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Würzburg
In Würzburg gestrandet: Drei ukrainische Frauen berichten von ihrer Flucht aus ihrer Heimat
Sie sind aus verschiedenen Gründen vor dem Krieg in ihrer Heimat geflüchtet. Wie es drei Frauen in Würzburg derzeit geht, was sie erlebt haben und welche Hoffnungen sie haben.
Drei geflüchtete Frauen - drei Schicksale: von links Kateryna Petrash, Julia Kaurova und Olga Brazhnik mit Gabriele Nelkenstock  (3.v.l.) vom Verein 'Hilfe im Kampf gegen Krebs', die sich für Geflüchtete einsetzt.
Foto: Silvia Gralla | Drei geflüchtete Frauen - drei Schicksale: von links Kateryna Petrash, Julia Kaurova und Olga Brazhnik mit Gabriele Nelkenstock  (3.v.l.) vom Verein "Hilfe im Kampf gegen Krebs", die sich für Geflüchtete einsetzt.
Katja Glatzer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:15 Uhr

Die Traurigkeit steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Kateryna Petrash, Julia Kaurova und Olga Brazhnik. Drei Frauen, die in den vergangenen drei Wochen nach der Flucht aus dem Heimatland in Würzburg gestrandet sind. Aus unterschiedlichen Gründen. In einem gemeinsamen Gespräch in den Räumen des Vereins "Hilfe im Kampf gegen Krebs" in der Zellerau erzählen sie ihre Geschichte.

Als vom 23. auf den 24. Februar erste Explosionen und Schüsse aus der Ferne bei Charkiw im Osten der Ukraine zu hören sind, denkt Olga Brazhnik nicht, dass sie bald darauf das Land verlassen wird. "Ich habe inständig gehofft, dass es nicht so schlimm kommt", erzählt die 37-Jährige mittels einer Übersetzerin. Aber es kommt schlimmer. Und Brazhiks Mutter, die seit längerer Zeit schon in Würzburg lebt, ruft die Tochter wieder und wieder an, und sagt: "Ihr müsst losfahren."

Schweren Herzens packt Olga Brazhnik das Nötigste ein, bereitet ihren zehnjährigen Sohn auf die Reise vor. Beide müssen sich von Brazhniks Opa und Mann verabschieden - auf unbestimmte Zeit. "Natürlich ist da auch die Angst, dass etwas Schlimmes passiert und man sich nicht mehr wiedersieht", beschreibt Brazhnik ihre Gefühlslage. Wenn ihr Sohn momentan das Geräusch eine Helikopters hört, bekomme er sofort Panik, sagt sie und Tränen stehen in ihren Augen. Es sind traumatische Erfahrungen, die der Krieg und die Flucht hinterlassen.

Über Bratislava und Wien nach Deutschland

Mit ihrer Cousine Julia Kaurova und deren zwei Kindern sowie weiteren Frauen und Kindern nehmen Olga Brazhnik und ihr Sohn den Bus von Charkiw in Richtung Slowakei, vom ukrainischen Lwiw (deutsch: Lemberg) aus geht es zu Fuß über die Grenze. Dann mit Bus und Bahn weiter nach Bratislava und von dort aus nach Wien. "Überall, wo wir ankamen", beschreibt Brazhnik weiter, "sind wir liebevoll empfangen worden, uns wurde Essen und Trinken angeboten und wir wurden mit Medikamenten versorgt." Etwa zweieinhalb Tage dauert es, bis die Truppe erschöpft Würzburg erreicht. Fast alle Fahrten, das erzählen Brazhnik und Julia Kaurova berührt, seien für sie kostenfrei gewesen.

Die Ukrainerinnen Olga und Julia mit ihren Kindern und weiteren Verwandten bei der Ankunft am Würzburger Bahnhof.
Foto: Archiv Gabriele Nelkenstock | Die Ukrainerinnen Olga und Julia mit ihren Kindern und weiteren Verwandten bei der Ankunft am Würzburger Bahnhof.

Durch den Kontakt von Brazhniks Mutter zur Würzburgerin Gabriele Nelkenstock, auch Vorsitzende des Vereins "Hilfe im Kampf gegen den Krebs e.V.", können den Frauen und Kindern zwei Wohnungen zur Verfügung gestellt werden. Circa 7000 Euro seien von Seiten des Vereins für die ukrainischen Geflüchteten investiert worden: "Wir haben die Wohnungen mit Stockbetten eingerichtet, um Platz zu sparen. Vieles, was gebraucht wurde, zum Beispiel Kinderkleidung, Kinderwägen und Spielsachen, wurde gespendet", erklärt Nelkenstock. Und Julia Kaurova erzählt von "lieben Menschen, die uns Essen vor die Tür gestellt haben".

