt sie mit und zählt entsprechende Tätigkeiten auf: die Wartung und Inspektion von Schienen, Schwellen und Weichen, das Schleifen der Schienen, der Fahrdrahtwechsel bei der Oberleitung oder das Stopfen des Schotters für die stabile Lage der Gleise.
Mit fortgeschrittenem Alter der Anlagen reiche die reine Instandhaltung jedoch nicht mehr aus, argumentiert die Sprecherin weiter. "Da nach einer gewissen Nutzungsdauer die gesamte Anlage nun erneuert werden muss, ist es eine Ersatzinvestition."
Wie steht der Fahrgastverband Pro Bahn zur gesperrten ICE-Strecke?
Lob für die Bahn gibt es von Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn. Er gibt Rudolf Gabler zwar theoretisch recht, sagt aber auch: "Die Arbeiten würden dann aber doppelt so lange dauern." Dass eine Strecke gesperrt werden muss, sei zwar nicht schön, aber am besten "ist es doch, in einem Rutsch durchzubauen".
Die Franzosen, so erzählt Naumann, würden ganz anders vorgehen. Dort werde nachts an den Bahnstrecken gebaut, weil dann keine Güterzüge fahren. In Deutschland gebe es diese nächtlichen Pausen nicht. Dass er für die Bahnfahrt Würzburg-Hannover nun gut 60 Minuten mehr einplanen muss, störe ihn nicht. "Es ist auch ein Genuss von Fulda nach Würzburg am Main entlang zu fahren."
Vom 17. Oktober an sollen Züge wieder regulär von Frankfurt nach Würzburg fahren. Auf dem Abschnitt nach Fulda wird die Bahn voraussichtlich noch bis zum 10. Dezember arbeiten.
wenn man sich in Erinnerung ruft, welche Arbeiten früher "unter rollendem Rad" gemacht wurden (z. B. Elektrifizierung der Strecke Fulda - Gemünden Anfang der 1960-er Jahre).
Wenn man sich aber überlegt, was sich seitdem allein auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit getan hat, liegt der "Verdacht" nahe, dass es wirklich gescheiter ist, ohne Beeinträchtigung durch vorbeifahrende Züge zu arbeiten/ diese umzuleiten, um die Auswirkungen für den Betrieb letztendlich so gering wie möglich zu halten.
Was mich angeht, ich nehme lieber eine längere Fahrzeit in Kauf als zu erfahren, dass während der Bauarbeiten Menschen ums Leben gekommen sind, weil irgendeine Sicherheitsmaßnahme nicht (richtig) funktioniert hat (wie z. B. auch 1994 in Markt Einersheim, wo drei Menschen tödlich verletzt wurden).
Da haben sie vollkommen recht, Hauptsache studiert aber von tuten und blasen keine Ahnung.
Dass die Bahn sparen musste wollte der Steuerzahler!
Und Oberammergau/Muenau hat ein ganz anderes Thema! Das Zugunglück kostet immer noch Substanz!
Und das 9 € Ticket hat auch nix damit zu tun, denn die Ausschreibungen sind schon vor Monaten oder Jahren gelaufen.
Da kann man nicht mal einfach so was verschieben!
Zum einen wird nächstes Jahr, also 2023, noch der Abschnitt der Schnellfahrtrasse Hannover - Würzburg zwischen Kassel und Fulda saniert, der Abschnitt zwischen Fulda und Würzburg ist also nicht der letzte, der saniert wird und zum anderen beträgt die normale Fahrzeit zwischen Würzburg und Hamburg bzw. zwischen Hamburg und Würzburg nicht ca. 4 Stunden, sondern ca. 3 1/2 Stunden.
Ich selbst war im Mai mit dem ICE in Hamburg und kann die 3 1/2 Stunden bestätigen.
Vorausgesetzt ist aber, die ICE´s fahren pünktlich im Hbf. Hamburg ein und fahren dort auch pünktlich los, denn sowohl der Hbf. Hamburg als auch das Scheinennetz rund um Hamburg sind chronisch überlastet und ein einziges Chaos.
Verspätungen sind dort normal.
Wer dort z.B. umsteigen will, sollte ein Zug früher nehmen oder mit unangehmen Überraschungen rechnen, sonst bleibt man dort "auf der Strecke" oder besser gesagt "im Bahnhof".
Diese Erfahrung habe ich erst vor 3 Wochen gemacht.
Eingleisiger Betrieb auf der Schnellfahrstrecke wäre unsinnig, da sich die Bauzeit erheblich verlängert und die Zugkapazität bei weitem nicht ausreichen würde. Zudem werden die Überleitstellen ja auch saniert und auch gebraucht um Bauzüge und Material abzustellen. Komplettsperrung ist die beste Lösung um die Bauarbeiten zügig zu beenden. Da gibt es keine Alternativen.