Vielleicht, so Nelkenstock, sei es ein bisschen Glück im Unglück gewesen, dass die beiden Frauen als eine der ersten Flüchtlinge nach Würzburg kamen, "und sie nun den Vorzug haben, in einer eigenen Wohnung zu leben". Durch ihre engagierte Arbeit in der Flüchtlingshilfe weiß Nelkenstock, dass es für die Menschen, die zum Beispiel in Turnhallen und Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden, noch schwieriger ist. "Das ist nochmal eine ganz andere Situation." Ihr großer Dank geht derzeit an das Würzburger Sozialreferat, "wo wirklich mit großem Herzblut alles getan wird, um die Geflüchteten in den Notunterkünften gut zu versorgen und sie - so schnell es eben geht - in eigenen Wohnraum unterzubringen".

Hoffnung auf eine Rückkehr

Julia Brazhnik und Olga Kaurova sind zudem froh, einen Teil der Familie bei sich zu haben, auch das gebe Kraft. Die Frauen hoffen, dass der Krieg bald ein Ende finden wird und, dass ihr Zuhause in Charkiw nicht von Bomben zerstört wird. Erst vor wenigen Tagen habe es in ihrer Wohngegend Explosionen gegeben, berichtet Brazhnik und Gabriele Nelkenstock zeigt Fotos von zerstörten Häusern in Charkiw, die Brazhniks Mann gesendet hat. Doch die Frauen, das spürt man, geben die Hoffnung auf eine Rückkehr in die Heimat nicht auf.

Zerstörte Wohngegend: Ein Bild aus der Stadt Charkiw, das der Ehemann einer der ukrainischen Frauen gesendet hat .
Foto: Archiv Gabriele Nelkenstock | Zerstörte Wohngegend: Ein Bild aus der Stadt Charkiw, das der Ehemann einer der ukrainischen Frauen gesendet hat .

Derzeit nehmen sie in Würzburg zweimal in der Woche an einem Sprachkurs teil, hoffen in nächster Zukunft auch etwas arbeiten zu können. Während Olga Brazhnik im Heimatland ein Restaurant geleitet hat, hat Julia Kaurova in einer Apotheke gearbeitet.

Für ihre Kinder wünschen sie sich, dass diese baldmöglichst in die Schule gehen können. "Unsere Kinder sind durch den Krieg viel zu schnell erwachsen geworden", sagt Brazhnik traurig.

"Unsere Kinder sind durch den Krieg viel zu schnell erwachsen geworden."
Olga Brazhnik, Geflüchtete aus der Ukraine

Als die beiden Frauen vom Schicksal ihrer Landsfrau Kateryna Petrash erfahren, zeigen sie sich zutiefst berührt. Denn: Es sind nicht allein Krieg und Flucht, die die 38-Jährige verarbeiten muss. Sie ist zudem schwer krank, hat Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Metastasen befinden sich in ihrem Körper. Als der Krieg beginnt, befindet sie sich in ihrer Heimatstadt Kiew in Behandlung. Das aber wird immer schwieriger.

Eine Bekannte aus Würzburg meldet sich, die sie bittet nach Deutschland zu kommen. Petrash will nicht weg, dann müsste sie ihren 18-jährigen Sohn zurücklassen. Denn Männer zwischen 18 und 60 Jahren dürfen das Land nicht verlassen, um im Notfall für die Verteidigung herangezogen zu werden. "Mein Sohn hat mich überredet, er hat gesagt, dass ich gehen muss, damit ich die Behandlung weiter machen kann und wieder gesund werde", sagt sie unter Tränen. "Mama, du wirst das schaffen", habe er gesagt. Gabriele Nelkenstock umarmt die Ukrainerin fest, tröstet sie, soweit es eben geht.

Ein eigenes Zimmer in der Notunterkunft

Als Petrash nach Würzburg kommt, wird sie in der Gemeinschaftsunterkunft im Reuterhaus untergebracht, erzählt Nelkenstock. "Das ist bei einer Krebserkrankung natürlich schwierig, da das Immunsystem durch die Therapien geschwächt ist. Je mehr Menschen aufeinander sind, umso größer ist die Gefahr einer ansteckenden Krankheit, die für Kateryna gefährlich sein kann", erklärt sie aus ihren Erfahrungen in der Krebshilfe.

Sofort und unbürokratisch sei der 38-Jährigen ein Zimmer allein zugewiesen worden, "in dem normalerweise mehrere Menschen untergekommen wären". Jetzt gibt es noch bessere Nachrichten: Durch Nelkenstocks Engagement und das Engagement von Ärzten mit ukrainischen Wurzeln an der Klinik hat das Universitätsklinikum Würzburg mehrere Patientenwohnungen für krebserkrankte Geflüchtete aus der Ukraine vorgesehen.

Drei starke Frauen: Die Cousinen Julia Kaurova (Mitte) und Olga Brazhnik (rechts) wollen den Kontakt zu ihrer Landsfrau Kateryna Petrash (links) halten.
Foto: Silvia Gralla | Drei starke Frauen: Die Cousinen Julia Kaurova (Mitte) und Olga Brazhnik (rechts) wollen den Kontakt zu ihrer Landsfrau Kateryna Petrash (links) halten.

Vor wenigen Tagen ist Kateryna Petrash dort eingezogen und hofft, dass sie - nach einer Bestandsaufnahme ihrer Krankheit - die Therapie bald beginnen kann. So wie es aussieht, wollen Olga Brazhnik und Julia Kaurova weiter mit ihrer Landsfrau in Kontakt bleiben und unterstützend zur Seite stehen. "Das berührt mich, es ist so wichtig, dass die Frauen auch untereinander zusammenhalten, denn sie teilen alle ein ähnliches Schicksal." Für Kateryna indes stehen zwei weitere große Wünsche ganz oben auf der Liste: "Gesund werden und, dass Frieden kommt."

Der Verein "Hilfe im Kampf gegen Krebs" ist dankbar für Spenden unter dem Kennwort "Ukraine" auf das Konto mit der IBAN:  DE747 903 000 100 000 092 45.

 
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  • U. S.
    Fragt auch die Flüchtlinge und Vertriebenen von damals, besucht die alten Menschen in den Heimen in denen sie nun leben. Sie freuen sich Besuch zu bekommen und über ihr Schicksal erzählen zu können. Lasst sie nicht allein mit ihren traumatischen Erlebnissen.
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  • J. B.
    Ihre Männer kämpfen während Frauen und Kinder Schutz suchen - 2015 war es andersherum.
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  • M. S.
    @jbehr74:
    2015 waren es Armutsflüchlinge die im angeblich goldenen Westen ihr Glück versuchen wollten. Das da niemand auf sie wartet hat ihnen vermutlich niemand erzählt. Auch im afrikanischen Busch empfängt man europäisches Fernsehen und sieht wie wir leben. Da werden die "stärksten" monatelang auf die gefährliche Reise durch die Sahara und übers Mittelmeer geschickt, viele bleiben auf der Strecke, oft wurde das gesamte Ersparte der Großfamilie für zwielichtige Schlepper ausgegeben. Schließlich sollen die Männer dann mit dem in Europa verdienten Geld die Familie daheim untestützen. Das dieser Plan für 95% nicht aufgehen konnte aufgrund fehlender Bildung, fehlenden Sprachkenntnissen führt dann letztlich zu der Situation wie wir sie erlebt haben. Denen wurden im Heimatland Märchen erzählt die sie geglaubt haben!
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  • W. V.
    "vom ukrainischen Lwiw (deutsch: Lemberg) aus geht es zu Fuß über die Grenze."
    Sind die Frauen tatsächlich ein paar hundert Kilometer bis zur slowakischen Grenze gelaufen?
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  • J. H.
    Wie lange brauchen die Würzburger Kreuzbergwallfahrer für 180Km? 6 Tage.

    Das ist also durchaus machbar.
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  • M. S.
    @Acquario: einfach mal selbst Hirn einschalten! Es ist an vielen Grenzen so, dass man eben an der Grenze das Verkehrsmittel wechseln muss! Es ist eine EU Außengrenze mit einem kriegsbeteiligten Land. Da geht es halt mit einem Bus oder Zug an die Grenze, per Fuß drüber und auf der anderen Seite der Grenze weiter! Das ist doch in vielen Ländern normal auch ohne Krieg. Ging mir in Asien schon mehrmals so, ist auch kein Problem.
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  • W. V.
    Es heißt im Artikel: "vom ukrainischen Lwiw (deutsch: Lemberg) aus geht es zu Fuß über die Grenze." Es heißt nicht, von Lwiw ging es mit dem Bus weiter zur Grenze und dann zu Fuß über selbige. Vielleicht hat die Journalistin ungenau formuliert oder wahrscheinlich lost in translation.
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